Ganz anders als geplant verlief am 30. Oktober eine Kundgebung der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) in Aachen. Um die 500 Kolleginnen und Kollegen der Saint-Gobain-Werke aus Herzogenrath, Stolberg, Köln und sogar Mannheim waren in der Erwartung, dass jetzt Dampf gemacht wird in der Tarifrunde, nach Aachen gekommen. Hier angekommen, mussten sie erfahren, dass es einen Abschluss gibt.
Nach den Vorstellungen der IG BCE sollte die Kundgebung in eine Siegesfeier umfunktioniert werden. 3,1 Prozent Lohnerhöhung, eine erfolgsabhängige Sonderzahlung bis 2008, den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und Investitionszusagen glaubten die Funktionäre als Erfolg verkaufen zu können. Daraus wurde nichts.
Als die Kundgebungsteilnehmer auf dem Aachener Marktplatz feststellten, dass die seit zwei Jahren geltende unbezahlte Verlängerung der Arbeitszeit von 37,5 auf 39,5 Stunden nochmal für zwei Jahre verlängert wurde, kippte die anfängliche Zustimmung urplötzlich in Ablehnung um. Zuerst gab es wütende Zwischenrufe wie: „Wir wollen die zwei Stunden bezahlt bekommen!“, „Die nehmen uns aus!“, „Mit unserem Geld werden die neuen Maschinen bezahlt, die uns dann die Arbeit wegnehmen!“
Frank Rolle, Sekretär der Gewerkschaft IG BCE, versuchte vergeblich, die KollegInnen zu beruhigen: „Ich rechne euch das Ergebnis gerne aus, aber beruhigt euch erstmal.“ Aber die KollegInnen hatten längst schon selbst nachgerechnet und kamen zu dem Schluss, dass sie durch zwei Stunden Mehrarbeit mehr verlieren als durch die Tariferhöhung gewinnen. Die Schönrechnerei ihrer Gewerkschaftsfunktionäre wollten sie sich nicht mehr anhören. Stattdessen warfen sie ihnen Fahnen und Mützen vor die Füße. Die ganze Veranstaltung endete im Tumult und wurde bereits nach zwanzig Minuten vorzeitig abgebrochen.