Griechenland – Massenproteste im Bildungswesen erschüttern das Land

Forderungen nach höheren Gehältern und mehr Geld für die Bildung
 

von Tony Saunois und Andros Payiatsos, CWI, London und Athen

Gestern beschloss die Führung der Lehrergewerkschaft in Griechenland, den Dauerstreik der LehrerInnen zu beenden, und mit wöchentlichen eintätigen Streiks weiterzumachen. Grund ist die Erschöpfung der LehrerInnen nach dem sechswöchigen Dauerstreik. Aber sie weigern sich nach wie vor, ihren Kampf aufzugeben. Sie wollen in den nächsten zwei Wochen mit jeweils mindestens einem 24stündigen Streik pro Woche fortfahren (am 3. und 9. November).

Grundschulen in Griechenland hatten dieses Jahr noch nicht geöffnet. Vom ersten Tag des neuen Schuljahres an hatten sich die GrundschullehrerInnen zu einem fünftätigen Streik entschlossen, und erneuerten diesen Beschluss jede Woche.

Sie verlangen höhere Gehälter, aber auch mehr Ressourcen für das staatliche Bildungswesen. Ab der drittens Streikwoche bekamen die GrundschullehrerInnen Unterstützung von den LehrerInnen der weiterführenden Schulen, jede Woche zu drei Tagen Streik aufriefen.

Eine fantastische Bewegung

Dieser fantastischen Bewegung schlossen sich in der vierten Woche tausende von SchülerInnen an, von denen viele ihre Schulen besetzten. Von 3.000 Schulen sind fast 1.000 zurzeit besetzt.

Seit Beginn der Woche wollen sich die StudentInnen der Bewegung anschließen, was die Perspektive einer landesweiten Bewegung aufwirft, an der zum ersten mal alle Bereiche des staatlichen Bildungswesens beteiligt sind.

Viele Massendemonstrationen haben stattgefunden, jeden Mittwoch gibt es einen landesweiten Aktionstag der Lehrerinnen und StudentInnen. Letzten Mittwoch, dem 22. 10., demonstrierten, selbst als sich der Lehrerstreik seinem Ende zuneigte, ca. 20.000 LehrerInnen und ihre SchülerInnen in Athen und 5.000 in Thessaloniki.

Forderungen

Neben einer Erhöhung ihres Gehaltes von bisher 950 € im Monat fordern die GrundschullehrerInnen auch mehr Ressourcen für die staatliche Bildung. Unter anderem sind das eine Erhöhung der staatlichen Bildungsausgaben von 3% des BIP auf den Eu- Durchschnitt von 5% und eine Reduzierung der Klassenstärke von 30 auf 20.

Diesen Forderungen fügten die LehrerInnen der weiterführenden Schulen und die Studentinnen einige hinzu. Erstere fordern auch die Einrichtung von Schulkonferenzen, um die Führung der Schulen aus der strengen Kontrolle der Direktoren zu reißen. Sie fordern auch die Abschaffung von Aufnahmeprüfungen für Studienplätze. Zurzeit wird StudentInnen, die von 20 Punkten weniger als 10 bei den Prüfungen bekommen, die Aufnahme in die Hochschule verweigert, selbst wenn es freie Plätze gibt.

Eine zentrale Forderung dieser Bewegung ist die Verteidigung des Artikels 16 der griechischen Verfassung, den die rechte Regierung der Nea Democratia ( Neue Demokratie) abschaffen will. Dieser Artikel verhindert die Einführung privater Bildungseinrichtungen im Bildungssystem. Leider war die neo- kapitalistische sozialdemokratische PASOK nicht dagegen, sondern verlangte nur eine Verschiebung der Entscheidung im Parlament.

Xekinimas Kampagnearbeit in dem Kampf

Die griechische CWI – Sektion, Xekinima, in dieser Bewegung voll dabei und kämpft für eine vereinigte Bildungsfront. Die zentralen Forderungen, die in tausenden Flugblättern, die in Arbeitervierteln und unter SchülerInnen und StudentInnen verteilt wurden, sind ein gemeinsamer Streik im Bildungswesen, unterstützt von einem 24stündigen Generalstreik aller Beschäftigten, die diese Bewegung unterstützen.

Gleichzeitig treten Xekinima- UnterstützerInnen aktiv für die demokratische Kontrolle der Schüler- und Studierendenbewegung und der Wahl von Koordinationskomitees ein. Letzten Mittwoch mobilisierten Xekinima – Mitglieder in Thessaloniki 200 SchülerInnen auf die Demonstration (verglichen mit 500, die die Kommunistische Partei KKE mobilisiert hatte). Dies stellt einen Durchbruch dar in der Arbeit von Xekinima in Thessaloniki, nachdem ähnliche Erfolge bereits in den Städten Volos und Athen erreicht werden konnten.

Eine landesweite Konferenz (Koordinationskomitee) der SchülerInnen letzte Woche wurde von 200 Delegierten und Einzelpersonen besucht. Das Koordinationskomitee der SchülerInnen hatte sich bis dahin im Geheimen getroffen, da es von der griechischen KKE ins Leben gerufen worden war. Durch Xekinimas konsequente Kampagne für ein demokratisches Koordinationsgremium war die KKE- Jugend gezwungen worden, das Treffen öffentlich zu veranstalten.

Auf diesem Treffen unterschrieben VertreterInnen von zehn besetzten Schulen Resolutionen, die von Xehinima unterstützt wurden und forderten, dass SchülerInnen und LehrerInnen gemeinsam demonstrieren sollten statt getrennt, was die KKE ablehnte, und die demokratische Wahl eines Schülerkoordinationskomitees für den Kampf. Die KKE konnte keine Mehrheit bekommen, und lehnte eine Abstimmung über die Resolution ab. Am Ende brach sie das Treffen ab – dies entlarvte sie nur noch weiter und sogar einige ihrer Mitglieder waren von der undemokratischen Vorgehensweise ihrer Führung abgestoßen.

Aufgaben des Tages

In diesem Moment konzentriert sich die Hauptkampagne der Xekinima – UnterstützerInnen auf die StudentiInnen und den Aufruf, alle Universitäten zu besetzen.

Leider untergräbt die Erschöpfung der LehrerInnen die Möglichkeiten einer allgemeinen Bildungsfront.

Auf diese Gefahr hatte Xekinima von der ersten Woche des Lehrerstreiks an aufmerksam gemacht. Xekinima begrüßte natürlich die Militanz des Kampfes der GrundschullehrerInnen, die niemals in ihrer Geschichte solch eine Kampfbereitschaft gezeigt hatten, aber gleichzeitig erklärte Xekinima, dass es ein Fehler sei, alleine in den Kampf zu treten. Besonders, da alle Bereichen der Bildung gärte, nach den zweimonatigen Besetzungsaktionen der UniversitäsdozentInnen im letzten Mai und Juni. Unsere Ängste waren gerechtfertigt – wenn der Rest des Bildungssektors in den Kampf tritt, sind die LehrerInnen zu erschöpft , um weiterzumachen.

Trotzdem muss ein Versuch unternommen werden, die Studierenden herauszuholen. Es gibt keine andere Option. Wenn sie kämpfen, könnten die LehrerInnen ihre Streiks fortsetzen, wenn auch in abgemilderter Form als bisher. Dieser Versuch, einen gemeinsamen Bildungsstreik aufzubauen, ist der einzige Weg, die Regierung zum Aufgeben zu zwingen.

Die Perspektiven für die Studierenden sind immer noch unklar. Jede Vollversammlung der Studierenden in jeder Universität endet in einem Krieg, da die ND – Jugend jedesmal all ihre Kräfte mobilisiert und mit allen Mitteln versucht, die Besetzungsbewegung zu stoppen. Die nächste Woche wird entscheidend sein.

Diese Bewegung stellt eine wichtige Veränderung der Situation in Griechenland dar und dem Kampf der Massen gegen die neoliberale ND- Regierung. Würde eine Bildungsfront aufgebaut, wäre dies eine völlig neuartige Entwicklung. Und zweifellos würde sich diese sich auf die gesamte Arbeiterklasse Griechenland auswirken.