Mit klarer Mehrheit hat am 29.10. die mit etwa 70 Mitgliedern besuchte LMV des Bremer Landesverbandes den vom eigenen Landes- und Bundesvorstand unterstützten Antritt zu den Bremer Bürgerschaftswahlen auf einer L.PDS-Liste zurückgewiesen und stattdessen für die Bildung einer parteiübergreifenden linken Wählergemeinschaft votiert.
von Heino Berg, Bremen
Die Mitglieder der Bremer WASG missbilligten ausdrücklich den von Axel Troost verteidigten Beschluss des WASG-Bundesvorstands für eine Kandidatur von WASG-Mitgliedern auf einer L.PDS-Liste als Missachtung der Autonomie der Landesverbände in den sie betreffenden Angelegenheiten: „Damit wurden die Rechte der Bremer WASG und die demokratische Legitimität ihrer gewählten Gremien missachtet. Die Landesmitgliederversammlung fordert den Bundesvorstand auf, solche autoritären Umgangsformen im Verkehr mit den Landesverbänden zukünftig zu unterlassen und ihnen den Respekt zu erweisen, der demokratischen Gepflogenheiten entspricht.“
Axel Troost hatte bei seiner Rede auf einen entsprechenden Appell von O.Lafontaine an die Bremer WASG-Mitglieder hingewiesen, aber auf dessen Verteilung bei der LMV dann ausdrücklich verzichtet, um das Ausmass der Niederlage für Lafontaine und die Politik des Ausverkaufs der WASG an die L.PDS in Grenzen zu halten.
In einem ebenfalls mit 2/3-Mehrheit verabschiedeten Antrag wurde das Verhalten der Mehrheit des Bremer Landesvorstands verurteilt, der die seit langem geforderte Bildung einer linken Wählergemeinschaft unter Missachtung der innerparteilichen Demokratie zu verschleppen versucht hat:
„Die Landesmitgliederversammlung missbilligt die Verhandlungsführung des WASG-Landesvorstandes in punkto Wahlantritt zur Bürgerschaftswahl im Mai 2007. Sie bedauert, dass der Landesvorstand der WASG der Strategie der hiesigen Linkspartei.PDS, die Verhandlungen in die Länge zu ziehen und die Zeit für sich wirken zu lassen, nicht nur nichts entgegenzusetzen hat, sondern dass er darüber hinaus den Eindruck erweckt, als ob er diesen Verschleppungskurs gegenüber den eigenen Mitgliedern auch noch aktiv unterstützt.“
Dazu gehörte die Verschickung eines angeblich vom Landesvorstand „einstimmig“ gebilligten Kooperationsabkommens II mit der L.PDS, demzufolge über die Ziele und die Zusammensetzung einer linken Bürgerschaftsliste allein der L.PDS-Parteitag entscheiden könne. Die WASG-Mitglieder dürften, so der von Axel Troost nach eigenem Eingeständnis „vorleilig“ veröffentlichte Text, ja vorher in die L.PDS eintreten. Wie sich herausstellte, waren diese „einstimmigen“ Verabredungen nicht einmal allen Vorstandsmitgliedern der WASG bekannt.
Die Mehrheit der Bremer Landesmitgliederversammlung hielt trotz der Drohungen, dass eine linke Wählervereinigung von der L.PDS boykottiert, finanziell nicht unterstützt oder vom Landeswahlleiter verboten werden könnte, an der Überzeugung fest, dass nur eine wirkliche NEUE und GEMEINSAME Linke, die weder von der Vergangenheit L.PDS, noch von ihrer Regierungsmitarbeit an Stellen- und Sozialkürzungen diskreditiert ist, glaubwürdig gegen die neoliberale Politik der großen Koalition in Bremen antreten und den Einzug in das erste westdeutsche Landesparlament schaffen kann.
Einige Befürworter der Wählervereinigung, wie das GLV-Mitglied Erlanson, deuteten in der vierständigen Debatte und mit einem Satzungsentwurf an, dass sie diese – als Zugeständnis an den Bundes- und Landesvorstand – auf die Mitglieder von WASG und L.PDS beschränken möchten, was auf den entschiedenen Protest vor allem der Bremerhavener WASG-Mitglieder stieß, die dort seit Monaten gemeinsam mit unabhängigen Linken die Liste vorbereiten. Das Bremerhavener Linkenplenum/Wählergemeinschaft – so das WASG-KV- und SAV-Mitglied Patrik Schulte – sei ein autonomes Wahlbündnis, dem die Vorstände von L.PDS oder WASG keine Vorschriften machen könnten,. Die Frage, ob die – vorbehaltlich der Urabstimmung – beschlossene Wählervereinigung auch Linken ohne WASG- bzw. L.PDS-Parteibuch Mitspracherechte zugestehen solle, wurde von der LMV vorläufig offen gelassen.
Zum Schluss ging es um die Frage, wie der LMV- Beschluss für eine Wählervereinigung nach einer Zustimmung durch die Urabstimmung in die Praxis umgesetzt werden kann, wenn sich die Mehrheit des WASG-Landesvorstands offensichtlich nicht den Beschlüssen der WASG-Mitglieder, sondern den Bundesspitzen von WASG und L.PDS verpflichtet fühlt. Dazu wurde die Bildung eines LMV-Ausschusses beschlossen. Leider wurde der Auftrag dieses Ausschusses im Antrag von Klemens Alff auf die Verhandlungen mit der L.PDS und von der Bestätigung seiner Mitglieder durch den WASG-Landesvorstand abhängig gemacht. Mein Antrag, dass dieser Ausschuss „den Landesvorstand bei der Umsetzung der Beschlüsse von LMV für die Bildung der Wählervereinigung vorbehaltlich des Urabstimmungsergebnisses unterstützen solle“ fand keine Mehrheit. Auch seine Wahl wurde auf die nächste Landesmitgliederversammlung verschoben.
Dies unterstreicht die Notwendigkeit der unabhängigen „Linkenplenen“ in Bremen und Bremerhaven, die sich seit Monaten für die Bildung einer linken Wählervereinigung, die über den Kern von WASG- und L.PDS-Mitgliedern hinausgehen, einsetzen. Der Aufruf der WASG-Landesmitgliederversammlung zur Bildung dieser linken Wählervereinigung schafft dafür endlich die Voraussetzungen. Nun kommt es darauf an, ihn in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und so für eine wirkliche Einheit aller Linken bei den Bremer Bürgerschaftswahlen zu sorgen.
Der Antrag von Heino Berg und anderen an den Bundespartei, die Zustimmung zur Vereinigung der WASG mit der L.PDS von sechs Mindestbedingungen abhängig zu machen, wurde mit Hinweis auf die abgelaufene Antragsfrist mit 29 zu 29 Stimmen nicht zur Abstimmung zugelassen.