Zum Treffen des Netzwerks Linke Opposition am 3. Oktober
Mit etwa 90 Anwesenden war die Bundeskonferenz des Netzwerks Linke Opposition in Felsberg bei Kassel besser besucht als die Versammlungen anderer Strömungen in der Linken. Der Rückgang im Vergleich zur Gründungsversammlung am 20. Mai (280 TeilnehmerInnen) widerspiegelt jedoch das insgesamt abnehmende politische Engagement für die WASG seit ihrem Parteitag in Ludwigshafen. Eine Entwicklung, deren Ursachen die linke Opposition beschreiben und bekämpfen, der sie sich aber nicht vollständig entziehen kann.
von Heino Berg und Stephan Kimmerle
Der gesamte Fusionsprozess wird vom WASG-Bundesvorstand unter der Regie der Linksfraktion im Bundestag auf einen Anschluss der WASG an die Linkspartei.PDS im politischen und organisatorischen Sinn ausgerichtet. Das Gründungsverständnis der WASG, Lehren aus dem Scheitern von SPD, Grünen und PDS zu ziehen, wird kampflos preisgegeben. Die Absage an Regierungsbeteiligungen mit Sozialabbau soll geschliffen werden. Mehr noch: In Berlin finden Koalitionsverhandlungen statt, Privatisierungen, Sozial- und Stellenabbau der letzten Jahre mittels SPD-L.PDS-Senat fortzusetzen – und jeglicher auch nur leise Protest des Propagandisten von Haltelinien, Oskar Lafontaine, bleibt aus.
Die Lebendigkeit der WASG in ihrer Gründungsphase ist einem Postengeschacher gewichen. Viele AktivistInnen der ersten Stunde der WASG sind daher auf dem Rückzug.
Mit dem Anspruch, dem entgegen zu wirken, startete das Netzwerk Linke Opposition bei seinem ersten Treffen in Kassel im Mai 06. Die Debatten der Folgekonferenz am 3. Oktober waren von großem Willen, zum Teil von Leidenschaft erfüllt, die Errungenschaften der WASG zu verteidigen. Doch einige Aufgaben wurden bislang nicht gemeistert.
Nein-Kampage
In Vorbereitung auf den nächsten Bundesparteitag der WASG am 18. und 19. November steht der Beginn einer „Nein!“-Kampagne auf der Tagesordnung. „Nein!“ zu einer Fusion unter Preisgabe dessen, was die WASG ausgemacht hat. Dazu wurden von Netzwerk „Rote Linien“ beschlossen, die Mindestbedingungen für eine Zustimmung zur Neugründung einer vereinigten Partei ausmachen sollen.
Zu dieser „Nein!“-Kampagne muss um Delegiertenmandate gerungen und um Mehrheiten in den Bezirksgruppen gekämpft werden. Dazu sind bundesweite Absprachen und eine Übersicht nötig. Dazu muss gemeinsam mit Anträgen, Stellungnahmen und Vorschlägen politisch agiert werden. Der Austausch zwischen verschiedenen Orten muss intensiviert werden. All das wurde leider nicht besprochen.
Denn im Mittelpunkt der Diskussion stand nicht, diese Kampagne gemeinsam voran zu treiben und dazu die Kräfte zu bündeln, sondern die Frage des „Danach“: Was ist, wenn dieser Kampf verloren gehen sollte? Eine Entwurf einer „Politischen Erklärung des Netzwerks Linke Opposition “ (Antrag 4), die keine Festlegung des Netzwerks auf eine bestimmte Position für den Fall einer Niederlage dieses Kampfes fest schreiben wollte, – damit ein Kompromissantrag, der allen ihre Haltung dazu unbenommen gelassen hätte – wurde abgelehnt.
In den Vordergrund werden nun (Antrag 2) die Satzungs- und organisatorischen Fragen der Neuformierung gerückt statt die Ablehnung von Sozialabbau und darauf beruhender Regierungsbeteiligungen zum Ausgangspunkt zu machen. Diese Anpassung geschah wohl aus taktischen Gründen der Anpassung an eher basisdemokratisch orientierte Stimmungen in der WASG jenseits der politischen Inhalte.
Einige NetzwerkerInnen haben sogar bereits ihren Austritt aus der WASG erklärt – noch bevor der Kampf geführt und entschieden ist! Dabei ist klar: Wenn wir Erfolg haben und wenigstens das retten wollen, was durch die Gründung der WASG in Bewegung gesetzt wurde, müssen alle oppositionellen Kräfte in der WASG gebündelt werden. Nur so haben wir überhaupt die Chance, spätestens im März 07 eine Sperrminderheit von über einem Drittel der Bundesparteitagsdelegierten gegen diese Fusion zusammen zu bekommen.
Was tun „danach“?
Was aber tun, wenn die Anstrengungen nicht reichen, die WASG gegen den Ausverkauf aller Prinzipien zu verteidigen? Mit 50 zu 30 entschied sich das Oppositionellen-Treffen für einen Beschluss („Antrag 2“) mit der Drohung, man werde dann „eine politische Kraft als Alternative aufbauen. Schon heute gibt es da, wo die Linkspartei.PDS "mitregiert" Platz für eine Partei links von ihr.“
Dies entsprach dem Willen, den Ausverkauf nicht nur zu kommentieren, sondern auch klar zu machen, dass „da doch etwas passieren muss “, dass das „Konsequenzen haben muss“. Das ist nachvollziehbar. Aber die Bedingungen einer solchen Niederlage – wenn wir sie denn nicht verhindern können – suchen wir uns nicht aus. Und die Möglichkeiten, die dann existieren, auch nicht.
Leider wurde beim Netzwerk-Treffen in Felsberg, im Gegensatz zu der Kasseler Konferenz vom 20. Mai versucht, mit Behauptungen Stimmung zu machen. Peter Weinfurth erklärte, die SAV habe beschlossen in die Linkspartei.PDS einzutreten. Wann und wo wurde so ein Beschluss gefasst oder auch nur ein Artikel mit dieser Aussage veröffentlicht?
Der Kampf um Mehrheiten in einem Netzwerk ist legitim. Aber wenn er mit solchen Mitteln geführt wird, schürt er Misstrauen in den eigenen Reihen und schwächt immer den gemeinsamen Widerstand.
Haltung der SAV
Trotzdem nochmal zur Klarstellung die Haltung der SAV: Der Kampf um eine konsequente, glaubwürdige Interessensvertretung muss geführt werden. Erstens durch die Nein-Kampagne gegen die Fusion. Zweitens durch gemeinsamen Widerstand, der auch nach der drohenden Fusion den Anspruch aufrecht erhält, den Kampf gegen Anpassungskurs und Sozialabbau zu formieren und unter Einbeziehung möglichst vieler AktivistInnen in zukünftige Bewegungen zu tragen.
Was aber tun sollte der Kampf dennoch verloren gehen?
In Berlin gibt es eine Alternative zu dieser drohenden fusionierten Partei. Die WASG Berlin hat eine gewisse Verankerung. Sie hat – sicher erst in Ansätzen – Gewerkschafter und AktivistInnen aus den sozialen Bewegungen um sich sammeln können,und eine politische Lebendigkeit, wie sonst nirgendwo. Sie kann regional ein Angebot für glaubwürdige linke Politik darstellen. Sie wird in der Stadt als eigenständige Kraft dringend benötigt. Sie muss unter allen Umständen verteidigt werden. Kampagnen gegen Privatisierungen zum Beispiel von Wohnungen wie im Wahlkampf begonnen, Unterstützung für streikende KollegInnen, aktuell zum Beispiel bei Bosch-Siemens-Hausgeräte müssen den Beweis antreten: Wir sind die Alternative für alle von Sozialabbau Betroffenen.
Eine Fusion, ein Eintreten in die Linkspartei.PDS in Berlin, die Partei des Sozialabbau und der Privatisierungen, wird es mit uns nicht geben.
Im Osten Deutschlands bleibt die PDS weitgehend, was sie war: Unattraktiv für Menschen, die sich zur Wehr setzen wollen.
Im Westen dagegen werden sich Linke in zahlreichen Regionen entscheiden, den Schritt in die fusionierte Partei zu machen. Auch wenn das mit knischenden Zähnen geschieht – einfach, weil politischen Alternativen mit Massenbasis nicht in Sicht sind. Örtliche Wahlbündnisse in Hessen oder Niedersachsen aus den Kommunalwahlen können Ansätze sein, mehr zusammen zu bringen als L.PDS und WASG. Sie sind in einigen Städten der Beginn von gemeinsamer Gegenwehr. Das würde noch nicht den Charakter der fusionierten Partei verändern, die Lafontaine und Gysi im bisherigen „Parteibildungsprozess“ schaffen wollen, aber die Bedingungen vor Ort.
In einer solchen Situation kann es für Sozialisten sinnvoll sein, auch aktiv in der fusionierte Partei einzugreifen, anstatt die Verbindungen zu unseren bisherigen MitstreiterInnen aus der WASG oder zu kritischen AktivistInnen abzubrechen.
Netzwerk!
Was diese vor Ort unterschiedlich handelnden Menschen zusammenhalten kann und was uns die Möglichkeit geben kann, gemeinsame Kampagnen gegen Privatisierungen, Sozialabbau und Unternehmermacht zu starten, ist ein Netzwerk. Ein Netzwerk, das auch die politischen Unterschiedlichkeiten nicht leugnen will und trotzdem die eigene Handlungsfähigkeit als Netzwerkbündnis aufrecht erhält.
Damit könnte auf der Linken in Deutschland sicher gestellt werden, dass wir eine gemeinsame, starke Stimme in Opposition zum Anpassungskurs der fusionierten Partei verteidigen – einige in ihr, andere unabhängig von ihr.
Die von Gysi und Lafontaine geplante Fusion ist nicht das Ende der Geschichte. Beschäftigte, Erwerbslose und ihre Familien benötigen eine konsequente Interessensvertretung. Die fusionierte Partei, wie sie uns droht, wird das nicht leisten. Und das wird offensichtlich werden. Im Augenblick wissen oder ahnen das diejenigen, die sich aktiv am Aufbau der WASG beteiligt haben – aber noch nicht die große Mehrheit der Lohnabhängigen und Arbeitslosen, die mit ihnen – aus unserer Sicht vergebliche – Hoffnungen auf eine starke linke Kraft gegen die Große Koalition verbinden.
Wie und wann bundesweit Bedingungen entstehen, einen neuen Anlauf zu starten, um die Notwendigkeit einer kämpferischen Partei nicht nur zu erklären, sondern sie tatsächlich zu gründen und aufzubauen, ist heute nicht vorher zu sagen. Teile der fusionierten Partei können eine Rolle spielen. Selbst ein Zustrom von AktivistInnen aus zukünftigen Bewegungen zur fusionierten Partei, der notwendigerweise eher früher als später mit der dortigen Führung in Konflikt gerät, ist nicht auszuschließen. Doch das wahrscheinlichste ist, dass sich aus betrieblichen, gewerkschaftlichen und sozialen Bewegungen neue Impulse entwickeln.
Diesen neuen Anlauf zu fördern, zu verteidigen, was wir haben, und dafür gerüstet zu sein ist unser Vorschlag für die Zeit nach einer drohenden Niederlage im Kampf um die WASG. Dabei ist klar, dass es sehr unterschiedliche Bedingungen in verschiedenen Regionen geben wird und dass die AktivistInnen erst einmal unterschiedliche Wege gehen werden.
Daher: Weder Verzicht durch Selbstisolation und -genügsamkeit noch Anpassung und Unterordnung unter das Regime der Fraktionslinken.
„6. Partei“?
Ein Berliner Teilnehmer formulierte es am Rande des Treffens so, dass er „die Schnauze voll davon“ habe, „ständig die Auseinandersetzungen in den eigenen Reihen zu führen“. Doch klar ist: Eine Alternative zur Auseinandersetzung innerhalb der sich neu aufrappelnden Arbeiterbewegung mit den Kräften um Lafontaine und Co kann niemand anbieten – es sei denn durch den Verzicht auf den Kampf durch Selbstgenügsamkeit und Selbstisolation. (Das gilt auch gerade dann, wenn man nicht in einer Partei mit diesen Herren bleibt.) Eine Form dieser Selbstgenügsamkeit ist das Ausrufen einer neuen, 6. Partei – ein Versuch nach vorne zu fliehen, aber doch in erster Linie eine Flucht.
Beim aktuellen Stand von Bewegungen und Klassenkämpfen fällt es Lafontaine und der fusionierten Partei noch verhältnismäßig leicht, als linke Alternativeaufzutreten. Auch wenn das nicht zu Aktivierung und Einbeziehung von neuen Mitstreitern führt, so reicht es doch, um einem neuen Anlauf zum Aufbau einer konsequenten Interessensvertretung für Beschäftigte, Erwerbslose, Jugendliche und RentnerInnen erst einmal das Wasser abzugraben.
Die SAV setzt sich seit mehr als zehn Jahren für den Aufbau einer kämpferischen, demokratischen, offenen und sozialistischen Arbeiterpartei ein. Gerade deshalb wissen wir aber, dass es nicht genügt, eine solche Partei einfach auszurufen. „Platz für eine Partei links von der PDS in Regierungskoalitionen“ (Antrag 2) gibt es seit Jahren. Doch damit dieser Raum ausgefüllt werden kann, bedarf es eines gesellschaftlichen Aufbruchs.
So ist die WASG entstanden. Ihre Erfolge erklären sich aus dem vorhandenen brach liegenden Feld und dem Aufschwung von Widerstand und Bewegung gegen Sozialabbau und Angriffen der Unternehmer. Immer wieder wirkte der Dampf, den die Proteste ausgehend vom 1. November 2003 bis hin zu den Montagsdemos vor dem Hintergrund der sozialen Krise und der brutalen Angriffe der Schröder-Regierung machten. Dieser Aufbruch und die mit ihm verbundenen Hoffnungen, drohen durch die Anpassung der WASG-Bundesführung an die PDS und ihre Beteiligung am Sozialabbau ruiniert zu werden. Er lässt sich auf Knopfdruck, also durch einen Beschluss des Netzwerks, nicht einfach neu herbei zaubern.
Eine Partei oder Organisation wird durch ein gemeinsames Programm beziehungsweise gemeinsame Ziele und durch eine gewisse Masse an Mitgliedern lebendig gehalten. Sind Programm und Verständnis einheitlich und klar genug, dann kann auch vorübergehend ohne Massenbasis der Zusammenhalt und die Lebendigkeit gewährleistet werden. Eine neue Partei, die keine einheitliche Überzeugung zur Grundlage hätte, würde ohne größeren Zulauf und damit Lebendigkeit schnell in inneren Zerreißproben zerrieben und in die Bedeutungslosigkeit gedrängt werden.
Die Behauptung, dass sich eine „6. Partei“, im politischen System in Deutschland unmittelbar nach einer freiwilligen Selbstauflösung des Hoffnungsträgers WASG in der L.PDS als massenhaft wählbare Alternative etablieren könnte, beruht auf verständlichem, aber unrealistischem Wunschdenken.
Michael Aggelidis vom NRW-Landesvorstand, Helmut Born (Düsseldorf), Egbert Scheunemann (Hamburg) sowie Mitglieder der SAV warnten daher auf der Oppositionellen-Konferenz eindringlich vor den Kurzschlüssen einer übereilten Parteineugründung. Das Netzwerk, so ihr gemeinsamer Appell, müsse seine in Kassel gemeinsam beschlossenen Ziele, also die Verteidigung der antineoliberalen Grundsätze der WASG, bis zu Ende führen und sich darauf konzentrieren, anstatt sich an den Aufgaben einer weiteren Parteigründung zu „überheben“ und die Einheit des Netzwerks aufs Spiel zu setzen.
Die Alternative dazu – nur um es noch einmal zu sagen – ist nicht die Kapitulation und Aufgehen in der L.PDS, sondern ein Netzwerk unterschiedlicher Kräfte und Wahrung unserer Errungenschaften gerade auch, aber nicht nur in Berlin.
Programm zum Widerstand
Michael Hammerbacher vom Landesvorstand der Berliner WASG analysierte einleitend das Berliner Wahlergebnis: Der Einbruch der L.PDS habe die Eigenkandidatur der WASG bestätigt und gezeigt, dass die neoliberale Regierungspolitik der L.PDS Platz für eine Alternative lasse. Er bemängelte nur gleichzeitig, dass es der WASG in Berlin nicht gelungen sei, ins „bürgerliche Protestlager“ vorzudringen. Das sei aufgrund von Bankenskandal und Landowski-Affäre in Berlin stark vorhanden. Also doch „Politik für alle“, wie es Lafontaine formuliert?
Die WASG hat im Wahlkampf erklärt, sich konsequent für die vom Sozialabbau Betroffenen einzusetzen. Sie erklärte sich für parteiisch. Die Vermögenden und Unternehmer haben schon genug Parteien.
Das respektable Stimmergebnis der Berliner WASG, das aber unter fünf Prozent blieb (genau: 2,9 Prozent der Zweitstimmen, 3,8 Prozent der Erststimmen), kann für uns nicht aus dem Blickwinkel betrachtet werden, dass man zu viele „bürgerliche Kräfte“ verschreckt habe. Es war schlicht so, dass es für Erwerbslose, für Beschäftigte im öffentlichen Dienst, für MieterInnen usw. nicht ausreicht, dass weitere linke Partei daher kommt und behauptet, sie sei anders. Eine solche Partei muss es erst einmal beweisen. Das gelang in Ansätzen, zum Beispiel bei den von Privatisierungen betroffenen MieterInnen. Da steht die WASG Berlin allerdings trotz allem am Anfang. Das ist ihre Aufgabe in der nächsten Zeit.
Die Skepsis gegenüber einer neuen Kraft wurde natürlich dadurch verstärkt, dass die Bundesführung der WASG und Lafontaine im Wahlkampf verkündeten, dass die WASG und ihr Berliner Landesverband nur noch bis zum März kommenden Jahres existieren würden.
Es wäre ein Irrtum, die Ursache für die Nichterreichung des WASG-Wahlziels der Fünf-Prozent-Hürde in den antikapitalistischen Zielen oder in den entsprechenden Erklärungen ihrer Spitzenkandidatin Lucy Redler zu suchen – und daher Abstriche an systemüberwindenden Perspektiven des Netzwerks zu befürworten. Es ist doch kein Zufall, dass sogar Lafontaine von der Überführung der Schlüsselindustrien in Gemeineigentum redet. Oder dass sich die Strömungen in der WASG, je rechter sie stehen, umso linkere Namen geben („ antikapitalistische“ beziehungsweise „sozialistische Linke“). Sie tun das, weil man sich mit diesen Perspektive in der Bevölkerung nicht mehr isoliert und sie sich nur noch mit dieser „sozialistischen“ Verpackung trauen, die neoliberale Regierungspraxis der L.PDS unter die Leute zu bringen. Gerade in Ost-Berlin erschien die WASG vielen nicht radikal genug. Das fing damit an, dass sie nicht als sozialistische Kraft auftrat und sich nicht kämpferisch genug präsentierte.
Das Netzwerk Linke Opposition benötigt selbst Klarheit über eine Systemalternative. Ein Beitrag am Wochenende stellte grundlegend in Frage, ob „rechts“ und „links“ wichtigte Kategorien wären, ob nicht die Struktur wichtiger wäre als das Programm. Eine Zusammenarbeit auch mit den zahlreichen Menschen in der WASG, die so denken, ist absolut notwendig. Für das Netzwerk, will es eine Zukunft haben, steht aber eine klare Entscheidung an: Für „bürgerlichen Protest“ oder für eine sozialistische Perspektive?
Aus dem abgelehnten Antrag 4 wurde immerhin der Abschnitt übernommen, in dem das Aufzeigen „sozialistischer Perspektiven“ vom Netzwerk eingefordert wird.
Nachgearbeitet werden muss an dieser Stelle, was denn unter einer sozialistischen Perspektive zu verstehen ist. Die Macht der Banken und Konzerne muss gebrochen, die Eigentumsverhältnisse müssen grundlegend verändert werden. Eine solche Perspektive ist nötig, nicht für Sonntagsreden wie bei Lafontaine und Teilen der L.PDS, sondern als Schutz gegen die Logik der kapitalistischen Sachzwänge.
Statut
Das Linkentreffen nahm auch ein für ein Netzwerk merkwürdig überfrachtetes Statut an: Obwohl die dort reklamierten „Basis- oder gar Räteorganisationen“ innerhalb des Netzwerks noch nirgendwo existieren,wurden sie im Antrag 1 als einzige Autorität für den vom Netzwerk gewählten Koordinationskreis proklamiert. Der einzig erkennbare Sinn eines solchen aufgeblähten Statuts liegt wohl in der Vorwegnahme des Statuts einer zukünftigen Partei.
Dann ist allerdings die Zuschreibung von Leitungsgremien als ausschließlich ausführende Organe bestenfalls naiv. Dies wurde von Peter Weinfurth auf dem Treffen mit dem Verweis auf „ Arbeiterdemokratie“ begründet. In der Arbeiterbewegung haben sich immer wieder – gerade in Abgrenzung zu den bürokratischen Apparaten zum Beispiel der Gewerkschaftsführung – sehr demokratische, aber auch sehr klare Organisationsprinzipien durchgesetzt. Selbstverständlich hat zum Beispiel eine Streikleitung keinerlei Mandat, die KollegInnen zu verkaufen, sondern die Pflicht, Transparenz zu garantieren und die Entscheidungen von unten einzuholen und einzuhalten. Sie hat aber gleichzeitig die Pflicht, selbst politisch zu agieren, Initiativen zu ergreifen und auf Angriffe der Arbeitgeber und des Staates zu reagieren. Wenn sie jederzeit wähl- und abwählbar ist, werden die KollegInnen wissen, wie ihr Wille am besten durchgesetzt werden kann. Einer solchen „Kampf“-Leitung das Recht abzusprechen, sich politisch zu äußern und Initiativen zu ergreifen wäre Selbstkastration.
Auch für das Netzwerk gilt, dass es sich mitten in einer Auseinandersetzung befindet. Hoffentlich agiert der Ko-Kreis, der auf dem Netzwerk-Treffen gewählt wurde, nicht mit politischer Enthaltsamkeit, während sich die Auseinandersetzung zuspitzen.
Netzwerk zusammen halten
Edith Bartelmus-Scholich unterstellte den UnterstützerInnen des Antrag 4, erst kompromissbereit geworden zu sein, nachdem die „ Mobilisierung der SAV gescheitert“ sei. Abgesehen davon, dass die Mobilisierungsfähigkeit der SAV in der Berliner Wahlkampagne sichtbar geworden ist, kommt sie nicht auf den Gedanken, dass es in einem Netzwerk um Zusammenarbeit statt um Majorisierung gehen könnte. Der gesamte Antrag 4 war ein Vorschlag, die strittigen Punkte bezüglich der Weiterarbeit nach März 2007 auszuklammern, um eine gemeinsame Praxis hier und jetzt zu ermöglichen.
Dass eine grundlegende Abstimmung statt fand und mit 50 zu 30 für den Antrag 2 und gegen Antrag 4 angenommen wurde, macht die Mehrheitsverhältnisse am Wochenende sichtbar. Wie dann allerdings von der Mehrheit damit umgegangen wird, liegt in ihrer Verantwortung. Es mag Situationen geben, in denen man auch mit solchen Mehrheiten durchziehen muss. Die jetzige Situation – sechs Monate vor dem März 07 und am Beginn der Auseinandersetzung um ein „Nein“ zu dieser Fusion – ist es nicht.
Der Antrag 2 wurde zwar noch durch einen Abschnitt ergänzt, der von „ unterschiedlichen praktischen Schlussfolgerungen“ der AktivistInnen nach einer drohenden Niederlage redet und die Kooperation davon nicht berührt sehen will. Die Zuspitzung wurde aber auch bei der Wahl des Ko-Kreises fortgeführt, zu dem weder Helmut Born, gewerkschaftlicher Aktivist und Sozialist aus Düsseldorf, noch der beim Treffen verhinderte Sascha Stanicic, Bundessprecher der SAV, gewählt wurden. Beide unterstützten den Antrag 4. Der Ko-Kreis setzt sich jetzt aus Edith Bartelmus-Scholich, Heino Berg, Dieter Elken, Michael Hammerbacher, Susanna von Oertzen, Mario Sperling, Charlotte Ullmann, Peter Weinfurth und Augusto Yankovic zusammen.
Der Kreis wird die Aufgabe haben, Scherben zusammen zu kehren, um das Netzwerk in der „Nein!“-Kampagne zu koordinieren.