Der Schock für die Beschäftigten beim Handyhersteller BenQ Mobile GmbH war groß gewesen, als am vergangenen Freitag der deutsche Ableger vom taiwanesischen Konzern BenQ konkurs anmeldete.
3.000 Arbeitsplätze in München, Bocholt und Kamp-Lintfort sind damit in Gefahr. Innerhalb weniger Stunden versammelten sich hunderte Beschäftigte zum Protest vor der Zentrale ihres ehemaligen Arbeitgebers Siemens in München sowie an den anderen BenQ-Standorten.
Die Wut ist groß
Was die KollegInnen so wütend macht ist neben ihrer Angst vor Arbeitslosigkeit insbesondere das Vorgehen ihres vorherigen Arbeitgebers Siemens. Dieser verkaufte vor gerade mal einem Jahr die Siemens-Handy-Sparte an den Konzern BenQ, versüßt mit einer zusätzlichen Finanzspritze von 400 Millionen Euro. Auch die MitarbeiterInnen durften dabei „Geschenke“ verteilen, indem sie in der Handyfertigung einem Ergänzungstarifvertrag zustimmten, der eine unbezahlte Arbeitszeitverlängerung von fünf Stunden in der Woche und einen zusätzlichen Gehaltsverzicht von 15 bis 30 Prozent vorsah. Dafür hatten sie das Versprechen bekommen, dass der Betrieb eine Perspektive haben würde. „Die Zahlung sehen wir als Investment, um das Geschäft zukunftsträchtig fortzuführen und den Mitarbeitern Chancen für eine positive Zukunftsgestaltung zu geben.“, so Siemens-Chef Klaus Kleinfeld. Dass sich die KollegInnen nun verschaukelt fühlen, kann wohl jedeR verstehen. Und die Aussage, dass Lohnverzicht und Mehrarbeit keine Arbeitsplätze retten, hat sich damit wieder einmal bewahrheitet.
Rendite, Rendite, Rendite…
das ist das Ziel von Siemens-Chef Kleinfeld. Dem ist alles unterzuordnen. Dafür werden so genannte Verlustbringer abgestoßen wie die Handy-Sparte und auf der anderen Seite teure Zukäufe getätigt wie der Kauf der Medizindiagnostik-Sparte von Bayer für schlappe 4,2 Milliarden Euro. Siemens wurde mit dem Verkauf der Handy-Sparte nicht nur auf einen Schlag ein Bereich mit hohen Verlusten, sondern auch die 3.000 Beschäftigten los, ohne teure Sozialpläne auflegen zu müssen oder mit Protesten gegen Betriebsschließungen und Massenentlassungen konfrontiert zu werden. Diese Drecksarbeit übernimmt dafür jetzt BenQ, der einen Konkurrenten aus dem Weg räumen und gleichzeitig den Markennamen Siemens und Patentrechte einkaufen konnte. In einem Schreiben an Siemens wirft der Betriebsrat im Standort Kamp-Lintfort diesem „arglistige Täuschung“ und beiden Verhandlungspartnern eine »Entsorgung der deutschen Mitarbeiter« vor.
Erfreuliche Gewinnentwicklung
Das Ergebnis für die Siemens-Bosse, die 2005 noch ein Minus von 690 Millionen Euro verkraften mussten, ist sehr erfreulich. So machte Siemens in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2006 einen Gewinn nach Steuern von 2,492 Milliarden Euro, was gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres eine Steigerung von rund 14 Prozent ausmacht. In dem Zusammenhang ist wohl auch die satte Gehaltserhöhung für die Siemens-Chefs von 30 Prozent zu sehen. Allein Siemens-Chef Klaus Kleinfeld steigert damit sein Gehalt von 3,3 Millionen auf rund 4,3 Millionen Euro. Auch für die BenQ-Aktionäre läuft alles bestens. So schossen die Aktien des Handyherstellers im taiwanesischen Taipeh um 5,5 Prozent in die Höhe, als die Nachricht von den bevorstehenden Entlassungen die Runde machte.
BenQ-Beschäftigte machen Druck
Der überraschende Coup von BenQ und die daraus resultierenden Proteste der Beschäftigten haben die Siemens-Führung und die Politiker unter Druck gesetzt. So wollen mit einem Mal die Siemens-Chefs für ein Jahr auf ihre Gehaltserhöhung verzichten, die fünf Millionen Euro in einen 35-Millionen-Euro-Hilfsfonds einzahlen und ihren ehemaligen BenQ-Beschäftigten Arbeitsplätze bei Siemens anbieten. Politiker der verschiedenen Parteien liefern sich einen Wettstreit darum, wer am schnellsten weitere Zugeständnisse bei Siemens erreichen kann. BenQ-Mobile-Chef Clemens Joos ruft sogar Verbraucher auf, Handys zur Rettung der deutschen Werke zu kaufen. Die Gewerkschaft IG Metall wiederum möchte ganz gerne Siemens auf Wiedereinstellung ihrer ehemaligen Mitarbeiter verklagen.
Wir sind entschlossen zu kämpfen…!
Dabei drängt die Zeit für die Beschäftigten. Der vorläufige Insolvenzverwalter droht mit dem Aus für die BenQ Mobile GmbH, wenn bis Jahresende kein neuer Investor gefunden wird. Dass das für die Beschäftigten keinen Ausweg bedeutet, darauf weist die Betriebsratsvorsitzende Susanne Hahlweg hin, die in jedem Fall mit einem deutlichen Stellenabbau rechnet. Dabei sind die Beschäftigten bereit, um ihre Arbeitsplätze zu kämpfen. So schreibt Markus Grolms, ein Metaller aus der BenQ-Mobile-Fabrik in Kamp-Lintfort in einem Leserbrief vom 03. Oktober: „Wir sind entschlossen zu kämpfen und wir haben nichts mehr zu verlieren. Das ist so sicher wie die Verkommenheit der Managementkultur.“
Siemens will sich perspektivisch auf die Wasser-, Verkehrs-, Energie- und Medizintechnik konzentrieren und alle anderen Firmenbereiche loswerden. Das wird weiterhin mit Verkäufen, Werksschließungen, Arbeitsplatzabbau und Lohnkürzungen einhergehen. Die Siemens- und BenQ-ArbeiterInnen sind international miteinander verbunden. Ein gemeinsamer Kampf aller Siemens- und BenQ-Beschäftigten in Deutschland und auch international, organisiert durch die Gewerkschaften, ist daher nötig und möglich und würde die Chefs von Siemens und BenQ an ihrer empfindlichsten Stelle treffen: bei ihrem Profit. Sollten Siemens und/oder BenQ aber dann trotzdem nicht bereit sein, die Werke und Arbeitsplätze zu erhalten, dann ist es legitim, sie bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung in Gemeineigentum zu überführen.
Ronald Luther, Berlin