Demos am 21.10. – wie ernst meint es der DGB?

Initiativen von unten und massiver Druck auf DGB-Führung notwendig
 

Nach einer Forsa-Umfrage hatten im August 82 Prozent der Bevölkerung „geringes“ oder „weniger großes Vertrauen“ in die Bundesregierung. Und das vor der nächsten Umverteilungsoffensive. In der „zweiten Etappe“ ihrer Kanzlerschaft will Merkel den Systemwechsel im Gesundheitswesen, weitere Leistungskürzungen bei Hartz-IV-Empfängern und vieles mehr durchsetzen. Diese Politik für die Reichen soll mit einer milliardenschweren Senkung der Steuerbelastung für Unternehmen garniert werden.

von Ursel Beck, Stuttgart

Zwei Prozent Wachstum im Jahr 2006 hin oder her, erhöhte Steuerereinahmen und Überschüsse bei der Bundesagentur für Arbeit, die Bundesregierung will sicherstellen, dass von dem aus den Erwerbstätigen herausgepressten höheren gesellschaftlichen Reichtum unten nichts ankommt.

Auch die Herren in den Chefetagen nutzen ihre Macht in den Betrieben, um ihre im zweistelligen Bereich angelangten Kapitalrenditen weiter zu erhöhen. 5,5 Milliarden Euro Gewinn erwartet die Allianz im Jahr 2006. Trotzdem bleiben die Konzernherren dabei, 7.500 Vollzeitstellen zu vernichten.

Nur Alibiaktionen?

Die Wut unter Beschäftigten und Erwerbslosen wächst mit jeder Maßnahme aus Berlin und aus den Chefetagen. Nach langem Hin und Her hat sich der DGB dazu durchgerungen, für den 21. Oktober zu fünf regionalen Demonstrationen in Berlin, Dortmund, München, Stuttgart und Wiesbaden aufzurufen. Stellt sich die Frage, wie ernst es die Gewerkschaftsspitze meint. Ihr Motto für den 21.10. lautet: „Das geht besser – aber nicht von allein! – Für die soziale Erneuerung Deutschlands“. Soll das heißen, die Regierung macht es schon ganz gut, aber es geht noch besser?

Dazu passt, dass Gewerkschaftsfunktionäre einzelne Maßnahmen der Regierung kritisieren und manche ausdrücklich begrüßen. Aus Sicht der Gewerkschaftsbasis ist es dagegen überfällig, die gesamte Richtung in Politik und Wirtschaft abzulehnen und für eine radikale Umkehr der Umverteilungspolitik zu kämpfen. Die Gewerkschaften müssten ihren Protest als Teil des weltweiten Widerstands gegen die neoliberale Globalisierung betrachten. Doch sie reden nur von Deutschland. Obwohl der Demotermin Ende Juli bekanntgegeben wurde, wurde der Aufruf bis Ende August nicht verbreitet, gab es noch keine Mobilisierungsflugblätter und keine Presseerklärung.

Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Gewerkschaftsspitze wieder mal alibimäßige Dampfablassaktionen organisiert. Die Basis wird in ihrer Freizeit um eine paar Häuserblocks geschickt und muss sich halbherzige oder scheinradikale Reden anhören. Den Demoteilnehmern wird keine Idee und kein Vorschlag mit nach Hause gegeben, wie der Kampf weitergeht, geschweige denn in die Betriebe getragen wird. Mit dieser Politik bleibt das Kampfpotenzial ungenutzt, wird das Gefühl für die eigene Stärke der Lohnabhängigen nicht aufgebaut, werden die Herrschenden nicht gestoppt.

Welche Aufgaben stellen sich vor Ort?

Es ist notwendig, dass kämpferische Kräfte in Betrieben und Gewerkschaften durch Anträge und Resolutionen konsequenten gewerkschaftlichen Widerstand gegen die Offensive der Herrschenden einfordern. Dazu gehört nicht nur eine entschlossene Demo-Mobilisierung, sondern Streiks und die Verbindung von Tarifauseinandersetzungen, betrieblicher Gegenwehr und sozialen Protesten mit den regionalen Demos am 21. Oktober. Gleichzeitig müssen vor Ort, regional und bundesweit alle vorhandenen Vernetzungen ausgebaut werden und Initiativen ergriffen werden. Betriebsversammlungen, Vertrauensleutesitzungen, eigene Demoaufrufe, eigenständige Demo-Mobilisierung und Aktionen in Betrieben und vor Ort könnten dazu einen Beitrag leisten, Gegenwehr von unten aufzubauen. In Kassel hat sich zum Beispiel ein Bündnis gegen Privatisierung gebildet (siehe Seite 11).

Gewerkschaftslinke

Am 30. September findet der Kongress der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftlinken (IVG) statt. Hier sollte diskutiert und beschlossen werden, wie der Protest in den Betrieben mit dem Widerstand gegen Merkel und Co. verbunden werden kann und welchen Beitrag die Gewerkschaftslinke leisten muss, den Druck auf die Gewerkschaftsführung für entschlossene Gegenwehr bis hin zu einem eintägigen Generalstreik zu erhöhen. Die Gewerkschaftslinke könnte zum Beispiel ein entsprechendes Flugblatt bei den Demos am 21. Oktober verteilen und zu lokalen Treffen unter dem Titel „Wie weiter nach den Demos vom 21. Oktober“ organisieren. Es könnte ein betrieblicher Aktionstag eingefordert und festgelegt werden, bei dem versucht wird, bundesweit einheitlich in möglichst vielen Betrieben Proteste bis hin zu Arbeitsniederlegungen zu organisieren.

WASG, Linkspartei und Lafontaine

Die WASG und die Linkspartei sollten die kämpferischen Kräfte in den Gewerkschaften zu einem solchen Vorgehen ermutigen und dabei unterstützen. Damit würde die WASG ihrem Gründungsanspruch gerecht werden, eine starke außerparlamentarische Opposition aufzubauen.

Anstatt sich kritiklos der Politik der Gewerkschaftsführung zu unterwerfen, muss die Linke ihren Apparat und ihre Mittel einsetzen, um für den 21. Oktober zu mobilisieren – und Forderungen aufstellen, für die es sich zu kämpfen lohnt.

Es reicht nicht, wenn Oskar Lafontaine das Recht auf Generalstreik fordert. Die parlamentarische und außerparlamentarische Linke muss sich für die Organisierung eines Generalstreiks einsetzen und sich bei den Gewerkschaften dafür stark machen.