In Berlin sollen 15.000 städtische Wohnungen verkauft werden        

Die WASG Berlin organisiert Protest. Foto vom 10. August, Kundgebung vor der WBM-Zentrale.  
 

Am 9. August enthüllte der Berliner „Tagesspiegel“, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) und der Senat nach der Wahl am 17. September 15.000 weitere Wohnungen verkaufen wollen. Im Aufsichtsrat der WBM sitzen die Verwaltungen für Finanzen und für Stadtentwicklung. Somit wussten die Senatsmitglieder von SPD und L.PDS seit langem, was nach den Wahlen auf die MieterInnen zu kommen soll. Das hinderte sie aber nicht, im Wahlkampf zu versprechen, dass es keine weiteren Privatisierungen von Wohnungen geben werde.

von Wolfram Klein

 

Im April hatten L.PDS und WASG-Funktionäre „Inhaltliche Positionen für einen gemeinsamen Wahlkampf der Linkspartei.PDS und WASG Berlin“ veröffentlicht, deren Zweck es war, eine eigenständige Kandidatur der WASG in Berlin zu verhindern, indem der WASG-Mitgliedschaft vorgegaukelt wurde, die Berliner L.PDS sei zu einer sozialen Politik bereit. Dort schrieben sie unter anderem, dass sie „keine Veräußerung von landeseigenen Wohnungsbeständen an den Kapitalmarkt akzeptieren können“.

Das wiederum hinderte die WBM nicht, im Juli mit dem Verkauf von 1.700 Wohnungen an einen Finanzhai zu beginnen. Nach dem Bekanntwerden der Pläne erklärte der haushaltspolitische Sprecher der L.PDS, Carl Wechselberg, es gelte der Senatsbeschluss, dass die WBM nicht mehr als 3.000 Wohnungen verkaufen dürfe.

Nachdem die L.PDS ihr Versprechen, keine weiteren Veräußerungen zu akzeptieren, auf diese Weise eingehalten hat, ist es jetzt klar, wie sie das Versprechen, nicht mehr als 3.000 Wohnungen zu privatisieren, einhalten wird.

SPD und L.PDS versuchen im Wahlkampf, sich ein linkes Mäntelchen umzuhängen, weil sie sich durch die Kandidatur der WASG von links unter Druck fühlen. Ihnen geht es so, wie Schröder vor einem Jahr im Bundestagswahlkampf. Die Wahlversprechen sind ebenso viel Wert wie die damaligen Versprechen der SPD, die Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen. Nach den Wahlen wird die „rot-roten Koalition“ die neoliberale Politik der letzten Jahre fortzusetzen versuchen.

Seit 2001 hat der Berliner SPD-L.PDS-Senat 120.000 Wohneinheiten privatisiert, mehr als die Große Koalition 1990 bis 2001. Die GSW mit 65.000 Wohneinheiten wurde komplett verkauft.

Als weiterer Anschlag auf die MieterInnen wurde die Berechnung des Mietspiegels geändert. Luxuswohnungen gehen jetzt auch in die Berechnung ein, so dass die Vergleichsmieten höher sind und größere Mieterhöhungen zulässig werden.

Die Folgen für die MieterInnen sind beträchtlich. Zwar sind die Mieten in Berlin geringer als in anderen Großstädten, aber die Durchschnittseinkommen sind es auch. Zwar stehen kleine Wohnungen in Plattenbausiedlungen, weit weg von der Innenstadt oft leer. Aber zunehmend werden besonders sozial schwache Familien aus den Innenstadtwohnungen verdrängt. Soziale Ausgrenzung und Ghettobildung nehmen zu.

Die neue Privatisierung wird zu teils drastischen Mietsteigerungen führen. Die Zahl der MieterInnen, die ihre Wohnungen und Kieze verlassen müssen, wird zunehmen.

Für alle MieterInnen bedeuten Mietsteigerungen durch Privatisierung steigende Mietspiegel, höhere Ausgaben für die Wohnung, Verdrängung einkommensschwacher MieterInnen, soziale Ghetto-Bildung, Mangel an preiswerten Wohnungen.

Privatisierungen verhindern!

Die Berliner WASG hat schnell reagiert und für den nächsten Tag zu einer Protestkundgebung vor dem Sitz der WBM aufgerufen. Das kann aber nur der Anfang sein. Die SAV begrüßt die von der WASG beschlossene Aufklärungskampagne. Notwendig ist darüber hinaus, die bedrohten MieterInnen anzusprechen und sie zum Kampf gegen den Verkauf ihrer Wohnungen zu ermutigen. Auf Mieterversammlungen, bei denen die Beteiligung am besten sein wird, wenn sie von der Mietergemeinschaft organisiert werden, kann die Situation diskutiert und weitere Aktionen organisiert werden.

Notwendig ist auch, das Thema nicht nur bei den betroffenen MieterInnen, sondern in der ganzen Stadt aufzugreifen. Wegen der Auswirkung auf den Mietspiegel sind alle MieterInnen betroffen. Die Privatisierungspläne zeigen exemplarisch, dass die „rot-rote“ Regierung ihre neoliberale Politik von Stellenabbau, Privatisierung, Lohnsenkung, Sozialkürzungen fortsetzen will, egal wie viel Kreide sie im Wahlkampf fressen.

Für die WASG bietet die Mitwirkung an einer solchen Kampagne die große Chance, den BerlinerInnen nicht nur zu versichern, sondern vorzuführen, dass sie anders ist als alle anderen Parteien. Sie kann beweisen, dass Politik für sie darin besteht, mit den von Sozialabbau Betroffenen gemeinsam für ihre Interessen zu kämpfen, im Wahlkampf ebenso wie nach einem Einzug ins Abgeordnetenhaus.

Nicht zuletzt können die von der Privatisierung bedrohten MieterInnen als Teil ihres Kampfes am 17. September die WASG zu wählen. Ein Wahlerfolg der WASG wird von den etablierten Parteien als Warnsignal aufgefasst werden, dass immer mehr Menschen nicht mehr bereit sind, ihre neoliberale Politik hinzunehmen.

Bundesweite Bedeutung

Der WASG-Bundesparteitag hat mit knapper Mehrheit Maßnahmen gegen einen eigenständigen WASG-Antritt beschlossen (die dann vom Gericht wieder gekippt wurden). Grundlage der Entscheidung war, dass den Delegierten versichert wurde, die L.PDS in Berlin habe sich bewegt und die Zustimmung von L.PDS-Gemeinderäten in Dresden zu massiven Wohnungsverkäufen sei ein Ausrutscher gewesen, der von der L.PDS einmütig zurückgewiesen wird. Beides war offenkundig falsch.

Es ist notwendig, daraus schleunigst Konsequenzen zu ziehen. Die Neuformierung einer linken Partei, die keine Partei des kleineren Übels ist, ist nur möglich, wenn die aktiv unterstützt werden, die sich neoliberaler Politik konsequent entgegen stellen. Das ist gerade vor allem die Berliner WASG. Deshalb ist es wichtiger denn je, dass WASG-Mitglieder aus ganz Deutschland die WASG Berlin unterstützen, durch finanzielle und personelle Unterstützung des Wahlkampfs, durch Resolutionen und Anträge in WASG-Gliederungen und so weiter. Wenn Lafontaine mit seinen Haltelinien ernst genommen werden will, darf er nicht die unterstützen, die an diesen Haltelinien in den vierten Gang statt in den Rückwärtsgang schalten.