Damit es zu einem heißen Herbst kommt, sind Initiativen von unten und massiver Druck auf die DGB-Spitze nötig
Die Bundesregierung hat im Windschatten der WM-Euphorie eine asoziale Gesetzesänderung nach der anderen durch Bundestag und Bundesrat gepeitscht. Und weitere sollen folgen. Es wird Zeit, dieser Politik entschlossenen Widerstand entgegenzusetzen.
von Daniel Behruzi, Berlin
Die Gewerkschaften des DGB – die Organisation mit dem größten Potenzial für Gegenwehr – haben bislang wenig in diese Richtung unternommen. Statt auf Proteste setzten Sommer, Bsirske und Peters auf Plauderstündchen mit den Politikern der Regierungsfraktionen. Die DemonstrantInnen, die am 3. Juni in Berlin gegen Sozialabbau auf die Straße gingen, wurden von ihnen im wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehen gelassen.
Nun endlich ruft auch die DGB-Spitze zum Protest: Am Samstag, den 21. Oktober soll es einen Aktionstag geben. Besser spät als nie, möchte man meinen. Allerdings scheint es darüber Auseinandersetzungen innerhalb der DGB-Führung zu geben. Aber auch wenn an diesem Termin festgehalten werden sollte, ist zu befürchten, dass es die DGB-Oberen mit dem Widerstand wieder einmal nicht ganz so ernst meinen. Zur Erinnerung: Bereits am 3. April 2004 demonstrierte eine halbe Million Menschen gegen Agenda 2010 und Hartz IV – um danach vom DGB-Chef in die „Sommerpause“ geschickt zu werden.
Nicht zum Dampf ablassen!
Damit die Sommers den 21. Oktober nicht wieder fallenlassen, müssen jetzt Konferenzen organisiert werden, auf denen betriebliche und gewerkschaftliche AktivistInnen, aber auch Akteure der sozialen Bewegungen diskutieren, wie die DGB-Spitze in die Pflicht genommen werden kann. Es gilt, Anstrengungen für eine massenhafte Mobilisierung zu unternehmen. Das macht Betriebsversammlungen, Informationsveranstaltungen und Vertrauensleutekonferenzen, möglichst unter Beteiligung der sozialen Bewegungen, nötig. Diese Treffen böten die Möglichkeit, die eigenständige Mobilisierung an der Basis und örtiche Aktionen auf die Beine zu stellen. Symbolische Aktionen am 21. Oktober bringen uns wenig. Großdemonstrationen sind geboten.
Dieses Mal darf es nicht bei bloßen Dampfablassaktionen bleiben. Es braucht mehr als Demonstrationen am Samstagnachmittag, um die Großkoalitionäre von ihren Vorhaben abzubringen. Letztlich müssen wir die Politiker und ihre Unternehmerfreunde da treffen, wo es weh tut: beim Profit. Um eine größtmögliche – ökonomische – Wirkung zu entfalten, sollten Beschäftigte, Azubis, Studierende und SchülerInnen an einem Tag gemeinsam streiken.
Christa Hourani vom Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften schreibt im Netzwerk-Info Gewerkschaftslinke vom Juli, dass „künftige Demonstrationen während der Arbeitszeit stattfinden müssen, so dass zumindest die gut organisierten Belegschaften diese als Demonstrationsstreiks durchführen können“.
Am Besten wäre es, Sommer und Co. würden einen eintägigen Protest- und Streiktag festlegen. Darauf können wir natürlich nicht bauen. Darum sollten die Mobilisierungskonferenzen vor dem 21. Oktober auch über die Vorbereitung von Streikmaßnahmen diskutieren. Örtliche und regionale Streik- und Protesttage könnten erste Schritte sein.
Die Proteste von Allianz- und Daimler-Beschäftigten zeigen das Potenzial für betriebliche Aktionen. Ob im öffentlichen Dienst, bei der Commerzbank oder an den Hochschulen – es regt sich vielfältiger Protest, für den der Widerstand gegen die Umverteilungspolitik der Regierenden zum Fokus werden kann.
Die Kampagnen von Gewerkschaften, Linkspartei.PDS und WASG für einen gesetzlichen Mindestlohn machen nur einen Sinn, wenn sie in diesen Zusammenhang gebracht werden und nicht bei Appellen stehen bleiben. Für die Linksfraktion, auf die viele Menschen bei der Bundestagswahl ihre Hoffnung gesetzt haben, wird dieser Herbst zur Nagelprobe. Sie muss ihre Position und Organisationskraft endlich zum Aufbau der außerparlamentarischen Bewegung nutzen. Bislang ist – außer einigen Alibi-Aktionen – nicht viel davon zu sehen.
Gewerkschaftslinke
Entscheidend werden aber die weiteren Prozesse in den Gewerkschaften sein. Die üblichen Querschüsse von IG-BCE-Chef Hubertus Schmoldt dürfen nicht als Vorwand für weitere Halbherzigkeiten des DGB herhalten. Inwieweit Sommer und Co. in der Lage sein werden, den Protest wiederum in für ihre sozialdemokratischen Regierungsfreunde ungefährliches Fahrwasser umzuleiten, hängt vor allem vom Grad eigenständiger Aktivitäten an der Basis ab. Wenn die Mobilisierung für den 21. Oktober vor Ort mit Aktionen und dem Aufbau von Kampagnestrukturen verbunden wird, dürfte es den Gewerkschaftsspitzen schwerer fallen, den Widerstand klammheimlich zu beerdigen.
Die organisierte Gewerkschaftslinke trägt hierbei eine Verantwortung. Durch koordinierte Initiativen und klare politische Positionierungen könnte sie die Selbstorganisation an der Basis befördern. Allerdings haben gerade die vergangenen Monate die inhaltliche und organisatorische Schwäche der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken (IVG) deutlich gemacht. Bei den Streiks im öffentlichen Dienst und während der IG-Metall-Tarifrunde hat sie als organisierte Kraft kaum eine Rolle gespielt – trotz der großen Bedeutung, die diese Auseinandersetzungen für die Gewerkschaftsbewegung insgesamt hatten. Die IVG hat es bislang nicht geschafft, die auf ihrem Kongress im Januar letzten Jahres in Stuttgart von einer Vielzahl der TeilnehmerInnen eingeforderte Kampagnefähigkeit zu erreichen. Auf der am 30. September und 1. Oktober in Frankfurt am Main stattfindenden Konferenz ist eine offene Debatte über die Ursachen dieser Entwicklung nötig. Trotz der guten Arbeit, die viele in der IVG organisierte KollegInnen vor Ort und im Betrieb leisten, wird die Vernetzungsinitiative keine Anziehungskraft entwickeln, solange sie in den Auseinandersetzungen nicht praktisch eingreift und damit einen „Gebrauchswert“ für AktivistInnen bekommt. Deshalb muss in diesem Herbst die betriebliche Vernetzung gefördert und die IVG in Richtung einer kampagnefähigen Oppositionsstruktur weiterentwickelt werden.
•Gegen Sozialkürzungen und Unternehmergeschenke – Für die Rücknahme aller Kürzungen der letzten Monate und Jahre
•Gegen Arbeitsplatzabbau und Hartz IV – Für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich als erster Schritt zur Verteilung der Arbeit auf alle
•Gegen Billigjobs – Für einen Mindestlohn von zwölf Euro brutto pro Stunde
•Gegen Studiengebühren – Für kostenlose Bildung