Acht Jahre kleineres Übel waren ganz schön übel  

Die WASG kandidiert zu den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern 
 

„Ideen sind trockene Blätter, die niemals gegrünt haben“ (Hegel). So in etwa lässt sich die Politik der Linkspartei.PDS in der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern bilanzieren. Angetreten ist die damalige PDS mit einer Vielzahl guter Ideen. So sollten demokratische Rechte ausgebaut, die finanzielle Ausstattung der Kommunen verbessert und die Arbeitslosigkeit gesenkt werden. Die Realität sah und sieht anders aus.

von Christine Lehnert, Rostock*

So wurde aus mehr Bürgernähe die Zustimmung für die Kreisgebiets- und Verwaltungsreform, deren Folgen eine Schwächung der kommunalen Selbstverwaltung, lange Wege für die Bürger und der Wegfall von bis zu 10.000 Stellen sind. Aus dem Kampf gegen Arbeitslosigkeit wurde die akurate Umsetzung von Hartz IV sowie der Abbau jeder fünften Stelle an den Hochschulen. Stetig wächst die Zahl der jungen Menschen, die MV den Rücken kehren. Das Vorhaben, ein Tariftreuegesetz zu erarbeiten, wurde einvernehmlich mit der SPD aufgegeben, statt dessen Energie in ein neues Ordnungs- und Sicherheitsgesetz gesteckt, welches die demokratischen Rechte der Bevölkerung durch Ausweitung von Video- und Telefonüberwachung beschneidet. Die Mindestfinanzierungsgarantie für Kommunen wurde aufgehoben und nun prescht die Landesregierung bundesweit bei der völligen Freigabe der Ladenöffnung (einschließlich dem Sonntag) nach vorn.

WählerInnen kehren der PDS den Rücken

Angesichts dieser Politik der Linkspartei.PDS ist es kein Wunder, dass sich schon nach der ersten Legislaturperiode viele WählerInnen enttäuscht abwandten. Die Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl 2002 sank um zehn Prozent, die PDS verlor rund ein Drittel ihrer WählerInnen und damit sieben Sitze. Angesichts der Hoffnung, die vor der Bundestagswahl aufkam, nachdem Lafontaine und WASG-Mitglieder auf den Listen der Linkspartei.PDS antraten, konnte die PDS auch zwischen Rostock und Stralsund ihr Ergebnis – verglichen mit der letzten Bundestagswahl – wieder steigern. Es wäre aber viel mehr drin gewesen. Deutlich wurde, dass die Erfahrung aus acht Jahren Regierungsbeteiligung ihre Spuren hinterlassen hat.

Nazis gehen auf ­Stimmenfang

Mit dem Verlust der Glaubwürdigkeit der Linkspartei.PDS steigt die Gefahr, dass die Nazis erfolgreicher auf Stimmenfang gehen. Wenn keine linke Alternative sichtbar ist, werden manche vor Verzweiflung in die Arme der Rechten getrieben. Die NPD strebt den Einzug in den Landtag an und mobilisiert dafür bundesweite Unterstützung. Der sächsische Fraktionsvorsitzende Holger Apfel wurde zum Wahlkampfleiter ernannt, um nach Sachsen nun auch MV „zu nehmen“.

Um so wichtiger ist, dass sich mit der Kandidatur der WASG in Mecklenburg-Vorpommern nun endlich eine Alternative zur Politik des kleineren Übels zur Wahl stellt. Leider ist die WASG in MV nicht so stark wie in Berlin. Sie hat weniger Verankerung, weniger AktivistInnen und weniger Erfahrung mit konsequenten Kampagnen gegen Sozialabbau. Dazu kommt, dass der hiesige Landesverband lange Zeit mit Ausgrenzung gegen SozialistInnen statt mit Aufbauarbeit von sich reden machte. Ende 2005/Anfang 2006 folgte die Mehrheit der WASG in Mecklenburg-Vorpommern den Zielen von Gründungsvater Klaus Ernst, eine SPD der siebziger Jahre aus der WASG zu machen. Die SAV hatte darin keinen Platz und wurde in Rostock ausgeschlossen. Nachdem bundesweit die Sozialdemokraten in der WASG ihre Verbundenheit mit den Realpolitikern der PDS entdeckten und die Fahrt in Richtung Fusion aufgenommen wurde, sahen viele Mitglieder, dass ihre Ideale mal eben für ein Bundestagsmandat über Bord geworfen wurden. Der Kampf der SAV Rostock um Wiederaufnahme hatte endlich Erfolg.

Auf die Plätze, fertig –­ ­Wahlkampf!

Die Mehrheit der WASG in Mecklenburg-Vorpommern hat nun auf einer Nominierungsversammlung Ende Juli die Landesliste zur Kandidatur beschlossen. SAV-Mitglied René Henze wurde auf den Listenplatz 6 gewählt und tritt außerdem in Rostock als Direktkandidat an. Der Wahlkampf ist für die kleine WASG in MV eine große Herausforderung. Die Chancen für einen Einzug ins Parlament sind deutlich geringer als in Berlin. Ungeachtet dessen bietet der Wahlkampf jedoch die Möglichkeit, in den kommenden Wochen mit den Menschen ins Gespräch zu kommen über Alternativen zu Hartz IV, Sozialraub und die Politik des kleineren Übels. Das Wahlprogramm der WASG fordert neben Mindestlohn und öffentlichem Investitionsprogramm unter anderem, „dass jene Betriebe, die mit Verlagerung drohen beziehungsweise diese vollziehen und damit Arbeitsplätze in Deutschland vernichten, in gesellschaftliches Eigentum überführt werden, damit die Arbeitsplätze gesichert werden können. Wir setzen uns für die demokratische Kontrolle der Betriebe durch die Belegschaften und Gewerkschaften ein, damit Missmanagement vermieden wird. (…) Die Reichen und Mächtigen haben die Auswahl zwischen CDU, SPD, FDP und Grünen. Die Linkspartei.PDS hat sich in den Jahren ihrer Regierungsbeteiligung ebenfalls am Sozial- und Bildungsabbau beteiligt. Daher treten wir als WASG bei den Landtagwahlen an. Unterstützt uns in unserem Wahlkampf und werdet selber aktiv!“ (Landtagswahlprogramm der WASG Mecklenburg-Vorpommern).

*Christine Lehnert ist WASG-Mitglied und ­Bürgerschaftsverordnete der Hansestadt Rostock