Deutschland zwischen Fußball und „Sanierungsfall“

Gerüchten zufolge will Angela Merkel die WM verlängern. Für die Regierung geht es vor allem darum, das Fußballfieber für das Durchpeitschen unpopulärer Maßnahmen zu nutzen – Brot und Spiele eben.
 

So wurde während den WM-Vorbereitungen eben noch schnell die Erhöhung der Mehrwertsteuer beschlossen, bei gleichzeitigem Versprechen, die Steuern für Unternehmen von 2008 an um ein Viertel zu kürzen. Dann kam die Verschärfung der Hartz-IV-Gesetze und mehr. Der Tagesspiegel kommentierte am 24. Juni: „Vier riesige Reformen stehen an und sollen innerhalb der nächsten zwei Wochen irgendwie durch die Instanzen gebracht werden: die Föderalismusreform (…), die Gesundheitsreform (…), der Bundeshaushalt 2007, die Reform der Unternehmenssteuer.“

Fußball, Mitfiebern fürs eigene Team und Feiern macht Spaß. Unangenehm wird es, wenn die da oben den „Volkssport Fußball“ beinhart für ihre Interessen nutzen wollen. Nach dem Motto „Ist es nicht schön, dass sich die Deutschen endlich wieder trauen, die Nationalflagge zu zeigen“ soll Nationalismus schleichend wieder respektabel gemacht werden, denn Regierung und Unternehmer brauchen ihn.

Nicht umsonst spricht Angela Merkel vom „Sanierungsfall Deutschland“ gerade jetzt. Zum einen will sie den Unternehmern damit signalisieren, dass sie die „Reformen“ schnellstmöglich durchpeitschen will. Zum anderen wird uns vorgekaukelt, wir säßen alle im gleichen Boot, ob Unternehmer oder Arbeiter, ob gut bezahlter Minister oder Hartz-IV-Empfänger: Alle müssen den Gürtel enger schnallen. Aber in Wirklichkeit sind es immer wir, die dran glauben müssen, wenn im globalen Konkurrenzkampf Arbeitsplätze, Löhne und öffentliche Leistungen abgebaut werden.

Mit den Managern von Siemens und Allianz, die den Abbau von Tausenden von Arbeitplätzen angekündigt haben, haben wir nichts gemein. Siemens-Chef Klaus Kleinfeld hat das selbst klar erkannt. „Nein, (…) er empfinde keine Heimatliebe für Deutschland. Verantwortung verspüre er dagegen vor allem gegenüber den Aktionären seines Konzerns“, zitiert die Berliner Zeitung am 21. Juni. Wie wahr. Letztes Jahr sind die Gewinne in Deutschland um 32 Milliarden gestiegen, während sechs Milliarden Euro weniger in den Lohntüten der ArbeitnehmerInnen gelandet sind – kein Wunder, dass zwischen 2000 und 2005 der Anteil der Löhne am Gesamteinkommen in Deutschland von 72,2 auf 67 Prozent gesunken ist. Im Profitsystem gibt es nur wenige Plätze an der Sonne. Da hat man noch schlechtere Chancen dran zu kommen, als an WM-Eintrittskarten.

Zeit, dass sich was ändert. Die rote Karte können nur wir, Beschäftigte, Erwerbslose, Jugendliche und RenterInnen dieser Regierung zeigen – alle gemeinsam, gleichgültig welcher Nationalität oder Hautfarbe. Dafür müssen wir uns organisieren, hinter einem Programm, das soziale Kürzungen und Privatisierungen bekämpft, und das eine Alternative zur Profitlogik der Großkonzerne aufzeigt.