Weitere Enteignung statt “Optimierung”!

In den letzten Wochen war in der Presse des öfteren von Hartz-IV-Schmarotzern zu lesen. In diesem Zusammenhang wurde nach der Stallpflicht für jugendliche ALG-Empfänger jetzt bekanntlich ein “Optimierungsgesetz” für Hartz IV auf den Weg gebracht.
 

von Krischan, Berlin

Kleine Vorgeschichte

Vor einigen Wochen erst wurden die Zumutungen für jugendliche ALG-II-Bezieher drastisch verschärft. Es wurde eine Art Residenzpflicht bis zum 25. Lebensjahr in der elterlichen Wohnung durchgesetzt sowie der ALG-II-Satz auf 80 % gekürzt. Das soll etwa eine Einsparung von 500 Millionen Euro im Jahr 2006 ergeben und 1,5 Milliarden im Jahr 2007, die Folgen für die Betroffenen interessieren da nicht. Wie soll jemand beweisen, dass es für den Auszug aus dem elterlichen Haushalt einen “berechtigten” Anspruch gibt, Big Brother in Deutschland. Vor kurzem wurde nun ein “Optimierungsgesetz” zur Senkung der Ausgaben im ALG-II-Bereich durchgesetzt.

Mediale Vorbereitung

Seit Monaten wurde in den Blättern der Republik zur “Jagd” auf Erwerbslose geblasen. So wurden in Hamburg Anwärter auf einen Ein-Euro-Job zur Annahme des selben noch öffentlich vorgeführt (Bericht aus der jungen Welt). In Berliner Boulevardblättern war von einer Familie mit Migrationshintergrund zu lesen, die mehrere hunderttausend Euro “ergaunert” haben sollen. Was dabei gern übersehen wird, ist, dass die Ansprüche durchaus berechtigt waren und die Zahlen der Presse wesentlich zu hoch angesetzt waren.

Weiter ging die Kampagne mit nie belegten Behauptungen, wie dass 25 % der ALG-II-Bezieher Leistungen zu Unrecht beziehen würden, die Zahl stammt übrigens aus der “Clement”-Broschüre in der von Parasiten und Schmarotzern die Rede war.

Weitere Enteignung zu Gunsten des Kapitals

Die insgesamt 56 Änderungen auf 45 Seiten werden massive Einschnitte für die Betroffenen mit sich bringen. Einige der härtesten Punkte sollen kurz angerissen werden.

Die Verlagerung der Beweispflicht für eheähnliche Gemeinschaften von der Arbeitsagentur auf die Betroffenen dürfte dort für Ratlosigkeit sorgen. Bis zum heutigen Tag wurde nicht bekannt, wie zukünftig die Kriterien aussehen sollen. Neu ist auch, dass eine “Anerkennung” einer Gemeinschaft seitens der ArGe jetzt nach einem Jahr automatisch möglich sein soll. Der Datenschutz wird mit den zukünftigen Anforderungen zur Erbringung der Beweislast auch weiter aufgeweicht werden.

Ein anderer Punkt ist die Aufstellung eines Außendienstes zur Überwachung von ALG-II-Beziehern, um angebliche “erschlichene Leistungen” aufzuspüren. Ziel dieser Maßnahme sind neben Einsparungen auch die weitere Verunsicherung und Stigmatisierung von Erwerbslosen.

Die Liste der einzelnen Angriffe ließe sich noch lange fortsetzen, sämtliche Punkte des neuen Gesetzes finden sich im Internet.

Im Ganzen beinhaltet das neue “Optimierugsgesetz” ausschließlich Verschlechterungen für Hartz-IV-Empfänger, begründet mit bewussten Lügen seitens der etablierten Politiker.

Konkrete Zahlen

Seit einigen Monaten wird von verschiedenen Politikern behauptet, dass die Kosten für das ALG II explodieren würden. Wahr ist, dass die Berechnungen für das ALG II auf Grundlage von Zahlen aus dem Jahr 2003 getätigt wurden, ebenso dass der Mehrbedarf für das ALG II für 2006 bei circa 2,5 Milliarden liegen wird. Zahlen von zig Milliarden Euro sind frei erfunden und entbehren jeglicher realistischer Grundlage.

Würden konkrete Maßnahmen gegen die herrschende Arbeitslosigkeit in Angriff genommen, so wären Gesetze wie Hartz und andere überflüssig. Allein mit einer flächendeckenden Einführung der 35-h-Woche würde mehr als 1,3 Millionen Arbeitsplätze geschaffen. Mit einem öffentlichen Investionsprogramm, in den Bereichen Bildung, Kommunales, Jugend usw., wären weiter hunderttausende Jobs möglich. Eine erste Finanzierungsmöglichkeit wäre die konkrete Umsetzung der bestehenden Gesetze. Jedes Jahr gehen durch Steuerhinterziehung rund 11 Milliarden Euro verloren. Weiter Möglichkeiten liegen bei der Gewerbesteuer, der Einführung einer Vermögenssteuer, einer stark progressiven Einkommenssteuer und stärkerer Belastung von Großkonzernen.

Die großspurig angekündigte Reichensteuer, die von Unternehmerseite als Weltuntergang gebrandmarkt wurde, ist nur Schein. Die sogenannte Reichensteuer wird im ersten Jahr gerademal 127 Millionen Euro einbringen.

Nächste Aufgaben

Blickt man auf die nächsten Monate, ergibt sich einiges an Potenzial für Widerstand.

Die Demonstration am 3. Juni in Berlin konnte das nur im Ansatz zum Ausdruck bringen – auf grund der fortgeführten Blockadehaltung der Gewerkschaftsführung. Schon 2004 unterließ es die Gewerkschaftsführung, die Bewegung gegen HartzIV zu unterstützen, mit den bekannten Auswirkungen.

Um weitere Angriffe abzuwehren ist eine Stärkung der gewerkschaftlichen Basisaktivisten nötig, verbunden mit einer breiter angelegten Vernetzung der Aktivisten aus den sozialen Bewegungen. Das wir von der Gewerkschaftsführung in absehbarer Zeit nicht viel zu erwarten haben, zeigte der vor kurzem zu Ende gegangene Gewerkschaftstag des DGB. Eine handfeste Änderung der Gewerkschaftspolitik kann nur von durch massiven Druck einer innergewerkschaftlichen Opposition und Initiativen von den betrieblichen Aktivisten erreicht werden.