Durch ihren Landesparteitag am vergangenen Wochenende hat die Berliner Linkspartei einer Fortsetzung der neoliberalen Senatspolitik mit dem Koalitionspartner SPD erneut grünes Licht erteilt.
von Joseph Rothmaler, Berlin
Dies ist nach den Erfolgen der WASG Berlin in puncto innerparteilicher Demokratie und Antritt als soziale Opposition in Berlin (siehe Berichte auf dieser Site) die nächste Schlappe für den „Linke-Einheit-ohne-linke-Politik“-Kurs des WASG-Bundesvorstands, dessen Wahlunterstützung für die Linkspartei bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen nun endgültig nicht mehr haltbar ist und schleunigst korrigiert werden muss.
Selbst die bürgerlichen Tageszeitungen konnten sich einer Erwähnung der skurrilen Widersprüche auf dem Parteitag in ihren Artikeln nicht enthalten. „Bronzefarbene Textiltapeten mit gesticktem Blumenbukett, glänzende Messinglüster mit geschliffenem Glasgehänge, verspiegelte Rundbogenfenster zieren den Konferenzraum des Hotels Maritim nahe dem Kulturforum – und vorne ruft Harald Wolf, Wirtschaftssenator der Linkspartei, die neue ,Parole der Linken in der Wirtschaftspolitik´ aus: ,Innovation statt Billiglohn!´ Etliche Genossen räumten auf Nachfrage ein, dass auch ihnen der ganz im alten West-Berliner Schick gehaltene Ort dieses Nominierungsparteitages komisch vorkam.“ (Berliner Zeitung vom 12. Juni)
Im Zusammenhang mit der neoliberalen Berliner Regierungspolitik von Sozialabbau, Tarifbruch und Privatisierungen – für die auch Harald Wolf als einer der drei L.PDS-SenatorInnen federführend verantwortlich war und ist – liegt das luxuriöse Ambiente des Parteitags der L.PDS Berlin wesentlich näher als das Gewitter von pseudosozialen Slogans, das Wolf in seiner Kandidaturrede für den Spitzenplatz der Landesliste zu den Wahlen im September unter Applaus auf die Deligierten losließ.
Durch die asozialen Angriffe des Senats auf Beschäftigte, Arbeitslose und Jugendliche sei laut Wolf der „Weg nach Karlsruhe“ geebnet worden. Hiermit bezieht er sich auf die Haushaltsklage beim Bundesverfassungsgericht auf Teilentschuldung Berlins, mit der der rot-rote Senat momentan seine Konzeptlosigkeit offenbart, wie der Schuldenberg Berlins bewältigt werden soll. Selbst bei einem Erfolg der Klage würden Schulden von 35 Milliarden Euro bestehen bleiben, die der Senat mit weiterem Sozialabbau und Privatisierungen zu senken versuchen würde und die jährlich weitere 1,2 Milliarden an Zinsen verschlingen.
Es grenzt an Realitätsverlust, wenn der Wirtschaftssenator erklärt, die Integrationspolitik der SPD ginge „in die richtige Richtung“ , am konkreten Beispiel der Familie Aydin, welche momentan von ihrer Abschiebung bedroht ist, müsse der Koalitionspartner aber „konkret beweisen, was man unter humaner Flüchtlingspolitik versteht“. In der jüngsten Abstimmung des Abgeordnetenhauses zum Fall Aydin enthielt sich die Fraktion der Linkspartei ihrer Stimme zur Abschiebung, um den Ansprüchen des Koalitionspartners nicht zu widersprechen. Damit hat die Linkspartei „konkret bewiesen“, auf welcher Seite sie im Ernstfall steht, wenn es gilt, die Rechte der Menschen in Berlin zu verteidigen. Keine Erwähnung fand in diesem Zusammenhang der Rücktritt von Karin Hopfmann als flüchtlingspolitische Sprecherin der L.PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus kurz vor dem Parteitag. Diese hatte damit die letzte Konsequenz aus der Inkonsequenz der Linkspartei Berlin in Fragen der MigrantInnenpolitik gezogen.
All diese und die vielen weiteren Widersprüche zwischen dem sozialistischen Anspruch der L.PDS und ihrer realen Kahlschlagspolitik wusste auch Oskar Lafontaine in seiner Gastrede für die Linksfraktion im Bundestag nicht zu erwähnen.
O-Ton junge Welt vom 12. Juni: „Parteitagsgast Oskar Lafontaine erklärte in seiner Rede, warum eine neue Linke kommen müsse und wofür sie stehen soll. Seine Rede erstreckte sich vom »Recht auf Generalstreik«über, das »Lernen von den Franzosen« bis hin zum »Einfordern von Völkerrecht.« Dabei sprach der Linksfraktionschef im Bundestag eindeutige Worte wie: »Unser Markenzeichen ist die Arbeitszeitkürzungspolitik, das der Neoliberalen ist die Stundenlohnkürzungspolitik.« Ohne eine richtige Analyse des Kapitalismus gebe es keine entsprechende Therapie. Kritik an der Senatspolitik vermied Lafontaine.“ Dabei erzeugte Lafontaine abgesehen von einem allgemeinen Hinweis auf „die eine oder andere kritikwürdige Entscheidung“ des Senats (Kommentar der Berliner Zeitung vom 12. Juni) nicht den Eindruck, als gäbe es einen Widerspruch zwischen der Berliner Situation und den Notwendigkeiten der Neuen Linken.
Als zweiter Gast der Linksfraktion setzte Gregor Gysi noch einen oben drauf und motivierte die Deligierten zu „Stolz und Selbstbewusstsein“ im Wahlkampf (Tagesspiegel online).
Die Gesamtheit der Harmonie, der Selbstinszenierung und der Vertuschung beim Parteitag kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Wolf & Co. den Jugendlichen, ArbeitnehmerInnen und Arbeitslosen in Berlin keine politische Alternative zu sozialen Schweinereien auf ihre Kosten anbieten können und wollen, sondern vielmehr bemüht sind, ihre Politik des „kleineren Übels“ zu verteidigen.
Vor diesem Hintergrund kann der WASG-Bundesvorstand seine Unterstützung für die Linkspartei.PDS bei den Berliner Wahlen nicht aufrecht erhalten, es sei denn, er bekennt sich dadurch offen zu einer Politik des Sozialabbaus und bricht so mit dem Gründungskonsens der WASG, der eben dieser „linken“ Realpolitik die konsequente Vertretung der Interessen der sozial Benachteiligten entgegensetzt.
Da die Linkspartei.PDS zwar mit dem knackigen Slogan „Harald Wolf. Ein Mann. Ein Wort“ in den Wahlkampf ziehen will, das „eine Wort“ aber nicht benennt, wollen wir hiermit der Berliner Linkspartei und dem Bundesvorstand der WASG auf die Sprünge helfen: Das Wort lautet „Kahlschlag“ in sämtlichen Bereichen des öffentlichen Lebens und verdeutlicht die Notwendigkeit einer linken Opposition im Abgeordnetenhaus und auf den Straßen Berlins, die Widerstand gegen diesen Kurs vom SPD/L.PDS-Senat, aber auch gegen die Alternativlosigkeit der bisherigen Oppositionsparteien leistet.
Berechtigterweise wird mit dieser Notwendigkeit seit Monaten eine Partei, ein Wort und eine soziale Opposition verbunden: „WASG“.
Statt zugunsten einer abstrakten linken Einheit mit einer bedingungs- und kritiklosen Unterstützung der L.PDS in Berlin von der Pike auf das wirkliche Potenzial einer Neuen Linken zu zerstören, muss der Bundesvorstand den Wahlkampf der WASG Berlin als einzigen Ansatz für eine politische Alternative akzeptieren und unterstützen.
Weitere Infos über den Berliner Wahlkampf / Aufruf zu Spenden: www.waehlt-wasg.de