Kommentar von Lucy Redler
Die WASG Berlin tritt zur Wahl an: Daran ist nicht mehr zu rütteln. Das hat nun mittlerweile auch Klaus Ernst vom WASG-Bundesvorstand verstanden.
Die aufgestellte Landesliste ist von Vielfalt und Breite geprägt und passt gut ins Konzept der neuen Linken. Michael Kronawitter, als Aktivist der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) stadtbekannter Linker, kandidiert ebenso auf der Liste wie Herrmann Werle, der sich in der Berliner Mietergemeinschaft engagiert. Mit an Bord sind auch bekannte AktivistInnen aus dem gewerkschaftlichen Spektrum: Carsten Becker ist Vorsitzender der ver.di-Betriebsgruppe an der Charité und kandidiert auf einem vorderen Platz. Ebenso Kerstin Fürst, Betriebsrätin bei der S-Bahn. Neben VertreterInnen der WASG aus Ost- und Westberlin hat sich auch die DKP entschlossen, ihren Berliner Vorsitzenden, Rainer Perschewski, ins Rennen zu schicken.
Mit dieser Pluralität ist die WASG Berlin gut aufgestellt. Die Liste macht deutlich: Es geht darum, die Proteste der letzten Jahre und die Forderungen der verschiedenen sozialen und gewerkschaftlichen Bewegungen ins Abgeordnetenhaus zu bringen:
Das „Nein“ der Kampagne gegen Zwangsumzüge gegen Ein-Euro-Jobs und Hartz-IV-Armut, das „Ja“ der Beschäftigten an der Charité für einen Flächentarifvertrag, das „Nein“ zur Privatisierung ganzer Wohnungsbestände der Mieterinnen und Mieter.
In diesem Sinne werden wir auch in Zukunft die bürgerlichen Medien enttäuschen, die in täglichem Rhythmus verkünden, es ginge uns nur um die „reine Lehre“. Dem ist mitnichten so. Stattdessen hat sich die WASG Berlin entschlossen, an den von Oskar Lafontaine eingezogenen Haltelinien (unter anderem keine Privatisierungen) auch Halt zu machen, während die Linkspartei.PDS in Berlin das Stoppschild plattfährt. Es geht nicht um die Abschottung vor realen Problemen und den Rückzug in linke Träumerei, sondern es geht um die Anerkennung der Realitäten.
Die Realität spiegelt sich unter anderem in der neuesten Studie der Springer AG (!) wider, der zufolge 18 Millionen Menschen in Deutschland monatlich weniger als 50 Euro frei verfügbares Einkommen haben.
Vor diesem Hintergrund kann die Aufgabe der neuen Linken nur sein, konsequent für und mit diesen Menschen Politik zu machen. Die neue Linke kann nur auf der Seite der Erwerbslosen, arbeitenden Menschen, RentnerInnen und Jugendlichen stehen und nicht auf der Seite des kapitalistischen Sachzwangs. Sonst ist die neue Linke nicht links. Deshalb wird der Antritt der WASG Berlin auch ein Beitrag sein, die Fortschreibung der Politik der Linkspartei.PDS in Berlin nicht zur Grundlage der neuen Linken werden zu lassen.
Die neue Linke sollten neben klaren inhaltlichen Positionen auch so weitgehend wie möglich von unten nach oben gebildet werden. Es wird die neue Partei nicht als Marionettenspiel geben, die an den Fäden von Oskar Lafontaine und Bodo Ramelow hängen und nach deren Pfeife tanzen. Kasperle und Seppl werden sich streiten, was der beste Weg sein wird, die Kaffeemühle von Räuber Hotzenplotz zurück zu erobern und der armen Großmutter wieder zu bringen. Ob das über Zugeständnisse an Hotzenplotz oder entschlossenen Kampf geht, wird zu diskutieren sein.