1. Mai 2006: Arbeiter schützen DSM-Mitglieder vor nigerianischer Polizei

Zusammengestellt von mehreren BerichterstatterInnen des Democratic Socialist Movement (DSM; nigerianische Sektion des CWI und Schwesterorganisation der SAV), Lagos, Nigeria
 

Der absolute Höhepunkt der diesjährigen 1. Mai-Kundgebung in Abuja, wo die Hauptveranstaltung vom Nigeria Labour Congress (NLC) und dem Congress of Free Trade Unions (CFTU) stattfand, war der heldenhafte Einsatz von Arbeitern, die die Verhaftung von Demola Yaya and Eko John Nicholas (zwei führende Mitglieder des DSM) durch die Polizei verhinderten. Zu Hunderten schwärmten Arbeiter aus, als die Polizei versuchte, die DSM-Genossen auf dem Kundgebungsplatz zu verhaften. Unter körperlichem Einsatz gelang es ihnen schließlich die beiden aus der Hand der Polizei zu befreien.

Zwei der bekanntesten Fernsehsender filmten den Vorfall, der an vorderster Stelle in den Berichten zum 1. Mai vorkam. Der Sender Channels television interviewte Demola nach seiner Befreiung, und dieser wiederholte nur die Position des DSM, wonach der Kampf gegen den sogenannten „third term“1 nicht nur gegen Obasanjo, sondern gegen alle Politiker geführt werden muss, die sich im Amt bereichern: Atiku, Babangida, Buhari, Marwa, etc. Die Genannten teilten demnach die anti-Armen Politik der Obasanjo-Regierung. Im gleichen Atemzug rief Demola zur Gründung einer Massenpartei der arbeitenden Menschen auf, die der parasitären herrschenden Elite die Macht entreißen und die neoliberale Politik gegen die arme Bevölkerung beenden muss.

In ihrer Ausgabe vom 2. Mai berichteten mindestens drei landesweit erscheinende Zeitungen ebenfalls von den Ereignissen. Auf ihrer Titelseite veröffentlichte die Vanguard newspaper sogar ein Foto, auf dem Demola von der Polizei weggezerrt wird.

Der Polizeipräsident des Federal Capital Territory (FCT), in dem Abuja liegt, Lawrence Alobi, gab den Haftbefehl gegen die Genossen aufgrund des DSM-Transparentes und des Leitartikels in der Socialist Democracy (SD), der Zeitung des DSM. Beide waren überschrieben mit einem Slogan gegen den „third term“ und dem Aufruf für eine Massenpartei der arbeitenden Menschen. Wörtlich stand auf dem Transpi zu lesen: „3rd Term: Obasanjo Again? No Way! For a Mass Working Peoples Party Now To End All Anti-Poor Policies“ („Dritte Amtszeit für Obasanjo? Niemals! Für eine Massenpartei der arbeitenden Menschen, um die Politik gegen die Armen sofort zu beenden!“)

„Beleidigendes“ Transparent

Zusammen mit drei Mitstreitern, die beim Zeitungsverkauf helfen wollten, nahmen die Genossen mit besagtem Transpi an der Demo teil. Den Vorsitzenden des NLC, Adams Oshiomhole, eingeschlossen, zogen sie damit die Begeisterung der Arbeiter auf sich. Oshiomhole animierte daraufhin die KundgebungsteilnehmerInnen, den DSM-Demoblock zu begrüßen. Weil die DSM als einzige mit einem Slogan gegen das Obasanjo-Regime auftrat, schlossen sich Arbeiter spontan dem Block an. Das „beleidigende“ Transpi und die Wirkung, die dieses auf die DemoteilnehmerInnen hatte, brachten dann auch wohl Alobi aus der Fassung, der aus dem VIP-Bereich aufsprang, um persönlich den Haftbefehl zu erteilen.

Polizeipräsident Alobi ist dafür berühmt berüchtigt, Einsatzkommandos zu den Treffen der Obasanjo-Opposition in Abuja zu schicken. So zeichnet er auch für den Polizeieinsatz verantwortlich, bei dem im August 2004 eine Demonstration von ArbeiterInnen gegen das „Trade Union Amendment Bill“ (Gewerkschafts-Nachtragsgesetz) verhindert wurde. Kürzlich verweigerte er auch den LandespolitikerInnen die Nutzung des Sheraton-Hotels in Abuja, die dort ein Treffen gegen den „third term“ abhalten wollten.

Der Empfang der DSM-Genossen am 1. Mai und die Verhinderung ihrer Verhaftung durch Arbeiter bedeutet einen eindeutigen Hinweis auf die Massenunterstützung für die Forderungen auf dem DSM-Transparent. Damit zeigt sich, dass die ArbeiterInnen nicht nur gegen eine dritte Amtszeit Obasanjos und die anti-Armen Politik seiner Regierung sind, sondern auch für den Aufruf für eine politische Alternative eintreten. Dennoch sind diese Ereignisse nicht beispiellos; die verarmten ArbeiterInnen haben ihre Ablehnung gegenüber Obasanjo und seiner kapitalistischen, neoliberalen Politik schon in den Massenprotesten und Generalstreiks allein in den vergangenen sieben Jahren zum Ausdruck gebracht. Das Problem lag bisher bei der Führung der Arbeiter- und Massenorganisationen, die die Proteste wertlos werden ließen, als sie es ablehnten, die Bewegung Richtung einer politischen Alternative voran zu bringen. Die Regierung hätte schon längst aus dem Amt und ihre Klone hätten schon längst aus den Machtzentralen gejagt werden können.

Unbestreitbar hat Adams Oshiomhole in seiner Rede am 1. Mai klar die oppositionelle Haltung des NLC gegen eine dritte Amtszeit Obasanjos hervorgehoben. Zudem rief er die ArbeiterInnen dazu auf, keine Kompromisse mit irgendwem aus der herrschenden Klasse einzugehen, die wegen der Frage des „third term“ in sich zerstritten ist. In der ihm eigenen Art und Weise blieb Oshiomhole zur Frage der konkreten politischen Alternative für die Arbeiterklasse hingegen auffällig zurückhaltend.

Das Democratic Socialist Movement hat sich dafür entschieden, die Kampagne für eine politische Massenpartei der ArbeiterInnen speziell unter den prekär Beschäftigten und den Teilen der Arbeiterschaft auszuweiten, die den Druck auf die Gewerkschaftsführung zum Parteiaufbau erhöhen können.

In Abuja konnten wir am 1. Mai 170 Ausgaben unserer Zeitung Socialist Democracy verkaufen. Die restlichen Exemplare beschlagnahmte die Polizei bevor wir sie unter das Volk bringen konnten. 45 Ausgaben der Broschüre zu prekärer Beschäftigung der Kampagne für demokratische und Arbeiterrechte (Campaign for Democratic and Workers Rights, CDWR) konnten darüber hinaus verkauft werden.

In Abuja fand übrigens nur eine der 12 landesweit abgehaltenen Kundgebungen Nigerias anlässlich des 1. Mai statt, an denen das DSM teilnahm.

1Gemeint ist die Kampagne des korrupten Präsidenten Obasanjo für einedritte Amtszeit in den bevorstehenden Wahlen 2007, die eineVerfassungsänderung voraussetzen würde.