Frankreich – Massenproteste zwingen Regierung zum Rückzug

Gewerkschaftsführung wurde wertlos als es darum ging, die Gunst der Stunde zu nutzen
 

von Robert Bechert, CWI, Frankreich

Eine Woche nachdem das CPE (Gesetz über die Ersteinstellung) bereits unterschrieben war, zwangen die von ArbeiterInnen und Jugendlichen angeführten Massenproteste Präsident Chirac am 10. April zur Rücknahme des Gesetzes. Als sich plötzlich eine tiefe politische Krise zusammenzubrauen drohte und Chirac sich der Möglichkeit eines Generalstreiks gegenüber sah, musste er einknicken.

Sowohl was Frankreich selbst betrifft als auch aus globaler Sicht müssen die Ereignisse von Anfang April 2006 korrekter Weise als empfindlicher Rückschlag für die anhaltende neoliberale Offensive gegen die Lebensbedingungen von ArbeiterInnen gesehen werden. Dennoch hat Chirac den Rückzug nur teilweise vollzogen. Das CPE beinhaltete u.a. den Passus, dass alle ArbeiterInnen unter 26 hätten ohne Angabe von Gründen innerhalb der ersten zwei Jahre ihrer Ersteinstellung gefeuert werden können. Das CNE (Gesetz über neue Arbeitsverträge), das schon seit letztem Jahr Gültigkeit hat, erlaubt absolut dasselbe Vorgehen bezogen auf Betriebe mit weniger als 20 MitarbeiterInnen. – Und das CNE ist weiterhin in Kraft!

Die französischen Gewerkschaftsführungen erklären, dass Chiracs Rückzug ein großer Sieg wäre. Auf die Idee, die Gunst der Stunde zu nutzen, um weitere Verbesserungen zu erzwingen, sind sie nicht gekommen. Die französische Regierung ist in Unordnung geraten und gezeichnet von einer tiefen Spaltung. Gerade jetzt ist also die Möglichkeit da, die Offensive gegen das CNE und weitere neoliberale Attacken fortzusetzen und sinnvolle Arbeitsplätze mit angemessener Bezahlung für junge Leute und Erwerbslose einzufordern.

Statt dessen haben die Gewerkschaftsführer die Bewegung im Endeffekt demobilisiert, und sie versuchen nun im Grunde alles darauf zu lenken, dass die Oppositionsparteien bei den Wahlen 2007 unterstützt werden. Eine große Chance für die Ausweitung der Proteste gegen Chirac und das kapitalistische System insgesamt wurde damit verspielt.

Die junge Generation erlebt einen ersten Sieg

Ob die Gewerkschaftsführer in der Lage sind, weitere Proteste in den nächsten 12 Monaten zu verhindern, ist eine andere Frage. Die enorme Beteiligung an den anti-CPE Protesten hat allemal ein Bild von der Wut geliefert, die in Frankreich um sich greift. Und davon, wie stark die Gegnerschaft gegen die Angriffe der herrschenden Klasse ist (und noch werden kann). Die Erfahrungen aus dem Sieg über das CPE kombiniert mit den schlechten Erfahrungen der ArbeiterInnen, die diese mit der 2002 abgewählten „sozialistisch-kommunistischen“ Regierung gemacht haben, können zu einer Neuauflage der Kämpfe schon in den nächsten Monaten führen. Alles hängt davon ab, ob die ArbeiterInnen und Jugendlichen in Frankreich sich bis zu den Wahlen 2007 vertrösten lassen.

Seit Ende Januar nimmt erstmalig die junge Generation in Frankreich an den Auseinandersetzungen teil. Und nur drei Monate später kann sie bereits ihren ersten Erfolg verbuchen. Viele haben über die Kämpfe begonnen, das gesamte Gesellschaftssystem zu hinterfragen und wenn die ersten sozialistischen Konsequenzen gezogen werden, kann das der Beginn für eine neue Bewegung sein, die den Kapitalismus abschaffen wird – ein für allemal