Zum Abschneiden von WASG und Linkspartei.PDS
Die Wahlen vom 26. März wurden als erste Messlatte für die Akzeptanz der Merkel-Regierung präsentiert. Durch die Bank erklären SPD und CDU die Große Koalition als positiv bestätigt. Das geschieht, obwohl die Wahlbeteiligung ein Rekordtief erreicht hat.
von Tanja Niemeier, Berlin
17 Millionen Wahlberechtigte waren aufgefordert, bei den drei Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sowie bei den Kommunalwahlen in Hessen ihre Stimme abzugeben. Bezeichnenderweise machten sehr viele, in Sachsen-Anhalt sogar die Mehrheit, davon keinen Gebrauch.
Wahlbeteiligung auf Rekordtief
Die Wahlbeteiligung lag in Baden-Württemberg bei 60 Prozent, in Rheinland-Pfalz bei knapp 54 Prozent. In Sachsen-Anhalt rutschte sie auf 44,5 Prozent ab. Davon lässt sich keine Zustimmung für Merkel, Müntefering und die Landesfürsten ableiten. In absoluten Zahlen haben auch die Parteien der Ministerpräsidenten Oettinger, Böhmer (beide CDU) und Beck (SPD) Stimmen verloren.
Der inhaltsleere und personenorientierte Wahlkampf ließ die überwiegende Mehrheit kalt. So war es im Südwesten für streikende KollegInnen von geringem Unterhaltungswert zu erfahren, ob Günter Oettinger schon mal Marihuana geraucht hat. In Rheinland-Pfalz haben 16 Prozent erst am Wahltag entschieden, wen sie wählen.
Viele sind von der Politik enttäuscht und fühlen sich nach wie vor von keiner Partei vertreten.
In Sachsen-Anhalt – das in den letzten Jahren verschiedene Regierungskonstellationen durchmachte – bekunden 68 Prozent der Bevölkerung, dass es in Deutschland eher ungerecht zugeht. 40 Prozent gehen auf Distanz zu Politik und Parteien.
Wahlergebnisse für WASG und die Linke
Als junge und relativ kleine Partei hatte die WASG mit eingeschränkten finanziellen Mitteln zu kämpfen und war dadurch benachteiligt gegenüber den etablierten Parteien. Das kann aber nur zum Teil begründen, warum es der WASG begrenzt gelungen ist, das vorhandene Vakuum zu füllen. Im Vergleich zu den Bundestagswahlen (BTW) 2005 hat die WASG insbesondere in Rheinland-Pfalz (BTW: 5,6 Prozent, LTW: 2,5 Prozent), aber auch in Baden-Württemberg (BTW: 3,8 Prozent, LTW: 3,1 Prozent) nicht auf den Ergebnissen aufbauen können. Das hat mehrere Gründe.
Verankerung
In den Ergebnissen gab es zum Teil größere regionale Unterschiede. In Mannheim konnten beispielsweise in den zwei Wahlkreisen jeweils 6,9 und 4,77 Prozent erreicht werden. Diese Ergebnisse liegen über dem Landesdurchschnitt und spiegeln die unterschiedliche regionale Präsenz und Verankerung wider. Die Wichtigkeit örtlicher Verankerung wird auch an den Resultaten verschiedener hessischer Städte deutlich. In Marburg-Stadt konnten 9,3 Prozent, in Kassel 6,8 und in Frankfurt 7,3 Prozent erreicht werden.
Interne Probleme
In Rheinland-Pfalz wechselte die frühere PDS-Landesvorsitzende die Partei und trat im Oktober in die CDU ein. Die designierte WASG-Spitzenkandidatin strich Anfang Dezember auf Grund interner Konflikte die Segel. Der Landesvorsitzende der Linkspartei trat im Dezember ebenfalls aus der Partei aus. Und gegen einen rheinland-pfälzischen Bundestagsabgeordneten der Linken wird wegen Verdachts auf Steuerhinterziehung ermittelt.
Orientierung
In Baden-Württemberg war das zentrale Ereignis während des Wahlkampfs der Streik im öffentlichen Dienst. Hier hätte die WASG viel entschlossener in den Arbeitskampf eingreifen müssen. Das hätte den Anspruch, eine Partei aufbauen zu wollen, die eindeutig auf Seiten der abhängig Beschäftigten steht, viel deutlicher unterstrichen.
Linke, anti-neoliberale Partei nötig
In einer Presseerklärung bezeichnete Gregor Gysi die Ergebnisse in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg als „beachtlich“. Er führte weiter aus: „Diesmal haben sich noch negativ die Querschüsse der Berliner WASG und die Tatsache ausgewirkt, dass es die neue Partei der vereinigten Linken noch nicht gibt.“ Auch Thomas Händel, Mitglied im Bundesvorstand der WASG, erklärte, „die internen Auseinandersetzungen sind nicht spurlos an uns vorübergegangen“.
Damit wird über die tatsächlich vorhandenen Probleme von mangelnder Orientierung auf den Arbeitskampf im öffentlichen Dienst und die fehlende Verankerung hinweg gegangen. Ebenso wenig wird erwähnt, dass während der heißen Wahlkampfphase in Dresden 48.000 Wohnungen verkauft wurden. Dazu konnte es nur kommen, weil neun der 17 PDS-Abgeordneten dafür stimmten. Wenn Lafontaine auf der einen Seite von der „Haltelinie“ Privatisierung spricht, diese Linie aber gleichzeitig durch Teile der Linkspartei.PDS durchbrochen wird, dann ist die Glaubwürdigkeit linker Politik in Frage gestellt. Die jüngsten Umfrageergebnisse der Berliner Linkspartei von nur noch 13 Prozent deuten auch nicht gerade darauf hin, dass es sich bei dieser Politik um eine Erfolgsstory handelt. Eben-so wenig sprechen sie dafür, nun verstärkt für die Teilnahme an Regierungen zu argumentieren.
Im übrigen gelang der Linkspartei.PDS in Sachsen-Anhalt nur eine prozentuale Verbesserung. In absoluten Zahlen verlor sie 20.000 Stimmen. Das Ergebnis in Sachsen-Anhalt darf deshalb von Spitzenkandidat Wulf Gallert nicht benutzt werden, die Strategie der Linkspartei.PDS Sachsen-Anhalt im Wahlkampf, auf Regierungsbeteiligung zu setzen, für die Zukunft der neuen Linken zu verallgemeinern.
Außerdem muss sich die Bundestagsfraktion die Frage gefallen lassen, ob sie im ausreichenden Maße in Erscheinung getreten ist, um Widerstand gegen neoliberale Politik zu organisieren.
Diese inhaltlichen Fragen dürfen nicht unter den Teppich gekehrt werden. Sie sind ausschlaggebend dafür, ob eine neue linke Partei das verloren gegangene Vertrauen der arbeitenden Bevölkerung zurückgewinnen kann.
Genau das – Konsequenz in den Inhalten und die Organisierung von Widerstand – muss nun in den Mittelpunkt rücken.
Jetzt, wo die Wahlen vorbei sind, wird die Große Koalition in schnellerem Tempo ihr Programm für das Kapital durchziehen wollen.