Seit Jahren kämpfen die Arbeiter der Fabrik „Holodmasch“ in Jaroslavl (Nordrussland) gegen die korrupte Firmenleitung.
Diese versucht seit längerem das Unternehmen absichtlich in den Bankrott gehen zu lassen. Dagegen organisieren die kämpferische Gewerkschaft „Zaschita Truda“ (Arbeiterverteidigung) unter dem Vorsitz von Olga Boiko und der Schwesterorganisation der SAV vor Ort „Sozialistischer Widerstand“ zusammen mit den Arbeitern eine Kampagne für eine Betriebsbesetzung.
von Ivan Ovsyannikow (Übersetzung Doreen Ulrich., Dmitriy Radchuk)
Einige Tage vor der Besetzung herrschte gerade unter den männlichen Kollegen Verunsicherung, diese wurde vor allem von den Kolleginnen aufgehoben. Die Frauen machten deutlich, das sie die Fabrik auf jeden Fall besetzen werden, auch ohne die Hilfe der männlichen Kollegen.
Am 15.März gingen hunderte ArbeiterInnen zum Fabrikdirektor Michailow um ihm ein letztes Ultimatum zu stellen. Die Forderungen der ArbeiterInnen wurden von Michailow arrogant zurückgewiesen. Dies führte zu einer Explosion unter den ArbeiterInnen. Am Morgen des 17. März organisierten sie eine Versammlung im Verwaltungsgebäude der Fabrik. Die Fabrikleitung wollte mit Hilfe des Werksschutz die Versammlung sabotieren, dieser aber stellte sich auf die Seite der ArbeiterInnen. Nur einige wenige private Security-Leute unterstützten die Werksleitung. Zusammen mit unserer Schwesterorganisation „Sozialistischer Widerstand“ und einigen Journalisten stürmten etwa dreihundert ArbeiterInnen das Direktorenbüro, obwohl Security – Leiter und Direktor der Fabrik massiv Widerstand leisteten. Innerhalb von einer Minute war das Büro übervoll mit Menschen.
Nach Besetzung des Büros verlas die Gewerkschaftsvorsitzende Olga Boiko laut die Forderungen der ArbeiterInnen: sofortige Zahlung des rückständigen Lohnes (seit 4 Monaten wurde dieser nicht gezahlt), volle Aufrecherhaltung der Produktion, Kündigungsschutz auch im Falle des Bankrottes. Boiko erklärte vor allen Anwesenden „ Es gibt keine Verhandlungsbasis zwischen der Fabrikleitung und den ArbeiterInnen mehr, es gibt nichts mehr zu reden. Wir und sie bleiben solange hier bis der Staatsanwalt und der Ministerpräsident des Bezirks Jaroslavl kommen.“
Vier Stunden lang musste sich der Fabrikdirektor den unangenehmen Fragen der ArbeiterInnen stellen. So fragten sie warum zwei Drittel des Kapitals heimlich auf die Konten anderer privater Unternehmen überwiesen wurde. Bei jeder Frage wurde der Direktor bleicher und wischte sich nervös den Schweiß von seiner Glatze. Die ArbeiterInnen drängten den Direktor bis an den Rand des Nervenzusammenbruchs, bis er lauthals schrie „Ihr seid alle Provokateure“. Daraufhin schlug ein Arbeiter vor, den Direktor – in Anlehnung an Beispiele aus der russischen Revolution – in einer Schubkarre aus dem Werksgelände zu schmeißen.
Nach und nach kamen dutzende von Journalisten verschiedenen Zeitungen und Fernsehsender zu der Fabrik. Die private Security blockierten daraufhin die Eingänge der Fabrik um keinen Journalisten herein zu lassen. Doch die ArbeiterInnen drängten die Security beiseite und bauten gleich die gesamten Türen aus. Kurz darauf marschierte ein Trupp Polizisten auf, um den Fabrikdirektor zu beschützen. Diese fühlten sich jedoch sichtlich unwohl in ihrer Haut und mussten Häme und Witze von Seiten der ArbeiterInnen über sich ergehen lassen.
Später kamen Vertreter verschiedener unternehmernaher (gelben) Gewerkschaften und ein Vertreter des Bezirksindustrieministeriums. Den einzigen Vorschlag den sie machten, war wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Natürlich lehnten die ArbeiterInnen diesen Vorschlag ab. Dann kam der Staatsanwalt, der erst behauptete eine Insolvenz könne nicht strafrechtlich verfolgt werden. Unter dem Druck der ArbeiterInnen musste er aber eine Untersuchung zusagen. Die ArbeiterInnen forderten endlich mit dem Ministerpräsidenten sprechen zu können, doch sie wurden mit der Begründung abgewiegelt der Minister sei nicht in der Stadt. Stattdessen versprach der Stellvertreter des Ministerpräsidenten die Arbeiter zusammen mit dem Staatsanwalt und den Gewerkschaftsspitzen in drei Tagen zu besuchen. In Vorbereitung auf das Treffen wählten die ArbeiterInnen ein demokratisches Streikkomitee und drohten, dass wenn ihre Forderungen nicht erfüllt würden sie radikalere Maßnahmen ergreifen werden.
Nach diesem Treffen erklärte sich die Bezirksregierung Jaroslavl bereit die volle Verantwortung für die Fabrik im Falle einer Insolvenz zu übernehmen und die offenen Schulden für Gas und Strom zu erlassen. Ausserdem wurden die Fabrikbesitzer angewiesen innerhalb einer Woche alle ausstehenden Löhne zu zahlen. Und Schlussendlich versprach der Stellvertreter des Ministerpräsidenten mit der russischen Regierung über eine Verstaatlichung der Fabrik zu verhandeln. Für die ArbeiterInnen ein Sieg auf ganzer Linie.
Die Arbeiter von „Holodmasch“ brauchen weiter Unterstützung! Solidaritätserklärungen senden an:
tel.: (4852) 355614 (Ivan)
e-mail: bezduhovnost@list.ru