Am Dienstag fand um 12 Uhr eine Kundgebung vor dem Gelände des bestreikten CNH-Werkes in Berlin-Spandau (ehemals Orenstein & Koppel) statt.
Die 500 streikenden Kollegen wurden dabei von Solidaritätsdelegationen verschiedener Berliner Betriebe, wie zum Beispiel OTIS, JVC, BSH, Siemens, Daimler und anderen, von Berliner Bürgern und nicht zuletzt von 50 KollegInnen aus dem ebenfalls bestreikten AEG-Stammwerk in Nürnberg unterstützt. Auch drei KollegInnen aus dem Heilbronner CNH-Betrieb waren eigens angereist. „Direkt von Arbeitslosigkeit sind wir nicht betroffen, aber es ist uns wichtig, unsere Solidarität mit den Berliner Beschäftigten zu zeigen. Bei uns ist in den letzten zehn Jahren, seit der Übernahme durch FIAT, die Beschäftigtenzahl von 298 auf 142 gesunken“, so Johannes Müllerschön, Betriebsratsvorsitzener CNH Heilbronn.
Trotz Minusgraden und leichten Schneefalls war die Stimmung kämpferisch. Schon vor der ersten Rede, die die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer hielt, gab es Sprechchöre wie „wir bleiben hier – dafür kämpfen wir!“.
Engelen-Kefer übermittelte die Solidarität aller DGB-Gewerkschaften und betonte, die Schmerzgrenze sei überschritten, wenn 2005 Lohnverzicht in Höhe von 6 Milliarden Euro hingenommen werden sei, während die Unternehmens- und Vermögenseinnahmen um 36 Milliarden Euro angestiegen seien. Leider beschränkte sie sich etwas abstrakt darauf, einen „fairen“ Anteil an den erwirtschafteten Gewinnen zu fordern, und forderte das Management von CNH auf, die Notwendigkeit einer Schließung vorzurechnen – anderenfalls solle die Berliner Politik finanzielle Sanktionen verhängen und solche Subventionen, die in den vergangenen Jahren an CNH geflossen seien, zurückfordern.
Als nächster berichtete Andreas Wiedemann vom Streik der AEG-Kollegen in Nürnberg, die unter anderem deshalb 40 Tage bei teilweise starken Minustemperaturen durchgehalten hätten, weil sie große Solidarität von anderen Belegschaften aus dem gesamten Bundesgebiet erfahren hätten. Er stellte dann die soeben bekannt gewordene Einigung zwischen Gewerkschaft und der Electrolux-Führung dar, deren wichtigstes Merkmal die Höhe von 1,8 Monatsgehältern sei, die nun jedem Angestellten pro Beschäftigungsjahr zustehe. Zwar habe man keine Fortführung der Beschäftigung erreichen können, aber der Sozialplan sei im Vergleich zum ursprünglichen Angebot deutlich besser. An diesem Punkt stellt sich jedoch die Frage, warum die IG Metall in den Verhandlungen von den ursrpünglich geforderten drei Monatsgehältern pro Jahr abgerückt ist. Wenn es heißt, die Forderung nach höheren Abfindungen, als sie das Gesetz vorschreibt, sei eine taktische Maßnahme gewesen, um überhaupt legal streiken zu dürfen, dann wird deutlich: Hier hätte eine weitergehende Forderung, nämlich nach der Vergesellschaftung von solchen Betrieben, die ihre Produktion stillegen wollen, den nötigen Druck erzeugen können, um höhere und weitergehende Zugeständnisse zu erreichen – oder eine Alternative zu bieten. Dennoch wurde Andreas Wiedemann mit „Wir bleiben hier – dafür kämpfen wir!“-Sprechchören verabschiedet.
Die folgende Rede des ersten Berliner IG Metall-Bevollmächtigten Arno Hager zielte leider ein wenig einseitig darauf ab, dass italienische (CNH-Mutter FIAT) oder schwedische (AEG-Mutter Electrolux) Unternehmen sich „einmauerten“, anstatt mit der Gewerkschaftsführung zu verhandeln – als ob deutsche Unternehmen nicht genauso der Profitlogik folgen würden. Arno Hager forderte die Fortführung der Produktion und machte deutlich, dass es im Falle der Schließung der Produktion keine zweijährige Perspektive für ein am Standort bleibendes Logistikzentrum gäbe, dass also der Streik für einen Fortbestand des gesamten Spandauer CNH-Werkes geführt würde.
Ähnlich äußerte sich auch Güngör Demirci, Betriebsratsvorsitzender bei Bosch-Siemens Hausgeräte (BSH): Sie hätten es geschafft, einen Erhalt des Standortes zu erkämpfen, indem sie dem Management die Kosten einer Schließung gegenüber denen einer Fortführung vorgerechnet hätten. Wenn es aber neue Schließungspläne geben sollte, seien sie jederzeit bereit, einen neuen Kampf aufzunehmen! Güngör Demirci betonte auch, dass nur durch Solidarität der Belegschaften untereinander der Erhalt von Arbeitsplätzen erreicht werden könne.
Von der WASG waren verschiedene KollegInnen aus unterschiedlichen Berliner Ortsgruppen (zum Beispiel Spandau, Neukölln, Pankow und Mitte) anwesend, die Solidaritätserklärungen verteilten.
von Johannes Ullrich