Mehr Kampf wagen – den Streik ausweiten

Die Stimmung unter den Streikenden in Hamburg beschreibt vielleicht am besten eine kleine Episode kurz vor Beginn der großen Kundgebung, zu der die Streikenden KollegInnen am Mittwoch, 22.2. in eine geräumigen Messehalle zusammen kamen.
 

Die meisten waren mit Bussen und Bahnen angereist, aber ein Gruppe von zehn Personen war auf dem Anhänger eines mit verdi-Fahnen geschmückten Traktors vorgefahren. Nachdem sie das Gefährt auf einem Grünstreifen geparkt hatten, gab es gleich Ärger mit der Polizei, die ihnen einen Strafzettel androhte, falls der Traktor nicht umgehend auf einen einige hundert Meter entfernten Parkplatz gefahren würden. Der Traktor setzte sich daraufhin auch wieder in Bewegung, mit ihm aber auch etwa zweidutzend Kollegen, die ihren Fahrer aus Solidarität zu Fuß begleiten wollten. Spontan schlossen sich vor der Halle stehende KollegInnen an.

Kaum einer hatte mitbekommen worum es ging, aber offensichtlich gefiel allen die Idee einer Demonstration besser als eine Kundgebung in einem geschlossenen Raum. Nachdem der Traktor unter Auslösung eines kleinen Verkehrschaoses seinen genehmigten Parkplatz erreicht hatte, ging der inzwischen auf zwei- bis dreihundert Teilnehmer angewachsene Demozug zurück. Auf dem Rückweg traf man zufällig auf einen weiteren Protestzug von 300 Streikenden aus dem Bildungsbereich. Gemeinsam ging es in die Kundgebungshalle. "Ist doch viel besser, als sich in einer Halle verstecken" und "Wir sollte alle durch die Stadt marschieren" waren die Meinung der TeilnehmerInnen am spontanen Demozug. Vorschläge, wie den Elbtunnel dicht zu machen (die Leitwarte könnte von verdi bestreikt werden) oder den Flughafen lahm zu legen, wurde mit "Genau, wir müssen die Sache ausweiten", zugestimmt.

In der Kundgebugshalle erinnerte ein Kollege vom Landesvermessungsamt, der seit 1978 aktiver Gewerkschafter ist, daran, dass das 13. Monatsgehalt kein Weihnachtsgeschenk war, sondern von den Beschäftigten im öffentlichen Dienst durch Abstriche bei Lohnerhöhungen in früheren Tarifrunden quasi selbst angespart worden ist. Ebenso   sei auch die 38,5 Stunden Woche ohne vollen Lohnausgleich eingeführt worden. Es gehe also nicht um die Rücknahme von Zusatzleistungen, sondern es gehe um Geld und Zeit, die den Beschäftigten gehören würden und deshalb wären die Pläne der Regierenden schlicht Diebstahl.

Verdi-Chef Bsirske bekam bei seiner Rede an den Stellen den meisten Beifall, an denen er unterstrich, dass dies ein Kampf für den Erhalt von Arbeitsplätzen sei. Er forderte auch die Erhöhung der Erbschaftssteuer und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Außerdem sagte er, dass jetzt bundesweit über 30.000 im Streik seien und dass es kontinuierlich mehr würden. In dieser zentralen Frage blieb er also sehr vage. Über 30.000 Streikende sind es schließlich schon seit mehreren Tagen. Was heißt also  kontinuierlich mehr? Jeden Tag 200 mehr, oder 2.000, oder 20.000?

5.9 Millionen Arbeitsverhältnisse würden sich nach dem Tarif im öffentlichen Dienst richten, eine Verlängerung der Arbeitszeit auf 40 Stunden gefährde deshalb 250.000 Arbeitsplätze, rechnete Bsirske vor. Was er nicht sagte: Auch wenn nicht die gesamten 5,9 Millionen einfach streiken können, können und müssen viel mehr als 30.000 oder 40.000 in den Kampf einbezogen werden.

von Georg Kümmel