Am Freitag, 17. Februar 2006, geht in Baden-Württemberg die zweite Streikwoche zu Ende.
Die Streiktaktik von ver.di Stuttgart besteht darin, dass einzelne Bereiche wie vor allem die Abfallwirtschaft (Müllabfuhr) ununterbrochen streiken und andere Bereiche wie Krankenhäuser oder Kindertagesstätten befristet streiken, dann wieder arbeiten und dann wieder streiken, um die Belastung für die Bevölkerung in Grenzen zu halten.
Die Gruppe, die diesen Freitag zusätzlich zum Streik aufgerufen war, waren die Auszubildenden aus allen Bereichen. Es ist natürlich positiv, wenn Auszubildende aus Krankenhäusern, Kitas und verschiedenen Ämtern gemeinsam auf die Straße gehen und eine gemeinsame Aktion gestalten und durchführen. Die Kehrseite davon ist, dass die einzelnen Azubis in ihrem Betrieb natürlich mehr unter Druck durch Ausbildungsleiter stehen, wenn die anderen Beschäftigten nicht zum Streik aufgerufen sind. Alleine zu streiken, ist eine höhere Hürde und deshalb war klar, dass die Beteiligung an der Aktion nicht riesig sein würde. Trotzdem nahmen insgesamt rund 300 Azubis am Streik teil.
Es gab einen lebendigen und lauten Demozug mit Pfeifen und Tröten und vielen Sprechchören durch die Stuttgarter Innenstadt vom Gewerkschaftshaus zum Rathaus. Dort fand eine Kundgebung statt. Mehrere Solidaritätserklärungen wurden verlesen (von JAVen aus dem Öffentlichen Dienst aus anderen Bundesländern oder von DaimlerChrysler aus Sindelfingen). Ein Kollege vom Uniklinikum Tübingen, wo bekanntlich letzten Herbst erfolgreich gestreikt wurde, überbrachte deren solidarischen Grüße persönlich. Peter Schmidt, aktiv in der JAV des Klinikum Stuttgart, hielt die Hauptrede, in der er u.a. die Anti-Streik-Hetze von Arbeitgebern und Medien auseinander nahm. Am Schluss wurden die Forderungen der Azubis mit Luftballons in alle Welt verbreitet.
Am auffälligsten war, wie wenig in den Sprechchören auf der Demo und in den Reden von der 38,5-Stunden-Woche die Rede war – und wie viel von der 35-Stunden-Woche. Völlig zu Recht stellt die Gewerkschaft im Kampf gegen die von den Arbeitgebern geforderte Rückkehr zur 40-Stunden-Woche die dadurch vernichteten Stellen in den Mittelpunkt (neben der größeren Arbeitshetze, schlechteren Qualität der erbrachten Dienstleistungen). Ebenso richtig ist die Schlussfolgerung, dass durch Arbeitszeitverkürzung Arbeitsplätze entstehen und dass das bei 5 Millionen registrierten Arbeitslosen dringend nötig ist. Ein Erfolg des Streiks ist jetzt schon, dass die Idee der Arbeitszeitverkürzung bei Beschäftigten so breit diskutiert und unterstützt wird wie seit Jahren nicht mehr.
von Wolfram Klein, ver.di-Mitglied, Weil der Stadt