Ein Bericht von der Betriebs- und Personalräte-Konferenz in Bremen am 15. Februar 2006
Mehr als 100 Bremer Betriebs- und Personalräte hatten sich am 15.2. im DGB-Haus versammelt, um darüber zu entscheiden, ob am 1. März eine gemeinsame Demonstration aller Gewerkschaften gegen den Stellenabbau stattfinden kann und wie sie vorbereitet werden soll.
Nach einer Einleitung durch Prof. Rudolf Hickel, der die Politik von Bundesregierung und Bremer Senat scharf kritisierte und den Teilerfolg der Massendemonstrationen gegen die Bolkesteinrichtlinie als Argument für gemeinsame Aktionen auch in Bremen bezeichnete, berichteten die Arbeitnehmervertreter von der Stimmung in ihren Betrieben.
Hier einige Beispiele:
Ein Kollege von Kraft-Foods berichtete, dass dem Abbau von bisher 6000 Arbeitsplätzen noch einmal 8000 weitere folgen sollen. Am 22.2. soll eine Betriebsversammlung stattfinden, Briefe an weitere Betriebe der NGG (z.B. Könnecke) sollen zur Mobilisierung für die Demonstration beitragen. Eine Kollegin aus der Verwaltung meinte, dass wegen des Entlassungsdrucks viele Angst hätten, sich durch die Teilnahme an der Demonstration zu „outen“. Bei Kraft rechnet man deshalb nur mit etwa 300 Demonstrationsteilnehmern.
Ein Kollege aus der Vertrauenskörperleitung von Daimler-Chrysler kündigte an, dass nach den Informationen über 6500 zusätzliche Stellenstreichungen (bisher waren 8500 geplant) im Betrieb ein sehr starker Druck in Richtung von öffentlichen Aktionen bestehe. Man sei deshalb für eine Demonstration während der Arbeitszeit. Er rechne mit der Beteiligung einer gesamten Schicht (mindestens 2000), die vom Daimler-Werk in die Stadt marschieren und auf dem Weg die Kollegen der Telekom „abholen“ werden. Ein anderer Kollege warnte jedoch, dass bei einem „ungeschützten Warnstreik“ Abmahnung drohen könnten und beurteilte die Teilnehmerzahl skeptischer. Man müsse sich auch die 10000 Kollegen wenden, die während der Demonstration frei hätten.
Ein Personalrat des Klinikums Mitte berichtete von 700 Stellen, die dort bis 2010 abgebaut werden sollen. Im Krankenhaus herrsche deshalb eine „heilige Wut“, aber auch Angst, weil immer mehr MitarbeiterInnen nur befristete Verträge haben. Der PR habe den DGB-Auruf zum 1.3. nur zufällig im Internet „entdeckt“. Nun sei ein massiver „Materialeinsatz“ für die Demonstration notwendig. Es wäre schön, wenn die Daimler-Kollegen auf ihrem Marsch in die Innenstadt auch beim Klinikum „vorbeischauen“ würden. Außerdem solle man speziell die Auszubildenden ansprechen, weil das Klinikum der größte Ausbildungsbetrieb Bremens sei, aber immer weniger übernommen werden.
Ein Betriebsrat der Bremer Telekom wies noch einmal auf die 32.000 geplanten Stellenstreichungen in seinem Unternehmen sowie auf zusätzliche Auslagerungen hin. Er ging von einer Mindestbeteiligung von ca. 200 KollegInnen aus, was man aber durch eine Teilbetriebsversammlung, die für die Demonstration unterbrochen wird, noch deutlich steigern könne.
Ein Kollege von A&R-Carton, einem schwedisch-finnischen Verpackungsbetrieb, berichtete darüber, wie die Vereinbarungen zur Halbierung der bisherigen Belegschaftsstärke vom Unternehmer „belohnt“ worden sind: Jetzt soll das Werk vollständig geschlossen werden. Er selbst müsse 53 Jahren dann wohl ALG II beziehen.
Ein Kollege der Stahlwerke Bremen erläuterte kurz die Übernahmeprobleme von Arcelor/Mittal. Eine gemeinsame Stellungnahme von europäischen Belegschaftsvertretern, die bei der Konferenz verteilt wurde, wendet sich gegen einen „Kasino-Kapitalismus“, der durch solche Übernahmen nur die Aktionäre bereichern soll. Die Demonstration am 1.3. könne nur ein Auftakt für den gemeinsamen Widerstand sein. Der nächste Schritt sei dann die 1. Mai-Kundgebung.
Ein ver.di-Sekretär berichtete von einer für den 2.März geplanten (Streik)Aktion der KiTa-Beschäftigten im Zusammenhang mit dem Tarifkampf. Eine Koordination mit den gemeinsamen DGB-Aktivitäten steht hier offensichtlich noch aus.
Christian Gloede-Nowick, der Vorsitzende der Bremer GEW unterstützte im Namen seiner Gewerkschaft die Mobilisierung zum 1.3. und kündigte eine Urabstimmung zum Streik im öffentlichen Dienst an. Weitere Zusagen zur Demo kamen aus den evangelischen Kindertagesstätten, von Airbus, von der Gewoba sowie vom Autohaus Schmidt&Koch, wo die Arbeitszeit von 36 auf 44 Wochenstunden ohne Lohnausgleich verlängert werden soll.
Gegen Ende der Konferenz unterstützte Heino Berg im Namen der WASG die geplante Demonstration, begründete das mit der Notwendigkeit, den bisher zersplitterten Widerstand zu bündeln und vor allem die Einheit der Beschäftigten mit den Erwerbslosen zu verwirklichen. Die WASG werde mit Infoständen die Bevölkerung mobilisieren. Zur Vorbereitung dieser Aktionen wurde ein WASG-Flugblatt verteilt, das den ver.di-Streik unterstützt und zu einem Treffen am 16.2. im DGB-Haus einlädt.
Insgesamt wurde auf der Betriebsrätekonferenz nicht nur die Notwendigkeit, sondern auch die Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen sehr deutlich, gegen den Stellenabbau durch die Unternehmer und des Senats endlich gemeinsam und gleichzeitig zu handeln. Auch die Probleme bei der Mobilisierung wurden offen beim Namen genannt.
Helga Ziegert, die Bremer DGB-Vorsitzende, kündigte an, dass die Demonstration am 1.3. um 15.30 vom Hauptbahnhof zum Marktplatz führen werde und dass die zentralen Aufruf ab Freitag zur Verfügung stehen.
Anke Jungclaus und Alexander Brose (WASG Bremen), 15. Februar 2006