Europa: Rechtsextreme und faschistische Gefahr nicht vorbei

Bei den letzten Wahlen verloren rechtsextreme und faschistische Kräfte in einer Reihe europäischer Länder an Stimmen. Einige Kommentatoren und sogar einige Linke betrachtet damit das Problem als erledigt, die Gefahr als gebannt. Das Beispiel Österreich zeigt, wie falsch diese Hoffnung ist.
 
Im April 2005 spaltete sich die FPÖ. Diese Partei konnte an ihrem Höhepunkt 1999 27% der Stimmen erreichen, ging in die Regierung und verlor seit dem dramatisch an Unterstützung. Haider, der die FPÖ in ihrer Wachstumsphase führte, spaltete sich zusammen mit allen FPÖ-MinisterInnen und der Mehrheit der FPÖ-Parlamentsabgeordneten ab. Das abgespaltene Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), immer noch Regierungspartei, konnte niemals richtig abheben und erreichte bei den Wiener Gemeinderatswahlen im Oktober 2005 nur 1,15% und somit sogar weniger als die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ). Die Hauptaufgabe des BZÖ besteht in der Sicherung der Mehrheit für die bürgerliche Regierung.

Die Reste der „FPÖ alt“ fiel in den Umfragen unmittelbar nach der Spaltung auf magere 2-4% zurück. Viele gelangten zu dieser Zeit zur Ansicht, dass die FPÖ erledigt wäre. Die Sozialistische LinksPartei (SLP), österreichische Sektion des Komitees für eine Arbeiterinternationale (CWI), warnte, dass das Potential für rechtsextreme Kräfte immer noch vorhanden sei und dass aller Wahrscheinlichkeit nach die Rest-FPÖ noch weiter nach rechts rücken würde. Die Ereignisse in Wien im Oktober 2005 bestätigten unsere Perspektive.

Neue FPÖ-Führung: Noch weiter rechts

Die neue innerste Führungsriege der FPÖ setzt sich aus Andreas Mölzer (Abgeordneter zum Europäischen Parlament), der keinerlei Berührungsängste zu faschistischer Propaganda hat, Ewald Stadler, der für eine extrem reaktionäres Christentum steht und Heinz Christian Strache, dem neuen Vorsitzenden, der mittels aggressiver Rhetorik eine Art Kopie des frühen Haider repräsentiert, zusammen.

Im Wiener Gemeinderatswahlkampf organisierten sie eine extrem aggressive Anti-AusländerInnen-Wahlkampagne, die – wie bürgerliche KommentatorInnen feststellten – so gut wie keinen legalen Raum rechts der FPÖ ließ. Weit davon entfernt erledigt zu sein, erreichte die FPÖ in Wien 14,9% der Stimmen. Obwohl dies gegenüber der Gemeinderatswahl 2001 ein Rückgang war, bedeutete dieses Ergebnis einen Sieg für die FPÖ, die wie der „Phönix aus der Asche stieg.“

Nationale „Internationale“

Von 11. bis 13. November 2005 organisierte die FPÖ ein Treffen von elf rechtsextremen und faschistischen Parteien aus neun europäischen Ländern in Wien. Es nahmen unter anderem die französische Front National, der belgische Vlaams Belang, Ataka aus Bulgarien und die PRM aus Rumanien, die beide als rassistisch und antisemitisch gelten. Italienische Faschisten nahmen ebenso teil. Die neue polnische Regierungspartei PIS, eine rechte Law-and-Order-Partei, übermittelte eine Grußbotschaft. Das Ziel des Treffens war, eine engere Kooperation in der Zukunft zu erörtern. In der "Wiener Erklärung der patriotischen und nationalen Bewegungen und Parteien Europas" sprachen sie sich für „Schaffung eines Europas der freien und unabhängigen Nationen“, eine „pro-nationalistische Familienpolitik“ und „die Förderung des Kinderreichtums der europäischen Völker in der traditionellen Familie“ aus. Weitere Treffen, ein Büro in Wien und eine gemeinsame Kandidatur bei den nächsten Wahlen zum europäischen Parlament sind bereits in Planung. Ein Einzug einer gemeinsamen Liste ins europäische Parlament könnte bedeuten, dass sie Fraktionsstatus erreichen, der ihnen zusätzliche Möglichkeiten, Ressourcen und nicht zuletzt Geld verschafft.

Neue FPÖ – Neue Gefahr

Die neue FPÖ-Führung brachte den faschistischen Flügel, der auch vorher existierte und auch Haider beeinflusste, ins Zentrum der Partei. Die neue Führung hat ein Konzept mit stärkerer ideologischer Basis und stützen sich nicht in erster Linie auf Populismus. Sie haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und zeigen keine Ambitionen in näherer Zukunft wieder in eine Regierung zu gehen. Sie versuchen bewusst die Partei neu aufzubauen: Unmittelbar nach den Wiener Gemeinderatswahlen plakatierten sie statt der üblichen „Danke“-Plakate, welche die aufforderten, mit Ihnen aktiv zu werden. Sie verfügen über eine Schicht rechtsextremer Jugendlicher, die in ihrer Wahlkampagne aktiv waren und nach dem Erfolg der aggressiven Kampagne nun aufgeputscht sind. Es werden bereits vermehrt rassistisch motivierte Übergriffe, verbaler und physischer Natur, verzeichnet.

In der nächsten Periode ist es am wahrscheinlichsten, dass die FPÖ versucht, den gestiegenen Hass gegen die EU zu verwenden, um wieder an Boden zu gewinnen. Natürlich haben RassistInnen keine Antworten auf die zugrunde liegenden Probleme, in Ermangelung einer starken sozialistischen Kraft, bleiben diese Antworten aber oft die einzigen öffentlich wahrnehmbaren.

Die weitere Entwicklung der FPÖ ist zur Zeit noch offen. Der faschistische Flügel konnte seinen Einfluss stärken. Auf der anderen Seite werden sie auch in Zukunft gezwungen sein, populistische Forderungen, die nicht in ein faschistisches Weltbild passen, zur Stimmenmaximierung einzusetzen. Die wichtigste offene Frage im Zusammenhang mit der weiteren Entwicklung der FPÖ ist die Entwicklung der Klassenkämpfe in Österreich (Dies gilt auch für andere Länder). Österreich erlebte 2003 eine große Streikbewegung, aber seit dem sind weitere Angriffe der Regierung auf die ArbeiterInnenklasse nicht mehr mit vergleichbaren Streiks beantwortet worden. Doch gerade solche Bewegungen sind zentral für die Formierung einer neuen Partei für ArbeitnehmerInnen und Jugendliche, die einer rechtsextremen oder gar faschistischen Partei entgegentreten könnte.

von Sonja Grusch, Bundessprecherin der SLP (Schwesterorganisation der SAV in Österreich)