Zu den weltweiten Protesten gegen Mohammed-Karikaturen – Stellungnahme des CWI vom 7. Februar 2006
Die weltweiten wütendend moslemischen Proteste gegen die Publikation von Karikaturen, die Mohammed in verschiedenen europäischen Zeitungen bildlich darstellen, haben erneut den enormen Zorn gezeigt, der durch Bushs’ „Krieg gegen den Terror“ und die Invasion des Irak unter Muslimen provoziert wurde. Allerdings hat der Anlass, der Auslöser dieser Protesten war und ebenso ihr Charakter die Diskussion über einen Krieg der Zivilisationen beziehungsweise der Kulturen neu aufflammen lassen. Diese Entwicklungen sind eine scharfe Warnung bezüglich der Spannungen die sich entwickeln können, wenn eine starke sozialistische ArbeiterInnenbewegung, die eine Klassenalternative anbieten kann, fehlt.
von Robert Bechert, CWI
Die Millionen Muslime die ohnehin schon verbittert über die Politik der westlichen ImperialistInnen sind, haben diese Karikaturen als die letzte in einer langen Reihe von Provokationen und aggressiver Handlungen gesehen, wie die Besetzung von Afghanistan und des Irak und die Duldung von Israels Siedlungspolitik in immer größeren Teilen der Westbank. In einer Reihe arabischer Ländern haben die Proteste zumindest teilweise einen anti-imperialistischen Charakter angenommen, obgleich es scheint, dass das syrische Regime die Proteste in seinem eigenen Interesse nützt um den Westen zu warnen und gleichzeitig seine Interessen im Libanon wieder zu bestärken. In den europäischen Ländern, einschließlich Britanniens, gibt es darüber hinaus auch eine wachsende Wut unter Muslimen gegen die Erfahrungen mit einer Zunahme anti-islamischer Gefühle, größerer Polizeiüberwachung und -übergriffe.
In Dänemark, wo die Karikaturen erstmals in provozierender Art und Weise in einer rechten Zeitung veröffentlicht wurden, fühlen sich viele Moslems durch eine Reihe harter Gesetze gegen MigrantInnen, die seit 2001 von der Rasmussen-Regierung verabschiedet worden sind, bedroht. Diese Regierung, die von der Unterstützung der rechtsextremen Dänischen Volkspartei abhängt, verbietet MigrantInnen, die jünger als 24 sind, zu heiraten und hat auch festgelegt, die EhepartnerInnen von DänInnen, die nicht BürgerInnen eines EU-Landes sind, aus Dänemark auszuweisen. Gleichzeitig ist die dänische Regierung eine der stärksten UnterstützerInnen von Bush’s Politik und hat Truppen in den Irak geschickt.
Vor dem Hintergrund einer ihrer Ansicht nach permanenten Kampagne der Herabwürdigung in den Medien und der zunehmenden Schikanen und Bedrohungen, haben viele Muslime gegen die Publikation dieser Karikaturen protestiert. Die Tatsache, dass es hauptsächlich rechte Medien gewesen sind, die diese neuerlich abgedruckt haben, wird als Bestätigung gesehen, dass es eine tiefergehende rechte politische Tagesordnung gibt.
Aber der Charakter von einigen dieser Proteste, die auf eine Reihe von terroristischen Angriffen auf zivile westliche Ziele folgten, hat die schon existierende Tendenz der Spaltung in Muslime und Nicht-Muslime in einer Reihe von Ländern weiter verstärkt. Die extrem religiös-sektiererischen Plakate, die Nicht-Muslime mit „Tot“ bedrohen, die bei kleinen Protesten in London am 3. Februar mitgetragen wurden, können die rassistischen und religiösen Spaltungen vertiefen und außerdem der Regierung Argumenten liefern um ihre autoritären und sogenannten Anti-Terror-Gesetze zu rechtfertigen. Und das vor dem Hintergrund einer Situation, wo es europaweit Druck und Spannungen gibt – als Folge der Verlagerung von Jobs und erzwungener Migration die die Folge der kapitalistischen Globalisierung und der fortgesetzten neoliberalen Offensive der Kapitalisten sind.
Von allen Seiten versuchen Opportunisten, religiöse Sektierer und Rassisten die Situation auszunutzen. In arabischen Staaten nutzen rechte islamische religiöse Führer die Gelegenheit, neuerlich ihren Anspruch zu verstärken, die Opposition zum Imperialismus zu führen und außerdem ihren Einfluss in der Gesellschaft zu verstärken. Selbst wenn die Versuche von offizieller Seite die Situation zu beruhigen in den nächsten Tagen Wirkungen zeigen sollten, werden doch die tieferliegenden Spannungen von beruhigenden Wörter und Appellen nicht beseitigt werden.
Was in den letzten Tagen gefehlt hat, ist eine starke sozialistische Stimme, die unabhängig auftritt und verhindert, das die Situation durch religiöse Sektierer oder Rassisten missbraucht wird. Leider überrascht das nicht angesichts der heutigen politischen Schwäche der Arbeiterbewegung in vielen Ländern. Aber solange die Arbeiterbewegung international keinen Ausweg anbieten kann, könnte die kommende Periode von sozialen Krise dazu führen, dass Länder und Gesellschaften durch unzählige Spaltungen, inklusive religiöser, ethnischer und nationaler, auseinandergerissen werden.
Was sollte die sozialistische Antwort angesichts der gegenwärtigen Welle von Protesten sein und was angesichts der Behauptungen von Konservativen und einiger rechter christlicher AnführerInnen, sie würden die Redefreiheit verteidigen?
Erstens stehen SozialistInnen in vollständiger Opposition zu jeder Unterdrückung, die auf Religion, Ethnie, Nationalität, Geschlecht oder sexueller Orientierung beruht. Und SozialistInnen unterstützen das Recht der Unterdrückten sich zu verteidigen. Wir arbeiten am Aufbau einer vereinigten Bewegung der Menschen aus der ArbeiterInnenklasse um gegen Unterdrückung und Kapitalismus zu kämpfen und damit zu beginnen eine sozialistische Zukunft aufzubauen.
Dies bedeutet auch, gegen die Produktion von jedem Material zu sein, das benutzt wird, um religiöse, ethnische, nationale oder sexuelle Spaltungen zu verursachen oder zu vertiefen. Dieses schließt die Opposition zu der ununterbrochenen rassistischen Propaganda oder auch der entsprechenden Untertöne, die in Teile der Massenmedien in fast jedem europäischen Land gesehen werden können, ein.
Gleichzeitig ist die Arbeiterbewegung stets an der Spitze des Kampfes gestanden um demokratische Rechte, einschließlich der Meinungsfreiheit und des Wahlrechtes, zu erlangen und zu verteidigen. Während SozialistInnen die Produktion von rassistischem oder faschistischen Material ablehnen, verteidigen sie das Recht, Kritik und auch sarkastische Kritik, zu äußern. Dasselbe können die wichtigsten etablierten Religionen nicht von sich behaupten, die, alle zu unterschiedlichen Zeiten, die freie Meinungsäußerung mit Füssen getreten haben.
In Europa und in den USA versuchen manche das Bild zu zeichnen, es würde sich ein Zusammenstoss der Zivilisationen, zwischen Christentum und Islam – bei dem das Christentum die Freiheit repräsentiert – entwickeln. Dieses Bild ist absolut falsch. Für die größte Zeit ihre Existenz waren die Spitzen aller etablierten christlichen Kirchen sehr zufrieden damit, Teil jener Elite zu sein, die autoritäre und diktatorische Gesellschaften beherrschten. Wie sogar die Financial Times anmerkte „der „christliche“ Westen hat gegen harten Widerstand des reaktionären Klerus den Weg in die Moderne gefunden.“ Millionen wurden in den Kriegen zwischen unterschiedlichen christlichen Konfessionen getötet, dazu kommt die Inquisition, die Sklaverei, das Gemetzel an den indigenen AmerikanerInnen und die Hexenverfolgung – das sind nur einige der historischen Verbrechen der Führer der christlichen Kirchen.
Aber das gilt nicht nur für die christlichen Kirchen. Die Führung der anderen etablierten Religionen haben eine ähnliche Rollen gespielt. Das gilt für die jüdischen Religionsführer die die Vertreibung der PalästinenserInnen aus ihrer Heimaten mit der Begründung rechtfertigen, dass Gott das Land den Juden gegeben hätte. Das gilt auch für prominente Buddhisten die an der Spitze der Angriffe gegen tamilische Hindus in Sri Lanka stehen.
Während die westlichen Medien häufige auf islamische Fundamentalisten hinweisen, finden sich keineswegs nur im Islam extreme Fundamentalisten unter seinen Anhängern. Pat Robertson, einer von Bushs Lieblings-Fernsehpredigern, sagte letzten Monat, dass der Schlaganfall von Ariel Sharon die Strafe Gottes für den Rückzug israelischer SiedlerInnen aus dem Gaza-Streifen sei. Letztes Jahr hatte Robertson zur Ermordung von Venezuelas radikalem Präsidenten Hugo Chavez aufgerufen. In Indien haben hinduistische Fundamentalisten wiederholt Angriffe auf die moslemische Minderheit durchgeführt, wie 1992 die Zerstörung 1992 der Moschee in Ayodhya oder 2002 die Zusammenstösse von Gujarat.
SozialistInnen treten gegen alle rassistischen, religiösen oder der sexistischen Versuchen zu spalten auf, sie treten für Aktionen der ArbeiterInnen gegen solche Versuche ein und streben den vereinigten Kampf der Arbeiterklasse gegen Unterdrückung und Kapitalismus an.
SozialistInnen verteidigen die Rechte von Menschen die nicht an einen Gott glauben ebenso wie die Rechte von Gläubigen und sehen den Glauben als Privatsache an. Sie sehen kein Problem darin wenn Gläubige und AtheistInnen nebeneinander in der Arbeiterbewegung kämpfen. Im Gegenteil sind SozialistInnen bemüht, alle ArbeiterInnen im gemeinsamen und kollektiven Kampf zu vereinigen. Aber gerade weil SozialistInnen Glauben als eine Privatsache sehen bedeutet das auch, dass SozialistInnen für die vollständige Trennung von Kirche und Staat eintreten, für das Recht gegen Religion zu polemisieren und alle Versuche zurückweisen, das eine Religion anderen Religionen oder Menschen die nicht gläubig sind, irgendetwas vorschreibt.
Wir verteidigen die demokratischen Rechte von allen, Menschen die nicht gläubig sind ebenso wie von Gläubigen, ihre Meinung auszudrücken. Dieses schließt das Recht ein, anti-religiöses Material zu produzieren, egal ob es philosophisch oder satirisch ist. Das ist der Grund, warum SozialistInnen die Versuche christlicher FundamentalistInnen, das „Jerry Springer“ Musical zu verbieten ebenso zurückweisen wie die Angriffe von einigen Sikhs auf die Aufführung des Stückes Behzti in Birmingham 2004.
SozialistInnen weisen alle Versuche zurück Muslime zu stigmatisieren – SozialistInnen bekämpfen gleichzeitig aber die widerlichen Angriffe von islamischen Reaktionären gegen Homosexuelle und Frauenrechte. Wir lehnen auch das anti-semitische Material ab, das unter dem Vorwand, gegen israelische Politik zu sein, in vielen arabischen Ländern produziert wird. Die meisten islamischen Staaten, die gegen die dänischen Karikaturen protestiert haben, sind autoritäre Regime mit einer brutalen Geschichten der Unterdrückung ihrer eigenen Bevölkerungen.
Heute ist es eine zentrale und äußerst wichtige Aufgabe der ArbeiterInnenbewegung die Spaltung der ArbeiterInnenklasse zu verhindern, die nur dazu führen, gemeinsame Kämpfe zu blockieren und verhindern. Dies bedeutet gegen Repression einzutreten und demokratische Rechte zu verteidigen und gleichzeitig zu versuchen, eine vereinigte Bewegung aufzubauen, die den Kapitalismus herausfordert und für eine sozialistische Zukunft kämpft.