Die Debatte um Regierungsbeteiligung

Eine Antwort von Sascha Stanicic auf den Beitrag von Stefan Müller (geschäftsführender Landesvorstand Berlin) 
 

Anmerkungen zur Konferenz über Regierungsbeteiligung am 28. Januar 2006

von Stefan Müller (Mitglied im geschäftsführenden Landesvorstand), 1. Februar 2006

Unsere Konferenz zu Regierungsbeteiligungen am 28.01.06 im IG Metall Haus hat eine Reihe von Fragen aufgeworfen, auf die ich im folgenden mit vier Thesen eingehen möchte.

1. Ausgangspunkt unserer Politik kann nicht sein, lediglich "linkere" Forderungen als die Berliner PDS zu stellen. Die Berliner PDS ist nach ihrer Gründung aus der SED mit einem sozialistischen Anspruch angetreten und wollte insbesondere ostdeutsche Interessen im Vereinigungsprozess vertreten. Zudem finden sich in der Berliner Linkspartei.PDS eine Reihe ehemaliger GenossInnen aus westdeutschen trotzkistischen und sozialistischen Organisationen. Am Anspruch und den in den vergangenen 15 Jahren formulierten Grundsatz- und Wahlprogrammen kann es nicht gelegen haben, dass die Linkspartei.PDS in Berlin inzwischen zur Trägerin von Sozialabbau und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen geworden ist.

Das Bundesprogramm der WASG und auch die Landespolitische Erklärung der Berliner WASG enthalten im Kern radikalreformerische Forderungen, die aber keine über den Kapitalismus hinausweisenden Perspektiven oder Utopien formulieren. Entsprechend kritisch beäugen Teile der Linkspartei.PDS unsere "bürgerlich-reformerische" Westpartei.

Statt jeweils noch "linkere" Forderung aufzustellen kommt es darauf an, ein politisches Projekt zu formulieren. Dies kann unter den gegebenen Bedingungen in Berlin nur eine radikale und soziale Opposition sein. Heilsversprechungen nach dem Muster, "wenn es eine wirklich linke Regierung in Berlin gäbe", führen in die Irre. Auch eine "wirklich linke Regierung" hätte mit einer Haushaltsnotlage zu kämpfen. Die gesellschaftlich  notwendige Umverteilung von Reichtum – z.B. Arbeitszeit bei Lohnausgleich, Mindestlöhne – gelingt jedoch nur auf Basis eines neuen linken Aufbruchs. Für diesen Aufbruch – d.h. Selbstorganisierung der Menschen für ihre Interessen – braucht es auch eine Partei.

Wollen wir eine Alternative in der politischen Landschaft (Berlins) darstellen, müssen wir einen Gebrauchswert als Bestandteil eines gesellschaftlichen Aufbruchs entwickeln. Nur unter diesen Gesichtspunkten ist die Fragen nach einer Regierungsbeteiligung sinnvoll zu beantworten: Nutzt es den Menschen, den sozialen Initiativen und Verbänden, Gewerkschaften, den lohnabhängig Beschäftigte wie Erwerbslosen bei der Formulierung und Vertretung ihrer Interessen? Ob wir ein zehn Euro günstigeres Sozialticket fordern als die Linkspartei.PDS ist solange uninteressant, wie wir nicht auch die Möglichkeiten formulieren, dies umzusetzen.

2. Die Linkspartei.PDS ist keine neoliberale Partei. Ihre Mitglieder und WählerInnen sind nicht die Profiteure der Globalisierung sondern mehrheitlich ihre Verlierer. Auch die Funktions- und MandatsträgerInnen der Linkspartei.PDS sind nicht die politischen Stellvertreter des "globalisierten Kapitals".

Die Politik der Linkspartei.PDS in Berlin mag man als sozialdemokratisch oder auch – so wie es Michael Prütz getan hat – als sozialliberal bezeichnen; entscheidend ist ihr Versuch, unter der Prämisse der Haushaltskonsolidierung das "kleinere Übel" zu spielen. Was kaum gelingen kann. Denn das "kleinere Übel" muss sich beständig gegen das "kleine Gute" stellen – den Protest und Widerstand der Menschen in dieser Stadt gegen Sozialabbau, Privatisierungen, Lohnabbau und in der Zukunft auch gegen Zwangsumzüge.

Sozialabbau kann nicht das alleinige Kriterium für Neoliberalismus sein, denn der Abbau sozialer Standards (bzw. dessen Versuch) ist elementarer Bestandteil der politischen Ökonomie des Kapitalismus. Das bedeutet zugleich, dass der Gegner woanders steht. Die Frage lautet, ob die Linkspartei.PDS in der Lage ist, sich als soziale und radikale Opposition aufzustellen und mit der WASG an einem gemeinsamen politischen Projekt zu arbeiten – im Bund und in Berlin – oder weiterhin versucht, unter rein administrativen Gesichtspunkten das "Elend" regierbar zu machen. Die Frage lautet aber nicht, ob sie neoliberal ist.

3. Das von Thiess Gleiss (Bundesvorstand) auf der Konferenz aufgeworfene Problem, dass wir mit einem Ergebnis von 4,9 Prozent im September zu den großen Verlierern gehören, darf nicht ignoriert werden. Der Berliner Landesverband ist keine Regionalpartei, die mit einer Perspektive von fünf oder zehn Jahren versucht ins Abgeordnetenhaus zu gelangen und auf Basis von 4,9 Prozent einen oder zwei weitere Anläufe organisieren kann. Wir sind Teil einer Bundespartei, die aktuell das Ziel hat, in anderthalb Jahren mit der Linkspartei.PDS zu fusionieren. Die Frage lautet deshalb: Haben wir in anderthalb Jahren eine Fraktion, die wir als politisches Gewicht in den Fusionsprozess einbringen können, oder stehen wir politisch mit leeren Händen dar.

Gelingt es uns nicht, mit einer differenzierten Sachkritik und einem eigenen oppositionellen Politikangebot ins Abgeordnetenhaus einzuziehen, zeigt dies die Schwäche unserer Argumente und unserer Kritik an der Berliner Senatspolitik.

Die Konferenz vom 28.1.06 kann man aufgrund der Teilnehmerzahl von rund 200 Menschen als Erfolg betrachten. Wir müssen uns aber ernsthaft fragen, welche Ausstrahlung die Konferenz tatsächlich hatte. Wie viele Menschen waren dort, die nicht vorher schon überzeugte KritikerInnen der Berliner Landespolitik waren? Welche reale Ausstrahlungskraft hatte die Konferenz auf die anderen WASG-Landesverbände? Wie viele der Gäste waren wirklich "neugierig" auf die Berliner Debatte?

Das Ziel muss sein, die 5-Prozent-Hürde zu überspringen. Dies wird uns aber nur gelingen, wenn wir uns inhaltlich wesentlich breiter aufstellen. Wenn wir für unsere Veranstaltungen eine Anziehungskraft über die sowieso schon Überzeugten hinaus erlangen, kommen auch die KollegInnen aus unserem Bundesvorstand und der Berliner Linkspartei.PDS nicht umhin, sich mit uns aufs Podium zusetzen. Angesichts der immer noch ungeklärten öffentlichen Foren mit der Linkspartei.PDS ist dies überlebensnotwendig. Wenn wir aber anstatt Ausstrahlungskraft zu entwickeln der Meinung sind, die Linkspartei.PDS hätte sich auf der Konferenz "Nachhilfestunden" holen können, erreichen wir das genaue Gegenteil. Wir isolieren uns!

4. Der eventuelle eigenständige Wahlantritt und die damit verbundene Frage einer Regierungsbeteiligung in Berlin ist kein Präzedenzfall für die WASG. Die Frage von "Gestaltung" in den hessischen und niedersächsischen Kommunen (beide Wahlen in diesem Jahr) oder das Problem, Zünglein an der Wage in Bremen zu werden (Frühjahr 2007), können und dürfen wir nicht von Berlin aus beantworten. Wir können und müssen politische Bedingungen für Regierungsbeteiligungen formulieren. Wir können darüber aber nicht – wie auch im Leitantrag des Landesvorstandes für den 4.Landesparteitag formuliert – per "Paukenschlag" entscheiden. Wir werden in Berlin möglicherweise zu anderen Ergebnissen kommen als unsere KollegInnen in Hessen , Niedersachsen und Bremen. Wenn wir für unseren Landesverband das Recht und die Kompetenz postulieren, über unsere Form der Wahlbeteiligung zu entscheiden, werden wir dies den anderen Landesverbänden ebenfalls zugestehen müssen.

Jeder und jede, die von Berlin aus eine Präzedenzentscheidung über Regierungsbeteiligung in der Gesamtpartei herbeiführen will, gefährdet unser Projekt eines begründeten und nichtsektiererischen Antritts zu den Abgeordnetenhauswahlen. Wer die "Entscheidungsschlacht" sucht, kann auch ganz entschieden verlieren.

Wir werden auf unserem 4. Landesparteitag und in der folgenden Urabstimmung über die Form unseres Wahlantritts entscheiden und zumindest indirekt damit auch über unsere Bedingungen in Fragen der Regierungsbeteiligung. Wir entscheiden aber nicht über das prinzipielle Ob des Zusammengehens mit der Linkspartei.PDS – weder in Berlin noch auf Bundesebene. Das machen wir im Jahr 2007. Allerdings wird unsere Entscheidung Einfluss auf die politische Substanz des Bündnisses und eine neuen Linken haben.
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Einige Anmerkungen zu Stefan Müllers „4 Thesen“

Stefan Müller schreibt in seinem Thesenpapie, dass der „Ausgangspunkt unserer Politik nicht sein kann, lediglich "linkere" Forderungen als die Berliner PDS zu stellen." Auch wenn niemand in der WASG diese These vertritt, kann man ihm nur zustimmen. Ausgangspunkt unserer Politik muss die Verteidigung der Interessen von abhängig Beschäftigten, Erwerbslosen, Jugendlichen und RentnerInnen sein. Unser Minimalkonsens sollte daher sein, dass wir jede Form von Sozialabbau, Privatisierung, Tarifflucht und Arbeitsplatzvernichtung ablehnen. Ausgangspunkt ist aber auch die These, dass diese Gesellschaft reich genug ist, um allen Menschen einen weitaus besseren Lebensstandard zu sichern, dies aber durch die Verteilung des Reichtums und die Macht- und Eigentumsverhältnisse verhindert wird. Ausgehend von dieser Feststellung werfen wir Forderungen auf, die die Umverteilung des Reichtums von oben nach unten in den Mittelpunkt stellen. Solche Forderungen sind zwangsläufig links von der Berliner PDS, denn diese praktiziert eine Politik des Sozialabbaus, der Privatisierung, der Tarifflucht, der Arbeitsplatzvernichtung. Wenn unsere Forderungen nicht links von der Berliner PDS wären, würden wir etwas falsch machen.

Aber Stefan geht es darum, dass man nicht nur Forderungen aufstellen soll, sondern auch deren Umsetzungsmöglichkeiten formulieren soll. Dabei erweckt er aber leider den Eindruck, dass eine „wirklich linke Regierung“ keine andere Politik im Berliner Senat betreiben könnte und vertritt, ob gewollt oder ungewollt, die These der Alternativlosigkeit zu dieser Politik, die wir sonst von der PDS kennen.

Es ist richtig, dass die Probleme Berlins nicht allein in Berlin zu lösen sind, sondern nur durch weitreichende gesellschaftliche Veränderungen. Es ist auch richtig, dass für solche gesellschaftlichen Veränderungen ein breiter Widerstand nötig ist: Massenbewegungen, Selbstorganisation, eine neue Partei.

Daraus ergibt sich aber nicht, dass eine andere Senatspolitik grundsätzlich ausgeschlossen wäre, wenn die Linke über eine absolute Mehrheit verfügen würde. Stefan führt an, dass auch eine „wirklich linke Regierung“ mit der Haushaltsnotlage zu kämpfen hätte. Mal ganz abgesehen davon, dass man auch ohne einen Cent mehr Geld in der Landeskasse viele Dinge anders machen könnte und auch abgesehen davon, dass das Land Berlin die Gewerbesteuer erhöhen könnte und weitere Schulden zur Investitionsfinanzierung machen könnte, solange die gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse noch nicht verändert sind: eine linke Regierung könnte als Teil des außerparlamentarischen Widerstandes einen effekiven Kampf an der Seite der Gewerkschaften und Protestbewegungen für mehr Geld vom Bund führen. Das wäre auch ein Beitrag zu dem von Stefan etwas abstrakt eingefordrten "neuen linken Aufbruch". Das Beispiel des sozialistischen Stadtrates von Liverpool aus den 80er Jahren ist dafür ein Beleg (siehe hier). Eine Regierung dürfte nicht Verwaltung sein, sondern müsste sich mit den Herrschenden in diesem Land anlegen, um Geld für Soziales und für Löhne locker zu machen.

Aber zur Zeit steht eine solche linke Mehrheitsregierung tatsächlich nicht auf der Tagesordnung, deshalb bleiben wir nach dem 17.9. in der Opposition und hätte die PDS auch in der Opposition bleiben sollen. Denn ohne eine linke Mehrheit kann es in einer Landesregierung auch keine linke Politik geben. Es ist nur falsch, wenn Stefan der These der Alternativlosigkeit der Senatspolitik auf den Leim geht.

Irritierend wird Stefans Text, wenn er darauf hinweist, dass die WASG in Hessen, Niedersachsen und Bremen möglicherweise auf komunaler bzw. Landesebene Entscheidungen für Regierungsbeteiligungen fällen wird (wobei dieser Begriff bei Kommunen nicht ganz zutreffend ist). Stefan schlägt zwar politische Bedingungen für Regierungsbeteiligungen vor, formuliert diese aber nicht. Wir in Berlin sollen uns aber nicht einmischen und auch nicht mehr davon reden, dass Berlin ein Präzedenzfall ist. Stefan macht es kompliziert, wo es doch recht einfach ist. Unsere Bedingung sollte sein: keine Beteiligung an Sozialabbau, Privatisierungen, Arbeitsplatzvernichtung. Auf dieser Basis wurde zum Beispiel in Köln eine gemeinsame Fraktion von Linkspartei.PDS und dem für ein lokales Wahlbündnis im Stadtrat vertetenen SAV-Mitglied gebildet. Diese Bedingung ist in Köln so richtig, wie in Berlin, Bremen, Hannover und Wiesbaden. Wird sie hier in Berlin gebrochen, wird es in anderen Teilen der Republik für die rechtssozialdemokratischen Kräfte in der WASG und der Linkspartei.PDS einfacher sie auch dort zu brechen.

Wieso der Hinweis darauf, dass die sogenannte „Berliner Frage“ eine Präzedenzfrage ist, „unser Projekt eines begründeten und nichtsektiererischen Antritts zu den Abgeordnetenhauswahlen“ gefährdet, bleibt Stefans Geheimnis. Nicht nur Rosa Luxemburg hat darauf hingewiesen, dass man die Wahrheit aussprechen soll und eines ist doch klar: setzen sich in Berlin die Regierungssozialisten gegen uns durch, wird die Opposition gegen eine Strategie der Beteiligung an möglichst vielen Landesregierungen bis zur nächsten Bundestagswahl enorm geschwächt. Darum wird die Auseinandersetzung um Berlin ja auch bundesweit mit einer gewissen Schärfe geführt.

Die Augen reibt man sich dann aber bei folgender Aussage von Stefan: „Gelingt es uns nicht, mit einer differenzierten Sachkritik und einem eigenen oppositionellen Politikangebot ins Abgeordnetenhaus einzuziehen, zeigt dies die Schwäche unserer Argumente und unserer Kritik an der Berliner Senatspolitik.“ Gleichzeitig sagt er, dass wir beim Verfehlen der 5-Prozent-Hürde mit „leeren Händen“ dastehen.

Es gibt das Potenzial fünf Prozent und mehr zu erreichen, denn Hunderttausende sind wütend über den Verrat der PDS und selber Opfer der Senatspolitik. Wir können selbstbewusst und überzeugt in den Wahlkampf gehen und das Ziel formulieren, den Einzug in das Abgeordnetenhaus zu schaffen. Es kann aber keine Garantie auf das Erreichen der fünf Prozent geben. Jeder, der das behauptet, handelt verantwortungslos. Ein Verfehlen dieses Ziels macht unsere Argumente und unsere Kritik auch nicht schwächer. Und Stefan weiß genauso gut, wie jedes WASG-Mitglied, dass Wahlkampf nicht einfach ist – vor allem wenn man wenig Geld und evtl. den Bundesvorstand der eigenen Partei gegen sich hat. Trotzdem ist es nötig, den von Sozialkürzungen Betroffenen eine linke politische Stimme anzubieten, sonst sind die Rechten die einzige Opposition zum Senat. Deshalb ist es falsch, an die Frage der eigenständigen Kandidatur nur vom Blickwinkel des bundesweiten Neuformierungsprozesses – der bei Stefan jetzt leider auch schon Fusionsprozess heißt – heranzugehen. Die Notwendigkeit einer solchen Kandidatur ergibt sich zuallererst aus den sozialen Auseinandersetzungen und Kräfteverhältnissen in Berlin.

Erfolg oder Misserfolg der Kandidatur sollte man auch nicht nur an der Stimmenzahl messen: wieviele Mitglieder gewinnen wir, wieviele außerparlamentarischen Proteste können wir im Wahlkampf fördern, wie weit verankern wir uns in den Stadtteilen und sozialen Bewegungen – das sind Fragen, die auch von großer Bedeutung sind.

Die Kritik an der Konferenz vom 28. Januar stellt die Dinge auf den Kopf. PDS, Bundestagsfraktion und Bundesvorstands-Mehrheit sind nicht gekommen, weil sie uns nicht aufwerten wollten. Das war Teil einer Kampagne gegen die Mehrheit des Berliner Landesverbands und hat nichs mit mangelnder inhaltlicher Breite zu tun. Angesichts dieser Kampagne sollten die Reihen geschlossen werden und keine nebulöse Kritik an der besten Veranstaltung geübt werden, die die Berliner WASG seit Monaten durchgeführt hat.

Stefan betont, dass die PDS nicht neoliberal ist. In der Analyse kann man ihm nur zustimmen, denn tatsächlich ist die LP.PDS keine Partei, die die neoliberale Ideologie voran treibt, übrigens auch in Berlin nicht. Hier exekutiert sie die Vorgaben neoliberaler Politik im Bund und macht sich zur Mittäterin. Stefans Schlussfolgerung, der Gegner sei woanders, ist deshalb auch nicht zuzustimmen. Es gibt nicht nur einen Gegner, denn CDU, SPD, FDP, die Grünen und vor allem die Kapitalisten sind auch Gegner. Aber die Führung der Berliner Linkspartei.PDS ist auch eine Gegnerin von sozialer Politik in dieser Stadt. Deshalb muss man auch gegen sie kämpfen, demonstrieren, streiken – und kandidieren! Denn Sozialabbau bleibt Sozialabbau, egalb ob mit neoliberalen, keynesianischen oder pseudo-sozialistischen Rechtfertigungen. Deshalb ist die Frage, ob die Linkspartei.PDS neoliberal ist völlig uninteressant für die Entscheidungsfindung der WASG Berlin.

Interessanter ist da schon die Frage, warum die PDS so geworden ist, wie sie heute ist. Stefan vertritt die Meinung, dass dies nicht "am Anspruch und den in den vergangenen 15 Jahren formulierten Grundsatz- und Wahlprogrammen gelegen haben kann". Es würde den Rahmen dieses Textes sprengen, diese Frage ausführlich zu behandeln. Eine ausführliche Bilanz der Entwicklung der PDS findet sich hier.

Auf eines sei aber hingewiesen: der Anspruch der PDS war in den letzten Jahren viel mehr, in dieser kapitalistischen Bundesrepublik "anzukommen" als eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft zu erreichen. Dementsprechend ordnete sie vielfach ihre Tagespolitik eher der Akzeptanz im bundespolitischen Parteiensystem, als der Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse in Richtung Sozialismus unter. Auch die Programmatik der PDS wurde in den letzten Jahren weitgehend und qualitativ verwässert. Zuerst wurde der Sozialismus von einer konkreten zu erreichenden Gesellschaftsform zu einem Wertesystem und Bewegung gemacht, mittlerweile bezieht sich das PDS-Programm sogar positiv auf einige der Grundfesten der kapitalistischen Ökonomie: Markt, Privateigentum, Profit. Die Anpassung der PDS-Führung an die realkapitalistischen Verhältnisse hat sehr wohl eine Entsprechung in ihrer Programmatik. Aber selbst, wenn das nicht der Fall wäre: Papier ist geduldig. Was zählt, sind Taten.

Sascha Stanicic, 4.2.2006