Das Weltsozialforum 2006 in Venezuela
Dieses Jahr findet das Weltsozialforum erstmals auf drei Kontinenten gleichzeitig statt: In Bamako (Mali), Karachi (Pakistan) und Caracas (Venezuela). Unter dem Motto „Widerstand gegen den Imperialismus" begann gestern die Veranstaltung auf dem lateinamerikanischen Kontinent mit einer Großdemo.
Michael O´Brien, zur Zeit Caracas
Rund 15.000 TernehmerInnen zählte die Demo, die zur Eröffnungsveranstaltung des Weltsozialforums in Caracas führte. In erster Linie nahmen die Chávez unterstützenden Schichten vor Ort und internationale Forums-Gäste daran teil. Unter ihnen die linken Parteien, NGOs, Menschenrechtsorganisationen und Gruppen zur Unterstützung der unterdrückten indigenen Bevölkerung.
Die Demo fand während eines regulären Werktages statt und es machte nicht den Anschein, als sei der Versuch unternommen worden, weitere Teile der venezolanischen Bevölkerung zu mobilisieren. Ein organisiertes Auftreten des Gewerkschaftsbundes UNT war ebenso wenig festzustellen wie etwa des MVR (Chávez´ Bewegung für die fünfte Republik, die die letzten Wahlen haushoch für sich entscheiden konnte).
CWI-Mitglieder aus Chile, Brasilien, den USA, Deutschland, Großbritannien, Irland und Belgien nahmen an der Demo teil und verteilten Flugblätter, die den „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ zum Thema hatten. DemonstrantInnen hinterließen ihre Kontaktadressen, um sich für weitere Diskussionen mit uns zu verabreden.
Abseits des WSF nahmen wir CWI-Mitglieder jede Möglichkeit wahr, um uns mit ArbeiterInnen zu treffen und den weiteren Verlauf des revolutionären Prozesses in Venezuela zu diskutieren. Schließlich muss klar sein, dass es neben den sehr wichtigen und auch erfolgreichen Sozialreformen der Regierung Chávez immer noch und immer wieder Angriffe auf die Arbeiterklasse gibt. Das liegt schlichtweg daran, dass sich der Großteil der Wirtschaft Venezuelas einfach immer noch in Privatbesitz befindet.
Gestern zum Beispiel traf ich auf eine Demonstration von einigen hundert entlassen Beschäftigten der CANTV (Telekom) vor dem Parlamentsgebäude der Hauptstadt. Es ging darum, dass den KollegInnen die ihnen zustehenden Renten von der Firma nicht ausbezahlt werden. Jorge, einer der Protestierenden, erklärte mir, dass CANTV noch staatlich war, als er dort beschäftigt war. Die Privatisierung hat ihn jedoch arbeitslos werden lassen. Seiner Meinung nach müsste die Regierung zeigen, dass sie sich um die Alten kümmert und CANTV dazu zwingen, die Renten noch aufzustocken. Statt dessen sei das Vermächtnis der neoliberalen Offensive der 1980er und -90er Jahre heute immer noch spürbar.
Unglücklicher Weise sind die Probleme und Sorgen der ArbeiterInnen und Armen nicht die zentralen Themen des diesjährigen WSF. Auch Fragen, wie etwa die venezolanische Revolution erfolgreich weitergehen kann und was mensch unter „Sozialismus“ zu verstehen hat, machen nicht den Schwerpunkt der Debatten aus. Fest steht hingegen, dass die sich organisierende Arbeiterklasse, die Armen und die AktivistInnen in den Communities Raum brauchen, um sich genau über diese Dinge auszutauschen.