Umbrüche in China

von Peter Taaffe (April 2005)

Einleitung

Schon vor dem Auftreten der kürzlich erlebten Spannungen zwischen China und Japan war China im Mittelpunkt des Interesses der ganzen Welt.

Dies ist jetzt noch stärker der Fall. Der Japanische Premierminister Koizumi hat, angesichts großer Demonstrationen in China und Angriffe auf Japanische Geschäfte, einige Forderungen aus Beijing erfüllt und sein „tiefstes Bedauern“ für die Kriegsverbrechen, die in den 1930er Jahren und während des Zweiten Weltkrieges vom Japanischen Imperialismus begangen wurden. Hinter diesen Demonstrationen in Shanghai und einigen anderen Städten (siehe vorherige Berichte auf der CWI-Website) steckt ein gewaltiger Konkurrenzkampf zwischen der emporkommenden Macht China und Japan, unterstützt durch die USA, um die Vorherrschaft in Asien.

In diesem Konflikt hat das Chinesische Regime an tiefverwurzelte Gefühle des Chinesischen Nationalismus appelliert. Diese Gefühle entstammen dem berechtigten Glauben der ChinesInnen, dass sie im Laufe der Geschichte Opfer zahlreicher Ungerechtigkeiten waren, die ihnen durch die kapitalistischen Mächte des Westens zugefügt wurden. Sie verstehen dass China eine bedeutende Macht war – in vielerlei Hinsicht sogar weiter entwickelt als der Westen – vor der Entwicklung des Kapitalismus in Europa und der darauf folgenden Besetzung Chinas durch den Imperialismus und seinen Verbündeten. Hinzu kommt das furchtbare Leiden der Menschen in China unter dem Japanischen Imperialismus vor allem in den 1930er Jahren und während des Zweiten Weltkrieges. Deswegen haben seitdem anti-Imperialistische und vor allem anti-Japanische Gefühle eine wichtige Rolle in der „Chinesischen Psyche“ gespielt. In einigen Fällen hat sich dieses Element in einem fortschrittlichen Sinne manifestiert. So demonstrierten zum Beispiel im Mai 1919 StudentInnen in Beijing gegen die Übergabe Deutscher Kolonien an Japan im Rahmen des Vertrages von Versailles. Was als anti-japanische Demonstration begann verwandelte sich rasch in eine Massenbewegung gegen den schwachen, rückwärtsgewandten und autoritären chinesischen Kapitalismus der damaligen Zeit. Die herrschende Elite heute fürchtet einen ähnlichen Verlauf der jüngsten Demonstrationen und bemühte sich, diese schnell wieder zu beenden.

Angesichts des Untergangs der stalinistischen Ideologie blieb dem zunehmend kapitalistischen Regime Chinas alleine der Nationalismus als verlässliches Mittel um China zusammen zu halten. Um dies zu machen, haben sie sich auf die Geschichte bezogen. Mao stützte sich ebenfalls auf den chinesischen Nationalismus, genau wie Deng Xiaoping, dem geistigen Vater von Chinas Entwicklung hin zum Kapitalismus, der „patriotische Museen“ ins Leben rief, die sich hauptsächlich mit Japanischen Gräueltaten beschäftigten. Auf ähnlicher Weise gingen anti-japanische Proteste der Revolution auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Jahre 1989 voraus – ein Ausdruck davon, wie Demonstrationen gegen den Japanischen Militarismus sehr schnell in Kritik des chinesischen Regimes umschlagen können.

Die jüngsten Demonstrationen speisen sich aus dem Reservoir des legitimen Unmutes der ChinesInnen aufgrund der Gräueltaten, die die japanische herrschende Klasse an sie verübt hat, dennoch erfuhren diese Demonstrationen zumindest ein Stück weit Unterstützung seitens der Regierung. Wer in China Demonstrationen organisiert, muss meistens mit sofortiger Festnahme rechnen. Es gab eine Reihe von Faktoren, die zu diesen Demonstrationen geführt haben. Die herrschende Klasse Chinas war verärgert über Japans Forderungen nach einem Sitz im UN-Sicherheitsrat , über die Weigerung des japanischen Premierministers Koizumi, sich auf angemessene Weise für die Kriegsverbrechen Japans zu entschuldigen, über die Remilitarisierung Japans und über den Konflikt um Zugriff auf Energieressourcen im südchinesischen Meer. Offenbar wurden bereits 17 Mal Entschuldigungen für japanischen Kriegsverbrechen ausgesprochen, doch diese waren immer wenig überzeugend und haben auf Chinesischer Seite eher mehr Wut verursacht. So wird etwa das Massaker von Nanjing, bei dem 1937 Schätzungsweise 300.000 ChinesInnen durch Japanische Streitkräfte ermordet wurden, in Japanischen Schulbüchern lediglich als „Zwischenfall“ bezeichnet.

Es ist möglich dass Koizumi angesichts der Demonstrationen in China und der Befürchtung, dass sich diese Situation, etwa wenn es zu einem Boykott kommt, negativ auf die Wirtschaft beider Länder auswirken könnte, versuchen wird, die Situation vorübergehend zu beruhigen. Die Sachfragen, die die Demonstrationen ausgelöst haben, bleiben jedoch ungelöst.

Die chinesische Wirtschaft

Diese Ereignisse bewirken eine Zuspitzung wichtiger Fragen geo-politischer und anderer Art für China und die Welt. Wird China ein Rettungsanker für den globalen Kapitalismus sein? Wird das Wachstum der wirtschaftlichen Macht Chinas auch mit einem stärkeren Auftreten in militärischer und diplomatischer Hinsicht einhergehen? Was wird dies wiederum für Asiens und den Rest der Welt bedeuten? Was werden die sozialen und ökologischen Kosten des massiven Wachstums sein, sowohl für China selbst als auch für die Welt als Ganzes? Vor allem, aus Sicht von SozialistInnen und MarxistInnen, stellt sich die entscheidende Frage nach der Chinesischen Arbeiterklasse und ihre Chancen für die Schaffung eigener, unabhängiger Organisationen, Gewerkschaften und Parteien.

Die Frage, wie diese potentiell mächtige Kraft wenn nicht zufriedengestellt doch wenigstens im Zaum gehalten werden kann, ist das Dilemma, ja sogar der Alptraum, der die Chinesische Elite heimsucht. Sicherlich ist es richtig, dass in China auch weiterhin ein wirtschaftliches Feuerwerk abgebrannt wird, durch das die Chinesischen Massen geblendet und in Schach gehalten werden. Dies wird wiederum beeinflusst werden durch die Beziehungen Chinas zu dem Rest der Welt sowie zu den anderen Riesen oder Möchtegern-Riesen Asiens- Indien und Japan – und vor allem zur dominanten Weltmacht, dem US-Imperialismus. Seit über 25 Jahren marschiert die Stalinistische Elite Chinas fortwährend in Richtung einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Im Zeichen des bekannten Ausspruches von Deng Xiaoping „Es ist egal, ob die Katze schwarz oder weiß ist, so lange sie Mäuse fängt“, entschied die ‚pragmatische‘ stalinistische Elite in der Chinesischen Regierung dass dies die einzige Möglichkeit für China war, aus der wirtschaftlichen Sackgasse zu entkommen, in die ihre bürokratische Herrschaft geführt hatte. Zu diesem Zweck wurde sie gezwungen, massiven Ausländischen Direktinvestionen (ADI) und den damit einhergehenden Technologien die Tür zu öffnen. Besonders diese Technologien haben phänomenale Wachstumsraten ermöglicht, vor allem in Guangdong, im Pearl River Delta, im Shanghai-Yangtze Delta, in Beijing und in anderen Gegenden in denen ausländischen Investitionen eine wichtige Rolle gespielt haben.

Von dieser Entwicklung haben auch die Chinesischen Massen in einem gewissen Maße profitiert. Sie bekamen, vor allem in den Städten, Zugang zu mehr Konsumgütern, außerdem erlebten viele Teile der Bevölkerung einen Anstieg des Lebensstandards. Für andere Schichten hat es wiederum große Verschlechterungen gegeben. Die Ungleichheiten sind weitaus höher als noch unter dem alten Stalinistischen Regime.

China hat jedoch einen weiten Weg vor sich, bevor es den westlichen Kapitalismus einholt. Der stellvertretende Chinesische Ministerpräsident Huang Ju wies auf der Milliardärsversammlung von Davos im Januar 2005 darauf hin, dass die Wirtschaftsleistung Chinas aktuell $1.6 Billionen beträgt, und bis 2020 auf $4 Billionen ansteigen könnte. Noch wichtiger, sagte er „als besserer Indikator des Wohlstandes“, wird sich die Wirtschaftsleistung pro Kopf bis dahin auf $3.000 pro Person belaufen. Vielleicht unbeabsichtigt, weist der Chinesische Regierungsvertreter damit auf den verarmten Zustand der Masse der Chinesischen Bevölkerung hin, die auch in 15 Jahren weiter bestehen wird. Dies trifft jedoch nicht auf die Elite zu, die dabei ist, sich in die neue kapitalistische Klasse zu verwandeln. Der größte Teil der Wirtschaftsleistung (ca. 60 Prozent) wird inzwischen vom Privatsektor erwirtschaftet.

Illusionen

Ungeachtet dessen wird China in einigen Kreisen in der neokolonialen Welt als „Modell“ eines erfolgreichen Entkommens aus der ökonomischen und kulturellen Rückständigkeit gehandelt. Teile der ‘radikalen‘ oder gar ‘linken‘ Intelligenz scheuen auf der Suche nach einem Ausweg aus der Sackgasse des Großgrundbesitzes und des Kapitalismus eindeutig sozialistische und marxistische Ideen und betrachten China als Modell für die Zukunft. Das gleiche gilt für einige Parteien, so wie die Kommunistische Partei Indiens – Marxisten (CPM), die den Standpunkt vertritt, dass die „Mischwirtschaft“ Chinas auch für Indien ein Entwicklungspfad darstellt. Es ist unglaublich, dass die CPM, eine Partei die angeblich für die Verteidigung der ArbeiterInnen und Armen in Indien steht, ein System – nämlich den sich entwickelnden chinesischen Kapitalismus und Imperialismus – loben kann, das eine rücksichtslose Ausbeutung der Arbeiterklasse und der Armen Chinas betreibt.

Dieses ‚Projekt‘ hat nichts auch nur ansatzweise ‚kommunistisches‘ oder ‚sozialistisches‘. Es ist ein besonders bösartiges Beispiel aus der heutigen Zeit für die „primitive kapitalistische Akkumulation“ die Marx im Britischen Kapitalismus beschrieben hat. Diese beinhaltet verschärfte Ausbeutung, sogar Super-Ausbeutung der Arbeiterklasse. Mit wenig oder gar keine Organisationen um der Offensive des Kapitals etwas entgegen zu setzen, zahlt die Arbeiterklasse einen furchtbaren Preis in Form von niedrigen Löhnen, langen Arbeitszeiten und drastischen Auswirkungen im Bereich Gesundheit und Sicherheit (ein Beleg hierfür sind die 6.000 BergarbeiterInnen die jedes Jahr in China ums Leben kommen). Nicht zuletzt sind auch die fatalen Auswirkungen auf die Umwelt zu nennen – sowohl für China als auch für die Welt als Ganzes. Die ‚kommunistischen‘ Führer in Indien haben den selben Weg eingeschlagen, in dem sie multinationalen Konzernen vergünstigte Bedingungen in Westbengal anbieten, dort wo sie an der Regierung beteiligt sind. Sie haben die Marxistische Opposition gegen die Mischwirtschaft wie sie von der Sozialdemokratie vertreten wurde, nie verstanden. Es kann sein, dass sie ihren Mitgliedern sagen, dass durch diese Politik wäre nur eine provisorische Maßnahme. In der Zukunft, wenn die Bedinungen dafür günstiger sind, werde sich die Wirtschaft in eine stärker sozialistische oder kommunistische Richtung bewegen. Im Gegenteil: der Kompass zeigt für die Zukunft Chinas in genau die andere Richtung, nämlich in Richtung erbarmungsloses Wachstum des Kapitalismus und systematischer Abbau des staatlichen Sektors.

Dies schließt aber nicht aus, dass das Chinesische Regime, unter dem Druck der Massen oder angesichts einer ernsthaften ökonomischen Krise, gezwungen sein wird, den Privatisierungsprozess vorübergehend auszusetzen oder gar einige Betriebe wieder zu verstaatlichen. Solche Maßnahmen sind allerdings, wie Beispiele aus Russland, Japan oder auch anderen Ländern in den 90er Jahren gezeigt haben, vom Charakter her ‘staatskapitalistisch‘. Kapitalistische Regierungen können schwächende Industriezweige übernehmen, wieder aufbauen und anschließend wieder dem Privatsektor übergeben. Nur ein Revolution – und zwar eine vom Charakter her sozialistische und demokratische – durch die Chinesische Arbeiterklasse und Armen kann den Marsch Chinas in Richtung Kapitalismus aufhalten und das Land stattdessen auf den Weg zum Sozialismus bringen. Dies wurde ein Stop des katastrophalen Kahlschlags der staatlichen Industrie beinhalten, ebenso eine Wiederverstaatlichung privatisierter Bereiche der Wirtschaft, ein Ende des Einparteiensystems, und, durch ArbeiterInnen- und BäuerInnendemokratie, die Errichtung einer wirklich sozialistischen Planwirtschaft.

Es stimmt, dass die Europäische Union es vorgezogen hat, China nicht als „vollwertige Marktwirtschaft“ zu klassifizieren. Dies liegt zum Teil daran, dass in China, zumindest intern, das ‚neoliberale‘ Modell des Kapitalismus noch nicht vollständig umgesetzt worden ist – es gibt nach wie vor einen bedeutsamen staatlichen Sektor. Des Weiteren ist es nicht ‚offen‘ und ‚transparent‘ genug; es ist nicht bereit, dem ausländischen Kapital innerhalb seiner Grenzen komplett freie Hand zu lassen. Nichtsdestotrotz ist China auf dem Weg zu einer vollständig kapitalistischen Wirtschaft und zu einem kapitalistischen Staat, weit vorangeschritten.

Es existieren weiter bedeutende Hindernisse die dem Abschluss dieses Prozesses im Wege stehen, in Form des Widerstandes der Arbeiterklasse. Ein weiteres Hindernis ist das Wesen des Kapitalismus selbst, mit Rezessionen oder Abschwüngen, manchmal katastrophaler Art. Angesichts eines Systems das zunehmend kapitalistisch ist, ist China jetzt auch einigen dieser Widersprüche und Krankheiten ausgesetzt, die sonst im Kapitalismus üblich sind – Aufschwünge gefolgt von Rezessionen oder Abschwünge.

China könnte am Rande eines solchen Zusammenbruchs befinden, da es einige der Merkmale aufweist, die vor dem Crash 1997 auch in den betroffenen Südostasiatischen Ländern festzustellen waren. Die Konjunktur ist ‚überhitzt‘ mit massiven ‚Überkapazitäten‘, deutlich sichtbar anhand der zahlreich leeren und halbleeren Gebäuden und Fabriken in Schanghai und anderen städtischen Zentren. Der Bankensektor ist wacklig und sieht sich wachsender Feindseligkeit seitens kapitalistischer Rivalen gegenüber, mit Forderungen nach ‘Schutz‘ vor Chinesischen Gütern aus Ländern die unter den Auswirkungen der scheinbar unaufhaltsamen Chinesischen Wirtschaftslokomotive leiden oder dieses zumindest behaupten. Nicht zuletzt unter den Problemen, mit denen die herrschende Klasse Chinas konfrontiert sieht, ist die Tatsache zu nennen, dass die Arbeiterklasse und die Armen nicht auf ewig die Sklavenlöhne und -Bedingungen hinnehmen werden, die ihnen im Moment zugemutet werden. Sogar einige ausländische kapitalistische Investoren haben, aus Angst vor massiven sozialen Unruhen und die Auswirkungen, die dies für ihre Profite haben würde, und auch als Reaktion auf Druck der Arbeiterbewegung in den westlichen Ländern , einen Anstieg Chinesischer Niedrigstlöhne gefordert. Sie sind sogar so weit gegangen, die Gründungen von ‚Gewerkschaften‘ zu gründen, selbstverständlich von der zahmsten Sorte. Chinas zukünftige Entwicklung wird deswegen wahrscheinlich alles andere als ruhig und harmonisch sein.

China als Weltmacht?

China wurde schon als möglicher Rettungsanker des Weltkapitalismus gefeiert, vor allem für den Fall eines ernsthaften Wirtschaftsabschwunges oder einer Krise.

Schon jetzt stellt es einen bedeutsamen Anteil an der weltweiten Industrieproduktion. Dennoch ist es nur für 7 Prozent der weltweiten Fabrikproduktion verantwortlich, obwohl einige kapitalistische ‚Think Tanks’ prognostizieren, dass dieser Anteil in den nächsten zwei Jahrzehnten auf 25 Prozent ansteigen könnte. Bedeutsam ist, dass erwartet wird, dass der Wachstum in Zukunft zunehmend durch einen massiven Ansteig der Binnennachfrage nach Konsum- und Industriegütern seitens der Bevölkerung von 1.3 Milliarden erzielt werden soll, anstatt, wie bis jetzt, durch Kapital und Export von Konsumgütern.

All das setzt natürlich voraus, dass Chinas ökonomische Fähigkeiten gleichmäßig steigern und dass diese Steigerung durch andere kapitalistische und imperialistische Mächte, die Rivalen Chinas sind, wohlwollend hingenommen wird. Aufgrund dessen bezweifeln einige Kommentatoren die Möglichkeit, dass China zukünftig zu einer dominanten Weltmacht aufsteigen könnte – es liegt an dem zur Zeit begrenzten ökonomischen Gewicht Chinas. Doch andererseits ist jetzt, nur wenige Jahre nach dem Beitritt des Landes zur Welthandelsorganisation WTO, der Einfluss Chinas auf den Welthandel nach Meinung der Financial Times ‚nicht mehr nur bedeutsam, sondern entscheidend’. In Märkten wie die für unedle Metalle, Schiffsbau, Kokskohle, Sojabohnen und andere landwirtschaftliche Produkte, ist China entweder zum dominanten Preisführer oder wenigstens zu einem mitentscheidenden Faktor in diesen Sektoren geworden.

Die kolossalen Wachstumsraten – 9.5 Prozent im Jahre 2004 – stellen einen Magneten für weltweite kapitalistische Investition dar und sind unentbehrlich, zum Beispiel. als Wachstumsmotor für Asien. China hat zwar einen riesigen Handelsüberschuss gegenüber den USA, gegenüber den anderen Asiatischen Ländern hat es jedoch ein Defizit. Aus der Sicht Japans könnte China die politische und wirtschaftliche Stabilität Asiens bedrohen und, vor allem, den Anspruch Tokios auf regionale Dominanz in Frage stellen. Ein Indiz für diese Bedrohung, sowohl für die USA als auch für Japan, ist die Tatsache, dass China nun ‚den größten Beitrag zur Erholung des Exports in Asien leistet’ (Asia Times). Siehe dazu die Fußnote unten

China ist eine Fertigungsbasis für relativ technologiearme Güter die aus anderen Asiatischen Ländern importiert werden um dann als technologisch hochwertigere Güter in die Amerikanischen oder Europäischen Märkte wieder exportiert zu werden. China hat Japan von Platz 3 der wichtigsten Handelsnationen (gemessen am Gesamtvolumen des Handels) hinter den USA und Deutschland verdrängt. Des weiteren hat China Japan überholt um zum wichtigsten Handelspartner der USA aufzusteigen. Gleichzeitig ist es die Chinesische Zentralbank die, zusammen mit der Japanischen, den US-Dollar stützt, trotz der riesigen Defizite, die sich in den USA aufgetürmt haben. Dies ist eine inoffizielle Gegenleistung – der Preis den Asiatische Kapitalisten zahlen müssen, um den US-Markt lebhaft zu halten. Der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers hat diesen Zustand treffend als instabile “Balance des finanziellen Terrors“ bezeichnet

Einige Kommentatoren haben versucht die langfristige Bedrohung die China für rivalisierende Mächte darstellt, von der Hand zu weisen, zumindest was den Bereich der Wirtschaft betrifft. Als Grund weisen sie darauf hin, dass der Großteil von Chinas Exporten im technologischen Bereich aus Gütern mit geringen Profitmargen besteht, etwa DVD-Player und PCs. Das ist zweifellos zum jetzigen Zeitpunkt wahr, angesichts der Tatsache dass sehr viel Forschung, Entwicklung und Innovation entweder von in China ansässigen ausländischen Unternehmen oder von Unternehmen, die teilweise dem Chinesischen Staat in Zusammenarbeit mit internationalen Kapitalisten gehören, betrieben wird. Aber die Tatsache, dass China seit so langer Zeit an diesen Prozessen beteiligt ist hat wiederum einen Trieb zur Assimilierung der Technologie der weiter entwickelten Wirtschaften zur Folge gehabt, so wie es in der Vergangenheit bereits in anderen „neu industrialisierten Ländern“ zu beobachten war. Die Folgen davon sind dass China in den Bereichen der technologischen und wissenschaftlichen Innovation massive Fortschritte macht, was zum Beispiel in der Stammzellenforschung oder anhand der Anzahl von StudentInnen mit hochwertigen Studienabschlüssen sichtbar ist.

In der modernen Welt ist es ebenso wie schon in der Vergangenheit, unmöglich ein Monopol der technologischen Innovation zu behalten. Diejenigen, die hinter den am „meisten Entwickelten” hinterher hinken leihen oder stehlen sich die Technologien ihrer Rivalen. Das gilt auch für China. Die neue kapitalistische Führungsriege hat sehr schnell verinnerlicht, dass alle Maßnahmen gerechtfertigt sind, wenn es darum geht, die Stellung der Kapitalisten und des Staates, der sie in zunehmendem Maße repräsentiert, zu verbessern: „Die einzige soziale Verantwortung eines Unternehmens besteht darin, Profit zu machen,“ sagt Milton Friedman im Film ‘Made in China’. Der ökonomische Guru Thatchers sagte diese Worte als Rechtfertigung für die brutalen Bedingungen die die Chinesischen Massen unter der Knute des internationalen Kapitals zu erleiden haben, aber das gleiche gilt auch für die Beziehungen zwischen einzelnen Kapitalisten und den Staaten, die sie repräsentieren.

Ein weiteres Argument ist, dass der US-Imperialismus niemals zulassen wird, dass sich China als Herausforderer seiner wirtschaftlichen und militärischen Machtstellung etabliert.

USA geschwächt

Allerdings hat der US-Imperialismus nach dem Irak-Krieg keine so dominante Stellung wie in der Zeit nach dem 11. September 2001. Die Vorstellung einer „Unipolaren“ Welt, der Dominanz vor allem militärisch aber auch wirtschaftlich einer einzigen Supermacht, den USA, ist ernsthaft untergraben worden. Die USA sind zwar militärisch ein Riese, ökonomisch allerdings nicht. Die wirtschaftliche Lage ist so prekär, vorübergehend gestützt durch den Asiatischen Kapitalismus, dass es in jedem anderen Land IWF-Inspektoren mit Kürzungsprogrammen im Gepäck auf den Plan rufen würde. Dies ist der genaue Gegenteil der Konstellation aus der Vergangenheit, als die überwältigende wirtschaftliche Stärke des US-Imperialismus die Grundlage für die militärische Macht darstellte. 1945 waren die USA zum Beispiel noch für 50 Prozent der Weltproduktion verantwortlich, und drei Viertel der Goldreserven der Welt lagerten im Fort Knox. Diese Stellung ist weggeschmolzen wie der Schnee von Gestern, und die USA wurden, ähnlich wie viele andere „industrialisierte“ Länder, durch den Niedergang des Industriesektors und durch Outsourcing in Billiglohnländer wie China ausgehöhlt.

Die Übermacht der USA wurde vor dem Irak-Krieg in einem gewissen Maße toleriert. Die feindselige Haltung der meisten Europäischen Bourgeoisien zu der Neokonservativen Clique um Bush und Co. im Weißen Haus, die ein Ausdruck sowohl der Antikriegsstimmung der eigenen Bevölkerungen als auch unterschiedlicher Interessenslagen ist, ist enorm vertieft. Der Atlantik ist breiter und tiefer geworden angesichts der Konturen einer inner-imperialistischen Rivalität zwischen dem US- und dem Europäischen Kapitalismus (mit Ausnahme einiger Europäischer Schoßhunde der US-Regierung, sowie Blair in Großbritannien, Berlusconi in Italien und einiger kleinen Fische in Osteuropa), die jetzt sichtbar werden. Nach seiner Wiederwahl startete Bush, durch Condoleezza Rice, eine hastige Initiative um “Brücken zu bauen”. Aber der Geist ist aus der Flasche entkommen. Die Beziehungen zwischen den kapitalistischen Mächten sind beschädigt und wurden in mancher Hinsicht durch die Weiterführung des Irak-Krieges sogar noch verschlechtert.

Diese Rivalität unter den imperialistischen Mächten hat mehr Ähnlichkeiten mit den Konflikten rivalisierender Banden imperialistischer Kapitalisten in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg als mit der Situation die für die meiste Zeit der Periode nach 1945 zu erleben war. Damals, angesichts eines antaganostischen Gesellschaftssystems zum Kapitalismus – die geplante Wirtschaft, allerdings unter totalitärer Herrschaft der Bürokratie, in der Stalinistischen Sowjetunion – fungierte als Kitt der diese Rivalitäten im Zaum hielt. Kapitalistische Rivalen des US-Imperialismus fanden sich damit ab, seine Dominanz zu dulden und sich unter seinem militärischen Schutz abzuschirmen. Der Fall der Berliner Mauer bereitete dieser Situation ein Ende. Der Kitt hatte sich aufgelöst. In den 1990er Jahren konnten die USA allerdings, aufgrund ihrer überwältigenden militärischen Stärke, eine „unipolare” und auch zunehmend „unilateralistische” Welt regieren. Der Krieg im Irak hat diese Situation allerdings de facto beseitigt. All die unterschwelligen Spannungen sind explosionsartig an die Oberfläche gekommen als die Bevölkerungen Europas und der übrigen Welt massenhaft gegen den Irak-Krieg demonstrierten. Die Europäischen Bourgeoisien drückten ihre Gegnerschaft zum US-Imperialismus offen aus. Sie wurden dafür vom US-Verteidigungsminister abschätzig als „Altes Europa” bezeichnet, doch dieser hat sich nach seiner Wiederwahl bemüht, sich mit “Humor” von seinen früheren feindseligen Äußerungen zu distanzieren.

Die selbe Entschlossenheit, den USA entgegenzutreten bildete auch den Hintergrund für die ursprüngliche Entscheidung, das Europäische Waffenembargo gegen China aufzuheben. Die Drohung, dies zu tun, erntete allerdings wütenden Widerspruch aus Washington. Als der unglücklich agierende Jack Straw einschritt und das Ganze als „Missverständnis“ seitens der USA bezeichnete wurde er von Vertretern der US-Regierung scharf angegriffen. Diese Feindseligkeit seitens der USA und ihren Asiatischen Verbündeten wie Japan, hängt teilweise mit der Angst zusammen, dass ein hochgerüstetes China die gegenwärtig vorherrschende geopolitische Ordnung Asiens durcheinander bringen könnte. Diese Ordnung ist natürlich eine, die zur Zeit von den USA und Japan dominiert wird. Japan betreibt eine Politik der Wiederaufrüstung mit dem Ziel, Australien als „Hilfssheriff” der USA in der Asiatischen Region abzulösen. Aus deren Sicht stellt das Wachstum der militärischen Stärke Chinas und die Modernisierung der dortigen Streitkräfte eine zukünftige Bedrohung dar.

Das wollen sie mit allen Mitteln verhindern – wie man anhand der erfolgreichen Bemühungen, Europa dazu zu “überreden” (sprich: erpressen), von der geplanten Aufhebung des Waffenembargos gegen China wieder abzurücken. Vor allem die USA haben Druck auf den Europäischen Kapitalismus ausgeübt um diese Entscheidung zu treffen indem sie den Teufel zukünftiger Chinesischer „Aggression“ an die Wand gemalt haben. Als Antwort darauf sagte der Chinesischer Premierminister Wen Jiabao, in seiner Rede zum Abschluss des Nationalen Volkskongresses im April: “Chinas Politik der nationalen Verteidigung dient dem Selbstschutz“ Die USA wiederum erwiderten darauf bei einem neuerlichen Treffen des US-Pazifik Kommandos, das Verstärken der Chinesischen Marine sei „beunruhigend… und mehr als das, was zur Verteidigung notwendig sein dürfte“. Das gleiche gilt für die USA, die, entgegen ihren Bekundungen, nicht der Verteidigung der eigenen Grenzen dient wenn sie Länder wie Irak angreifen. Des Weiteren erscheint der offizielle Verteidigungshaushalt Chinas, $30 Milliarden im Vergleich zu den Ausgaben des Pentagons in Höhe von $400 Milliarden fast schon bescheiden.

Konfliktthema Waffen

Eine Modernisierung von Chinas Waffentechnologien würde mit Sicherheit die Chinesische Position im andauernden Konflikt um Taiwan zwischen China auf der einen und Taiwan und den USA auf der anderen Seite, stärken. Gleichzeitig möchte die riesige US-Rüstungsindustrie ein fast vollständiges Monopol auf den weltweiten Waffenhandel errichten. Eines der Gründe für die aggressive Politik gegenüber China und zugunsten Taiwans ist eben, Taiwan zu einer Steigerung der Rüstungsausgaben zu bewegen, da „es eine stetige Abnahme des Anteils des taiwanesischen Verteidigungshaushalts am BIP während des letzten Jahrzehnts gegeben hat“. [Financial Times.] Das Taiwanesische Parlament in der Hauptstadt Taipei zögert seit einiger Zeit mit dem Abschluss eines geplanten Vertrages zum Kauf von Waffen aus den USA. Die USA waren der größte Nutznießer der gesteigerten Rüstungsausgaben. Um Druck auf die Taiwanesen auszuüben haben die USA Parallelen zwischen der Bedrohung Taiwans durch China und Saddam Husseins Angriff auf Kuwait 1990 gezogen.

Mit der Unterstützung Japans haben sie die Pläne der Europäischen Union zur Aufhebung des Waffenembargos gegen China heftig kritisiert – dies obwohl China jetzt schon militärisches Material aus Russland, Israel und Osteuropa bekommt. Israel wurde gezwungen, von Waffenverkäufen an China Abstand zu nehmen, da die USA drohten, einige Militärhilfen für Israel selbst vorzuenthalten. Alles das weil „Die USA die Befürchtung hat, dass Westeuropäische Komponenten, Subsysteme und Technologie Beijing in die Lage versetzen könnte, die eigene Kommando- und Kontrollsysteme sowie die militärische Informationstechnologie gefährlich nah an das Niveau der USA zu bringen.“ [Financial Times.] Ähnlich wie der Britische Imperialismus zu seinen Hochzeiten möchte die USA alle Rivalen oder potentielle Rivalen so schwach wie möglich halten; Liliputaner im Vergleich zu Gulliver.

Auf der anderen Seite ist die Behauptung der Chinesischen Elite, ihre militärische Modernisierung würde ausschließlich dem „Selbstschutz” dienen, nicht glaubwürdig. Unzweifelhaft wird dabei auf die tiefsitzende Wut über die imperialistische Ausplünderung Chinas in der Vergangenheit angespielt. Der Chinesische Premierminister hat gesagt: “In den letzten Jahren, wurde China immer von anderen drangsaliert China hat niemals einen einzigen Soldaten geschickt, um einen einzigen Zentimeter eines anderen Landes zu besetzen.“ Der erste Teil dieser Aussage stimmt, der zweite nicht. Was waren die Chinesischen Invasionen Indiens und Vietnams anderes als ein Einfallen in ein „anderes Land“? Des weiteren würden TibetanerInnen sagen, dass sie seit 1950 unter der militärischen Besatzung der zentralisierten Chinesischen Staates leben. In Wirklichkeit hängt die militärische Aufrüstung Chinas mit der Entwicklung nicht nur zu einem kapitalistischen, sondern auch zu einer zunehmend imperialistischen Macht zusammen, und zwar zu einer mit Macht und Einfluss. In der Vergangenheit, in der Zeit der maoistischen Härte, war China größtenteils Selbstversorger, obwohl arm. Nun hat das Wachstum Chinas zu einer immer größer werdenden Abhängigkeit von massiven Importen von Öl und anderen Rohstoffen. Deswegen sagten kürzlich Experten der Zentralen Schule für “Kader der Kommunistischen Partei”: “Chinas ‘Lebensader verlief durch die Straße von Taiwan, das Südchinesische Meer, Straße von Malacca und dem Indischen Ozean bis hin zum Arabischen Meer. China muss die eigenen Marinestreitkräfte um den Möglichkeit zum Handel mit Ressourcen auf dem Seeweg zu gewährleisten, außerdem muss die Entwicklung einer großen Flotte, die in der Lage ist, in fernen Ozeanen zu operieren, aktiv vorangetrieben werden.“

Der Aufbau einer schlagkräftigen Hochseeflotte dient nicht der Unterstützung der Kämpfe der Arbeiterklasse oder der Armen Weltweit, sondern der Verbesserung der Machtstellung des Chinesischen Staates zur Verteidigung der imperialistischen Interessen der sich herausbildenden kapitalistischen Elite Chinas. China hat aus Russland wirksame Zerstörer erworben dessen Raketen mit Überschallgeschwindigkeit gegen andere Schiffe abgefeuert werden können, ebenso wie besonders leise agierende dieselangetriebene U-Boote der Kilo-Klasse. ExpertInnen zur Folge könnten diese selbst für die mächtigen US-Streitkräfte eine Bedrohung darstellen.

Dieser Prozess trägt zu einer Veränderung der bisherigen Wahrnehmung Chinas seitens der USA bei. Nach ihrem Amtsantritt 200 klassifizierte die Bush-Regierung China noch als „strategischen Konkurrenten“ der USA. Diese Haltung wurde etwas aufgeweicht als sich China nicht gegen den US-„Krieg gegen Terror” stellte. In Zentralasien kooperierten die beiden Mächte sogar, um diktatorische Regime zu stützen. Nun jedoch macht die Bush-Regierung, wenn nicht in Worten doch auf jeden Fall in der Praxis, die ursprüngliche Doktrin gegenüber China zur leitenden Philosophie der US-Regierung. Dies manifestiert sich etwa in der Opposition gegen die Aufhebung des Europäischen Waffenembargos und, was besonders bedeutsam ist, im Konflikt um Taiwan. US-Regierungssprecher haben vor der militärischen Aufrüstung Chinas gewarnt: „Wenn dieser Trend sich fortsetzt, wird sich die Haltung der USA zu China eines Tages eventuell ändern.“ [Financial Times]

Da wird zwar von der Zukunft gesprochen aber in Wirklichkeit hat sich in allen Bereichen – militärisch, diplomatisch und wirtschaftlich, die Situation ziemlich dramatisch verändert, oder, wie im Falle der Wirtschaft, sind Tendenzen am Werk – Drohungen mit Protektionismus – die auf einen zukünftigen Bruch hinweisen. In der EU allerdings, und vor allem in besonders wichtigen Ländern wie Deutschland und Frankreich, schaut man gierig auf die zukünftigen Marktpotentiale in China. Schon jetzt macht die EU den USA Konkurrenz um den Rang des wichtigsten Handelspartners Chinas, das Volumen des Handels in beide Richtungen belief sich 2003 auf €135 Milliarden. Die Financial Times kommentierte dies mit den Worten: „Europäische Unternehmen sind darauf aus, Geschäfte in dem Land zu machen, das dabei ist, zur größten Wirtschaft der Welt zu werden. Natürlich waren es auch die Europäischen Rüstungsunternehmen, die zu den entschiedensten Befürwortern einer Aufhebung des Waffenembargos gehörten..

Geopolitische Auswirkungen

Diese Entwicklungen haben sowohl geopolitischen als auch wirtschaftliche Auswirkungen. Das Potential Chinas ist unbestreitbar aber die Realisierung diese Potentials ist viel problematischer. Auf der einen Seiten zeigt China den selben imperialistischen Appetit wie seine Rivalen wenn es, zum Beispiel, die PC-Sparte des US-Computerriesen IBM aufkauft – was zu Schockreaktionen in den USA führte, und versucht, den US-Energieriesen Unocal zu übernehmen. Gleichzeitig drängt China darauf, den eigenen Einfluss in allen Teilen der Welt zu steigern, aber vor allem in jenen Ländern und Regionen, die reich an Energiequellen und Rohstoffe für Chinas rapide fortschreitende Industrie sind. In der Zeit zwischen 2000 und 2003 war China für fast 40 Prozent des gesamten Wachstums der Weltwirtschaftsleistung verantwortlich.

Lateinamerika ist ein Beispiel für einen möglichen Nutznießer der boomenden Nachfrage nach importierten Rohstoffen in China. Andererseits wurden die dortigen Industrien im Bereich Textilien und Fertigung geringwertiger Güter durch den industriellen Aufschwung Chinas in Mitleidenschaft gezogen, wie die entsprechenden Branchen in der übrigen Welt auch. Gleichzeitig haben Brasilien, Venezuela und Chile und viele andere Länder von mehr Handel mit China profitiert. Vor allem Venezuela – das sich sowohl mit den USA als auch mit dessen Verbündeten in Lateinamerika, wie Kolumbien, die das Chavez-Regime stürzen wollen, sich im Konflikt befindet – ist scharf drauf, aus Chinas Suche nach zusätzlichen Ölquellen einen Nutzen zu ziehen. Chavez hat angedeutet dass der Handel mit China, der große Chinesischen Investitionen in Venezuelas Ölindustrie und Ölexporte nach China beinhaltet, 2005 $3 Milliarden betragen werde, mehr als eine Verdoppelung gegenüber 2004. Angesichts von Lebensmittelknappheiten aufgrund des maroden Zustandes der Landwirtschaft legt China Wert auf Sojabohnen und Weizen aus Brasilien um die eigene Bevölkerung zu ernähren. Diese Situation kann weder für Lateinamerika, noch für die „unterentwickelte Welt“ und noch viel weniger für die gesamte Weltwirtschaft auf Dauer als Rettungsanker dienen. Dennoch versucht sich China sowohl als sich entwickelnde Supermacht als auch als Verteidiger der unterdrückten Afrikanischen, Asiatischen, und in einem gewissen Maße auch Lateinamerikanischen Welt zu profilieren.

Die Stalinistische Elite hat bereits in der Vergangenheit diese Rolle sich zu eigen gemacht, durch ihrer Beteiligung an der Konferenz von Bandung 1955, auf dem sich 29 „Blockfreie” Länder Asiens und Afrikas ohne Beteiligung des industriellen Westens trafen. Auf der Suche nach einem Gegengewicht zum Einfluss der USA und des Sowjetischen Stalinismus intervenierte der damalige Premierminister Zhou Enlai auf dieser Konferenz als Fürsprecher der neokolonialen Welt. Das Regime von Mao hatte zur damaligen Zeit weder das wirtschaftliche Gewicht noch die Klassenbasis um entscheidend in der neokolonialen Welt einzugreifen. Seit damals hat sich einiges geändert. Einem Kommentar der „Asian Times“ zufolge: „betont Beijing weiterhin die Notwendigkeit eines gemeinsamen Handelns der Entwicklungsländer als Gegengewicht zum industrialisierten Westen, aber diese Initiativen Chinas sind nicht mehr durch Ideologie motiviert, sondern durch Versuche, natürliche Ressourcen und politischen Einfluss zu sichern.“ Dies beinhaltet Bemühungen, Märkte und Rohstoffquellen auszudehnen, und dabei die selben Anreize zu verwenden wie die anderen imperialistischen Mächte, nämlich Hilfsgelder und Darlehen. China bot Angola kürzlich einen zinsgünstigen Kredit in Höhe von $2 Milliarden an, um sich bei der Vergabe eines Vertrages für die Förderung eines Ölfeldes vor der Küste den Zuschlag vor Indien zu sichern.

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