Bericht über den Landesparteitag der Linkspartei.PDS in Berlin
Man kann der Berliner PDS, die sich jetzt auch „Die Linkspartei.PDS“ nennt, einiges vorwerfen. Was man ihr allerdings nicht vorwerfen kann, ist, sie wäre wankelmütig. Vielmehr steht der Berliner Landesverband wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung, zeigt sich unbeeindruckt von den Protesten von Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und Betroffenen ihrer neoliberalen Regierungspolitik. Die Berliner PDS bleibt standfest an der Seite der SPD und ist fest entschlossen, mit den Sozialdemokraten gemeinsam die Politik des Sozialraubes in der Hauptstadt auch nach den nächsten Wahlen fortzusetzen. Das bestätigte die Linkspartei.PDS zumindest auf ihrem Landesparteitag am 3. und 4. Dezember in Berlin.
von Jörg Fischer, Berlin
Der scheidende Landesvorsitzende Stefan Liebich geriet in seiner Rede schier ins Schwärmen über die zurückliegenden 4 Jahre Sozialraub durch den SPD/PDS-Senat: „Es war eine schöne Zeit, es hat mir Spaß gemacht und es war mir eine Ehre als Erster eine PDS-Landesorganisation, die in der Hauptstadt regiert, zu führen.“ Ob die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (im Schnitt zehn Prozent Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst), die Erwerbslosen (16.116 Ein-Euro-Jobs allein bei der öffentlichen Verwaltung), die Jugendlichen (dieses Jahr 33 Millionen gekürzt beim Jugendhilfe-Etat), und alle anderen, die die Politik des Senates auszubaden haben, diese letzten vier Jahre auch „als schöne Zeit“ empfunden und ihnen „Spaß gemacht“ haben?
Aber der Landesparteitag der Berliner PDS war nicht nur Verklärung und Selbstbeweihräucherung der zurückliegenden Jahre, sondern er zeigte auch in die Zukunft, wie es weitergehen soll, welche Perspektiven die Berliner PDS hat – und das sind keine guten Perspektiven für die Menschen in der Hauptstadt. Dass die PDS die Politik des Berliner Senates mit der SPD auch zukünftig, über den Wahltag im September 2006 hinaus fortsetzen will, wurde sowohl bei den verabschiedeten Anträgen, als auch bei den Personalentscheidungen für den Landesvorstand deutlich.
Schon im Vorfeld wurden die in der PDS noch vereinzelt vertreten antikapitalistischen Linken weiter an den Rand gedrängt. Auch hierbei gibt es zwischen SPD und PDS verblüffende Ähnlichkeiten – im höchsten Fall werden Linke noch als Feigenblätter geduldet, das war es dann aber auch schon. Die Befürworter der Regierungspraxis und des Mitregierens um jeden Preis wurden nahezu ausnahmslos mit Ergebnissen von bis zu fast 90 Prozent gewählt.
Im mit überwältigender Mehrheit verabschiedeten Leitantrag „Die Linkspartei.PDS Berlin im Jahr 2006“ heißt es gleich im ersten Absatz: „Die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus sowie zu den Bezirksverordnetenversammlungen sind eine zentrale Herausforderung für 2006. Die Linkspartei.PDS kämpft darum, erneut als drittstärkste Kraft in Berlin gewählt zu werden und so die Option für eine rot-rote Regierung zu erneuern.“ Diese Formulierung wurde gewählt, um gegenüber der WASG behaupten zu können, es werde keine Koalitionsaussage zugunsten der SPD gemacht!
Sehr aufschlußreich ist auch gleich der nächste Absatz: „Der Landesvorstand und die Bezirksvorstände bereiten den Wahlkampf personell, inhaltlich, und organisatorisch vor. Der Landesvorstand erarbeitet ein Wahlprogramm, das sich auf sechs bis acht wesentliche landespolitische Projekte für den Zeitraum 2006 bis 2011 konzentriert. Weitere Vorhaben sind in einem »A-Z«-Dokument zusammenzufassen.“ Die Linkspartei.PDS geht gar nicht mehr davon aus, mit eventuellen Bündnispartnern gemeinsam die inhaltlichen Grundlagen für den bevorstehenden Wahlkampf und für die politische Arbeit im nächsten Abgeordnetenhaus erarbeiten zu müssen.
Gewerkschaften, soziale Initiativen, Sozialforen – sie und viele andere in Berlin stehen in Opposition zum Senat und die PDS ist nicht bereit, ihre Politik zu korrigieren. Zwar wird im weiteren Text des Leitantrages erwähnt, dass auch die Berliner PDS für eine neue Linkspartei sei und deshalb auch in Berlin das Gespräch mit der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ (WASG) suchen würde. Indes bleibt die Frage unbeantwortet, auf welcher inhaltlichen Grundlage das geschehen soll – immerhin wurde die WASG explizit als Alternative zu den Sozialraub-Parteien gegründet.
Zu den bemerkenswerten Ereignissen des Berliner PDS-Landesparteitages gehörte die Rede des WASG-Mitgliedes und Bundestagsabgeordneten Oskar Lafontaine, der in seiner Rede unstrittig feststellte: „Es kann niemand sich als links bezeichnen, der für völkerrechtswidrige Angriffskriege und für Sozialabbau steht.“ Allerdings schien Lafontaine damit nicht auch die Berliner PDS-SenatorInnen zu meinen. Während seiner Ausführungen kam einem Lafontaine wie ein Redner vor, der zwar öfters den Mund spitzte, jedoch jedesmal glatt das Pfeiffen vergaß. So kritisierte er zwar Privatisierungen, sprach sich aber gleichzeitig für die Fortsetzung der SPD/PDS-Koalition aus, die unter anderem eben auch für massive Privatisierungen steht. Hier ist auch kritisch anzumerken, das sich Lafontaine offensichtlich nur wenig, bzw. faktisch gar nicht darum kümmert, was der Landesverband seiner Partei wenige Tage vorher auf seinem Landesparteitag mehrheitlich beschlossen hat.
Dass die PDS kein Interesse an einer gleichberechtigten, partnerschaftlichen Zusammenarbeit hat, wurde in den letzten Tagen überdeutlich von führenden Vertretern der Landes-PDS klargemacht. In einer Art „Planspiel“ wurde ganz offen die Option aufgestellt, durch Masseneintritte von PDS-Mitgliedern in die Berliner WASG dort die Mehrheitsverhältnisse zu verändern und so die WASG unter den Willen der PDS zu beugen.
Rückendeckung erhalten die Berliner PDS-Führer dabei auch von ihrer Bundespartei. In einem Interview mit der „Leipziger Volkszeitung“ machte Bundesparteichef Bisky deutlich, das er „nicht alle Linken“ in einer neuen gemeinsamen Linkspartei haben möchte und das er insbesondere „Trotzkisten“ ausgrenzen will, die er augenscheinlich als Hauptfeinde der realen PDS-Politik ausgemacht hat.
Dafür schwärmte Lothar Bisky auf dem Bundesparteitag seiner Partei am vergangenen Wochenende in Dresden von einer, zumindest rechnerischen, linken Mehrheit im Bundestag. Zu diesem Ergebnis kommt man indes nur, wenn man die Agenda- und Kriegsparteien SPD und Bündnisgrüne als vermeintlich links verortet. Der ehemalige Berliner Wirtschaftssenator und jetzige Vorsitzende der PDS-Bundestagsfraktion Gregor Gysi wiederum war in seiner Rede auf dem Bundesparteitag voll des Lobes für seine Berliner Parteifreunde und für ihre Politik im Berliner Senat. Damit stach die Rede des in Talkshows gestählten Gysi kaum von Rest des Parteitages hervor – Kritik an der Berliner Politik war nur vereinzelt zu vernehmen.
Die PDS Berlin hat sich, abseits aller im Wahlkampf zu erwartender Augenwischerei und Werberhetorik, auf ihrem Parteitag zumindest klar positioniert.