Interview mit Axel Hopfmann über die Gegenwehr an Hamburger Kliniken bezüglich der Folgen der Privatisierung.
Am 30. November sind etwa 17.000 Beschäftigte verschiedener Hamburger Krankenhäuser zum gemeinsamen Warnstreik aufgerufen. Du bist aktives ver.di-Mitglied im LBK, Landesbetrieb Krankenhäuser in Hamburg. Wogegen richtet sich Euer Protest?
Seit dem 30. Juni ist der LBK nicht mehr im Arbeitgeberverband. Diesem Austritt folgte auch das Universitätsklinikum. Ein neuer Arbeitgeberverband wurde gegründet. Das heißt für die Beschäftigten: Die Tarifbindung ist erloschen; für die bisherigen Beschäftigten gilt noch eine statische Nachwirkung der alten tariflichen Regelungen. Nun soll ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen werden – nach dem Willen der Arbeitgeber mit gewaltigen Absenkungen.
Das wird bei Neueinstellungen jetzt schon ohne Tarifvertrag vorgemacht: Sogenannte Verbandsrichtlinien verlängern die Arbeitszeit von bislang 38,5 auf 42 Stunden pro Woche. Die Urlaubstage werden um drei bis vier Tage gekürzt, Schichtzulagen bis auf die Nachtschicht weitgehend gestrichen, kein Weihnachts- und Urlaubsgeld mehr gezahlt. Insgesamt kann das für eine Krankenschwester bis zu 700 Euro brutto ausmachen.
Der Austritt aus dem Arbeitgeberverband folgte unmittelbar auf die Privatisierung des LBK. Die Asklepius GmbH hält jetzt 49,9 Prozent des LBK und hat bereits das unternehmische Sagen. Ab dem 1. Januar 2007 übernimmt sie 74,9 Prozent.
Der Kampf gegen die Privatisierung wurde auch mit einem Volksentscheid geführt …
… man muss sagen, fast ausschließlich. Am 29. Februar fand parallel zur Bürgerschaftswahl eine Abstimmung statt. 77 Prozent sprachen sich dafür aus, dass der LBK mehrheitlich öffentlich bleiben soll – und gleichzeitig wählte eine Mehrheit die CDU.
Als klar war, dass sich der neue Senat und die Mehrheit in der Bürgerschaft über die Abstimmung hinweg setzen würde, setzte ver.di fast ausschließlich auf eine Verfahren vor dem Hamburger Verfassungsgericht. Mit einer für mich kaum nachvollziehbaren juristischen Argumentation bekam der Senat recht. Damit sind Volkentscheide natürlich grundsätzlich entwertet.
Das heißt nicht, dass man so ein Instrument in Zukunft nicht nutzen sollte. Aber man darf sich darauf nicht verlassen. Man kann vor so einem Hamburger oder einem anderen Verfassungsgericht solche Überraschungen erleben.
Ein Volksentscheid bringt dann was, wenn man ihn begleitet mit einer massiven Mobilisierung der Beschäftigten. Ich halte es für einen Fehler von ver.di, dass genau das nicht passiert ist.
In der Vorbereitung des Volksentscheides, um überhaupt 60.000 Unterschriften in 14 Tagen zusammen zu bekommen, da musste man die Mitglieder mobilisieren. Nur leider hat man dann diesen Schwung nicht verlängert.
Jetzt ist einiges geplant an Aktionen?
Nicht nur geplant, eine hat gerade am Freitag, am 18. 11., statt gefunden. Es gab den ersten Warnstreik in Universitäts-Klinikum Eppendorf. Am Montag, am 21., folgt der nächste Warnstreik in einem großen Hamburger Krankenhaus. Weitere Einzel-Aktionen sind möglich. Es wird aber auf jeden Fall einen großen Warnstreik von LBK und Uni-Klinikum am Mittwoch, dem 30., geben.
Wie die Beteiligung daran aussehen wird, ist noch nicht abzuschätzen, da es seit 1992 keine Streikerfahrung mehr gibt und die Mobilisierungsfähigkeit auch bislang nicht wirlich getestet wurde. Danach ist es sehr wahrscheinlich, dass man in einen Erzwingungsstreik gehen muss. Die Ansinnen der Arbeitgeber lassen einem gar keine andere Wahl.
Die Landesbeschäftigten sind in einer ähnlichen Situation. Auch dort kam es zu Warnstreiks. Gibt es einen gemeinsamen Kampf dieser ver.di-Bereiche?
Nein, das existiert leider bislang relativ unverbunden nebeneinander her. Formal-juristisch geht es um zwei verschiedene Tarifverträge. Dabei fordert ver.di in beiden Fällen die Übernahme des TvöD [Tarifvertrag öffentlicher Dienst].
Ich halte diese Forderung schon für ein großes Kompromissangebot, weil dieser Tarifvertrag schon einige Verschlechterungen enthält. Aber die Gegenseite will noch mehr.
Es geht also im Grunde gar nicht darum, besonders viel zu erreichen, sondern darum, das Allerschlimmste zu verhindern. Deshalb hat man keine Wahl, diesen Fehde-Handschuh aufzunehmen – oder klein bei zu geben.
Wie ist denn die Stimmung und Kampfbereitschaft?
Sehr auf der Kippe. Es gibt eine große Empörung. Es gibt aber auch eine große Angst aufgrund der unverhohlenen Drohung des Arbeitgebers mit Entlassungen und damit verbunden vor dem Arbeitslosengeld II. Gleichzeitig gibt es diese Wut.
In wieweit die sich in Aktionen entlädt? Da ist der 30. November für uns auch ein Test: wie weit können wir gehen?
Du warst auf der Aktions- und Strategiekonferenz am 19. und 20. November in Frankfurt am Main. Dort wurde auch diskutiert, wie es weiter gehen soll: dezentrale Aktionen, zentrale Demo – was denkst Du?
Was wir selber machen ist schon dezentral: wir protestieren und streiken, Wenn man also bundesweit zusammen kommt, dann ist es paradox dezentrale Aktionen zentral planen zu wollen. Was wir aber gut gebrauchen können – und ich kann mir gut vorstellen, dass das anderen in ähnlichen Konflikten auch hilft – ist, dass rüber kommt: Wir sind mit unserem dezentralen Konflikt nicht alleine. So eine bundesweite zentrale Aktion könnte uns Rückenwind geben. Das ist das eigentliche, was ich mir erhofft habe. Jetzt mal sehen, wie das beschlossene umgesetzt wird.
[Die Aktions- und Strategiekonferenz am 19. und 20. November verabredete eine Arbeitskonferenz am 17. Dezember, um eine bundesweite Demonstration sozialer Bewegungen im Frühjahr sowie eine Folgekonferenz im Februar auf die Beine zu stellen, siehe Bericht.]