Betriebsrats- und Gewerkschaftsspitze setzen den Kürzungsplänen bei DaimlerChrysler wenig entgegen. Daniel Behruzi sprach mit Tom Adler, Betriebsrat im DaimlerChrysler-Werk Untertürkheim und Mitherausgeber der oppositionellen Betriebszeitung »alternative«.
DaimlerChrysler will 8500 der 94 000 Arbeitsplätze in den deutschen Mercedes-Werken abbauen. Wie ist die Stimmung in der Belegschaft nach dieser Ankündigung?
Natürlich gedämpft. Es ist aber auch eine kräftige Komponente Zorn dabei. Bei den Betriebsversammlungen wurde massive Kritik am Vorgehen des Managements laut. Wir haben es also trotz der allgegenwärtigen Sorge um den eigenen Arbeitsplatz keineswegs mit einer völlig eingeschüchterten und handlungsunfähigen Belegschaft zu tun.
Beruhigt die Beschäftigten nicht, daß die Jobs »sozialverträglich«, also durch Altersteilzeit und Abfindungen, abgebaut werden sollen?
Ein Stück weit sicher, allerdings ist zu bezweifeln, ob die Abfindungsangebote tatsächlich für so viele interessant sind. Die Kollegen sehen außerdem am Beispiel Volkswagen, daß der Ausschluß betriebsbedingter Kündigungen nicht wirklich wasserdicht gesichert ist. Dort hat ja die Konzernspitze dieser Tage – nicht einmal ein halbes Jahr nachdem eine ähnliche Vereinbarung wie bei DC unterschrieben wurde – weitere Verzichtsforderungen gestellt und durchgesetzt. Zudem sind in der »Zukunftsvereinbarung« bei Daimler lediglich betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Eine Sicherung der Arbeitsplätze – wie damals behauptet – ist das aber eben nicht.
Im letzten Jahr haben Gesamtbetriebsrat (GBR) und IG Metall Lohnkürzungen von 500 Millionen Euro bei DaimlerChrysler zugestimmt. Jetzt hat IG Metall-Vize Berthold Huber gesagt, die Gewerkschaft akzeptiere die Zahl 8500 »nicht per se«. Wie beurteilen Sie diese Haltung?
Wenn Huber ähnlich wie GBR-Chef Erich Klemm allenfalls noch die Zahl der zu vernichtenden Arbeitsplätze in Frage stellt, drückt das aus, daß sie der Unternehmerlogik nichts entgegenzusetzen haben. Zumindest müßte man doch erwarten, daß sie Alternativen zur Arbeitsplatzvernichtung propagieren. Und das kann z.B. heißen: statt 900 Millionen Euro in Abfindungsprogramme zu »investieren« muß die Arbeitszeit bei vollem Nettolohnausgleich verkürzt werden. Die Umverteilung der Arbeit auf mehr Hände und Köpfe muß auch generell wieder die gewerkschaftliche Antwort auf Überkapazitäten und die enorm gestiegene Produktivität sein. Offensichtlich ist dieser strategische Ansatz in den Köpfen derjenigen, die sich Führung nennen, aber nicht mehr existent.
Sind die Belegschaften denn in der Lage, solche Forderungen durchzusetzen?
Daß die Kollegen bereit sind, sich zur Wehr zu setzen, haben sie immer wieder – u.a. bei den Aktionen im vergangenen Jahr – bewiesen. Auch in der letzten Tarifauseinandersetzung war deutlich zu spüren, daß den Kollegen der Zusammenhang zwischen Jobs und Arbeitszeit vermittelbar ist. Daraus wird nicht von heute auf morgen ein Streik um die 30-Stunden-Woche. Aber wann, wenn nicht jetzt, wollen wir versuchen, solche Forderungen wieder zu popularisieren?
Die GBR-Spitze und große Teile der IGM-Hauptamtlichen sind aber nach wie vor hilflos in der Standortlogik gefangen. Ein besonders krasses Beispiel dafür hat kürzlich bei uns auf einer Betriebsversammlung ein Stuttgarter Gewerkschaftssekretär abgeliefert: Auf Kritik an der bei Daimler im Dienstleistungsbereich vereinbarten Arbeitszeitverlängerung und dem Hinweis darauf, daß die Kollegen bei Porsche entsprechendes abgelehnt und verhindert haben, argumentierte er, Porsche habe ja auch eine Kapitalrendite von 13 und Daimler nur von vier Prozent…
Bei VW sind – wenige Monate nach der letzten Kürzungsrunde – neue Lohnsenkungen akzeptiert worden. Die IG Metall scheint dem gegenseitigen Ausspielen verschiedener Belegschaften überhaupt nichts mehr entgegenzusetzen.
Das stimmt. Die seinerzeitige linke Kritik, das VW-Modell »5000×5000« sei keine Ausnahme, sondern der Anfang vom Ende des VW-Haustarifs, erweist sich nun als richtig, obwohl das damals alles bestritten wurde. Die Konzernvorstände spielen sich mit den Kostensenkungs- und Personalabbauprogrammen gegenseitig den Ball zu. Der künftige Daimler-Chef Dieter Zetsche hat bereits angekündigt, daß mit dem Personalabbau von 8500 noch längst nicht alles im Lot sei. Die Strategie ist klar: Erst wurden schlechtere Konditionen bei Neueinstellungen vereinbart, jetzt wird massenhaft Personal über Abfindungsprogramme rausdrückt, danach folgt vielleicht wieder ein gewisser Personalaufbau – das dann aber zu schlechteren Konditionen. Vor diesem Hintergrund ist die bisherige Positionierung des 2. Vorsitzenden, des Bezirksleiters und des Gesamtbetriebsrats nur noch ein Dokument der Hilflosigkeit.