Große Koalition gegen ArbeitnehmerInnen und Erwerbslose

Die VerliererInnen der Bundestagswahl vom 18. September haben sich geeinigt, eine Große Koalition unter Angela Merkel als Bundeskanzlerin zu bilden. Das Abfallen der großen sogenannten Volksparteien unter 70 Prozent der abgegebenen Stimmen (zum ersten Mal seit 1953) war Folge der breiten Ablehnung gegen weiteren Sozialabbau und neoliberale Politik in der Masse der Bevölkerung.
 

CSU werden keine großen Schwierigkeiten haben, sich auf eine gemeinsame Regierungspolitik zu einigen. Schließlich wurden die großen Angriffe auf die Rechte der ArbeitnehmerInnen und Erwerbslosen, Agenda 2010 und Hartz IV, einvernehmlich beschlossen und existierte in vielen Fragen über die letzten Jahre eine faktische Große Koalition des Neoliberalismus und der arbeitnehmerfeindlichen Politik.

Unter dem Druck der Massenproteste der Jahre 2003 und 2004, sowie der Bildung der WASG als neuer linker Partei, versuchte die SPD im Bundestagswahlkampf sich als soziale Kraft zu präsentieren. Sie sprach sich gegen eine Mehrwertsteuererhöhung und für den Erhalt von Tarifautonomie und Kündigungsschutz – und damit gegen die von Merkel geforderten Maßnahmen – aus.

Die SPD-Führung versucht nun auch die bisherigen Vereinbarungen mit der CDU/CSU als einen politischen Erfolg zu präsentieren. Schließlich sehe die Vereinbarung vor, dass die Tarifautonomie erhalten bleibt und es keine Besteuerung von Feiertags- und Nachtzuschlägen geben wird. Dass die neue Regierung nicht sofort den ganz großen Hammer auspacken kann, hängt aber weniger mit einer veränderten SPD-Politik, als mehr mit dem Druck zusammen, den das Wahlergebnis und die Stimmung in der Arbeiterklasse ausüben. Dies führte sogar dazu, dass ein rechter Gewerkschaftsbürokrat wie der IG BCE-Vorsitzende Hubertus Schmoldt im Falle gesetzlicher Eingriffe in die Tarifautonomie mit politischen Streiks drohte, die ja in der Bundesrepublik als illegal gelten.

Doch diese Regierung wird eine Politik gegen abhängig Beschäftigte und Erwerbslose machen und die Agenda-Politik fortsetzen. Verschlechterungen im Kündigungsschutz sind zu erwarten, ebenso eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Auch die Tarifautonomie ist alles andere als gesichert. Die Vereinbarung von CDU/CSU und SPD beinhaltet einen Aufruf an die Gewerkschaften, mehr betriebliche Öffnungsklauseln zu akzeptieren. Dies würde schon eine Untergrabung des Flächentarifs bedeuten. Schnell kann die Regierung aber da weiter machen, wo Schröder schon vor zwei Jahren ein mal war, als er gesetzliche Eingriffe in das Tarifrecht ankündigte, sollten die Gewerkschaften nicht zu mehr Öffnungsklauseln, also einer freiwilligen Zerstörung des Flächentarifs, bereit sein.

Ebenfalls ist ein neues Sparpaket in Diskussion, das weitere Verschlechterungen bei den sozialen Sicherungssystemen mit sich bringen würde.

Gleichzeitig geht die Offensive der Kapitalisten in den Betrieben weiter. Mercedes, Siemens, AEF, Volkswagen und viele andere Firmen haben massiven Arbeitsplatzabbau angekündigt. Löhne und Arbeitszeiten werden weiter angegriffen.

Aber das Wahlergebnis hat vor allem die Linke gestärkt und ist eine Motivation für für AktivistInnen der Gewerkschaften und sozialen Bewegungen. Die neue Bundestagsfraktion von Linkspartei- und WASG-Mitgliedern hat nun die Aufgabe, ihre parlamentarische Position und die damit verbundenen Ressourcen zum Aufbau einer starken Bewegung gegen diese pro-kapitalistische Regierung zu nutzen und kämpfende Belegschaften zu unterstützen. Auf dieser Basis könnte eine starke sozialistische Partei der deutschen Arbeiterklasse und der Jugend aufgebaut werden.

Doch die reformistische Politik der Führungen von Linkspartei/PDS und WASG, vor allem die Beteiligung der Linkspartei/PDS an Sozialabbau betreibenden Länderregierungen, sind eine Blockade für eine solche Entwicklung. Deshalb ist es umso dringender, im Verlauf des Vereinigungsprozesses von WASG und Linkspartei/PDS einen starke sozialistische Kraft zu schaffen, die sich gegen jede Form von Sozialabbau und Arbeitsplatzvernichtung auf allen Ebenen und für eine wirklich antikapitalistische Politik stark macht.

Dass Gegenwehr möglich ist, zeigen die Beschäftigten der Universitätskliniken in Baden-Württemberg mit ihrem Streik. Die hohe Beteiligung an den Streikaktionen – in einem Sektor, der wenig Kampftradition hat – zeigt einmal mehr, die bestehende Kampfbereitschaft, die durch klare Aufrufe der Gewerkschaftsführungen mobilisiert werden kann.

Die neue Regierung wird in jedem Falle eine Koalition der Instabilität und Krise. Die Äußerungen von Müntefering und Stoiber, die Merkel eine Richtlinienkompetenz absprechen, sind nur ein Vorbote von den Spannungen, die sich entwickeln werden, wenn die Regierung mit einer starken und handlungsfähigen Linken im Parlament und wachsendem Widerstand in den Betrieben und auf den Straßen konfrontiert sein wird. Ob Merkel vier Jahre Kanzlerin bleiben wird, ist deshalb mehr als fraglich.

Sascha Stanicic, Berlin

12.10.2005