Katrina, Kriegstreiben und sozialer Kahlschlag führen zu Wut und Widerstand in den USA
US-Präsident George W. Bush steckt in der größten Krise seinerKarriere. Der Umgang der Bush-Regierung mit dem Hurrikan Katrina hatdie Wut großer Teile der US-Bevölkerung auf die Regierung gesteigert.Nachdem Bush während des Wirbelsturms erst spät und widerwillig seinenUrlaub unterbrach, haben seine Popularitätswerte einen historischenTiefstand erreicht. Umfragen von Mitte September ergeben, dass Bush nurnoch bei 40 Prozent Unterstützung genießt. Bei Schwarzen sind es nurzwölf Prozent. Dabei kommt auch der Ärger über die Irak-Politik, überhohe Benzinpreise und über Sozialkürzungen zum Tragen.
Die Tatsache, dass die meisten Opfer der Katrina-Tragödie arm undschwarz sind, konnten die Medien nicht verhüllen. Offensichtlich wurde,dass die Kürzungen – sowohl unter Bush als auch unter Clinton – zu derkatastrophalen Notlage beigetragen haben. Jetzt hat Bush Haliburton undBechtel beauftragt, New Orleans wieder aufzubauen. Das sind zweiFirmen, die auf das Engste mit der Bush-Clique verflochten sind undihre Verbindungen schon spielen ließen, um beim Irak-Krieg abzusahnen.
Irak
Schon vor dem Hurrikan Katrina hatte der Irak-Kurs an Unterstützungverloren. Dass Hilfe so lange gebraucht hat, um die Opfer des Hurrikanszu erreichen, lag unter anderem daran, dass über 7.000 Truppen derNationalgarde, die eigentlich im Fall von Naturkatastrophen eingreifensollen, aus Mississippi und Louisiana in den Irak abkommandiert wordenwaren.
Die Mehrheit der US-AmerikanerInnen sind für den sofortigen AbzugderTruppen aus dem Irak. Nur noch 38 Prozent stehen hinter BushsIrak-Politik. Die Frage, ob sich der Irak-Krieg gelohnt hat, verneinten61 Prozent. Sogar der Stadtrat von Chicago hat eine Resolutionverabschiedet, in der sie einen Truppenabzug fordert.
Diese ablehnende Haltung liegt sowohl an den hohen Kosten, als auchander Aussichtslosigkeit der Situation im Irak. Die herrschende Klasse inden USA ist mit immer mehr Problemen konfrontiert. In absehbarerZukunft wird es keinen militärischen Sieg gegen den irakischenWiderstand geben. Das wird die schon stattfindenden Debatten imKongress über den Zeitpunkt des Truppenabzugs noch verschärfen.
Doch das Bush-Regime wird nicht so schnell aufgeben. Sie werdenallestun, damit Irak nicht als eine Niederlage erscheint und dem Prestigedes US-Imperialismus gedient ist. Aber der US-Armee gelingt es nicht,die Sunniten in die irakische Regierung einzubeziehen. Die meistenSunniten sind mit der neuen Verfassung unzufrieden. Der Streit darüberverstärkt die Kämpfe zwischen Sunniten und Schiiten. Al Qaida hat imIrak sogar zum Krieg gegen die Schiiten aufgerufen. DieBombenanschläge, die vor allem ZivilistInnen treffen, nehmen dramatischzu. Ende August starben ungefähr 1.000 Schiiten auf dem Weg zu einerreligiösen Feier in Bagdad, als eine Massenpanik im Zuge von Gerüchtenüber Anschläge die Runde machten.
Am 19. Oktober soll der Prozess gegen Saddam Hussein beginnen.KurdInnen und Schiiten wollen Hussein hängen sehen. Bei einem wichtigenTeil der Sunniten könnte er allerdings als Märtyrer in ihrem Kampfgegen die US-Besatzer gesehen werden. Ein Bürgerkrieg ist eine realeGefahr geworden.
Unmut gegen Rekrutierungskampagne
Das Militär wendet in den USA seit geraumer Zeit besondersaggressiveMethoden bei der Rekrutierung neuer Soldaten an. Kräfte des Militärssind an Schulen präsent und haben Zugang zu den persönlichen Daten vonSchülerInnen. Sie sind vor allem auf Jugendliche aus den ärmerenVierteln aus, vor allem Schwarze und ImmigrantInnen. Mit Versprechenwie die Finanzierung des Studiums oder der Staatsbürgerschaft versuchensie, Jugendliche zu ködern. Immer mehr Jugendliche, aber auch Elternfangen an, sich gegen diese Rekrutierungskampagne zu wehren. Trotzdieser Vorgehensweise erreicht die Armee ihre Ziele in keiner Weise.
Der Unmut gegen die Kriegspolitik spiegelt sich noch nicht in einergroßen, länger andauernden Protestbewegung wider. Doch vielfältig kommtder Stimmungswandel zum Ausdruck: So harrte Cindy Sheehan, die Muttereines im Irak verstorbenen GI, über einen Monat vor Bushs Ranch inTexas aus. Inzwischen ist Sheehan zum Kristallisationspunkt geworden.Hunderte Eltern von Soldaten und KriegsgegnerInnen sind nach Texasgereist, um mit Sheehan zusammen zu protestieren. In den 1.500 Ortenzwischen Ost- und Westküste fanden mittlerweile `Cindy-Sheehan`-Mahnwachen statt.
Bush = Nixon?
Es bestehen einige Paralellen zwischen der Lage unterBush und derSituation unter dem US-Präsidenten Richard Nixon vor seinem Rücktritt1974. Nixon wurde auch während eines verhassten Krieges zunächst im Amtbestätigt. Nixon wurde kurz darauf aufgrund von Massenprotesten zur `lame duck`. Das heißt, er war politisch zu schwach, um seinRegierungsprogramm auch nur ansatzweise durchzuziehen. ÄhnlicheProzesse sind unter Bush zu beobachten. Allerdings gab es damals eineBewegung gegen Vietnamkrieg und Rassismus, die mehrere Jahre hinwegDemonstrationen von Hunderttausenden auslöste. Die politischeRadikalisierung ging seinerzeit mit einer Zunahme von ArbeitskämpfenHand in Hand. Ähnliches ist heute noch Zukunftsmusik.
Heute leben in den USA offiziell 37 Millionen Menschen in Armut.45,8Millionen sind ohne Krankenversicherung. Aber auch für die Mehrheit derarbeitenden und erwerbslosen Bevölkerung wird das leben nicht leichter.Die hohen Benzinpreise in den USA machen viele wütend. Auch andereProdukte, zu deren Herstellung Öl benötigt wird, verteuern sichgewaltig. Dazu kommt noch die hohe Verschuldung der meisten Familien inden USA. Außerdem verdichten sich die Anzeichen, dass dieImmobilienblase bald platzen könnte. Das würde den Konsum erheblichtreffen und könnte sogar zu einer Rezession führen. Übrigens spitztesich Nixons Regierungskrise 1974 vor dem Hintergrund einesWirtschaftsabschwungs zu.
Spaltung der Gewerkschaften
Ende Juli spaltete sich der US-amerikanischeGewerkschaftsdachverbandAFL-CIO. Einige Gewerkschaften unter Führung von Andy Stern,Vorsitzender der SEIU (einer Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes)bildeten eine eigene Koalition, genannt `Change to Win`, die 40 Prozentder gewerkschaftlichen Mitgliedschaft repräsentierte. Diese Koalitionhat den AFL-CIO nun verlassen. Diese Spaltung spiegelt Streitigkeitenunter der Gewerkschaftsbürokratie wider; vor allen Dingen darüber, wiesie aus der Krise sinkender Mitgliederzahlen herauskommen könnte. Nurnoch 12,5 Prozent aller Lohnabhängigen sind heute gewerkschaftlichorganisiert; 1954 waren es 33 Prozent. Doch leider ist das Programm vonStern kein kämpferisches Programm gegen Neoliberalismus und Sozialraub,das eine Demokratisierung der Gewerkschaften vorsieht. Doch genau daswäre eigentlich notwendig, um den Mitgliederverlust zu stoppen und dieGewerkschaften wieder zu einer starken Kraft zu machen.
Neubesetzungen im obersten Gericht
Im obersten Gericht der USA, dem Supreme Court, sind in den letztenMonaten zwei Plätze frei geworden, die jetzt neu besetzt werden müssen.Supreme-Court-Richter werden vom Präsidenten ernannt und vom Senatbestätigt. Die Ernennung ist auf Lebenszeit. Das Supreme Court kannwichtige Entscheidungen treffen, wie zum Beispiel Abtreibungenverbieten. Bushs erste Wahl heißt John Roberts. Er ist einkonservativer Rechtsanwalt und Richter, der auch bei denWahlfälschungen in Florida im Jahr 2000 während derPräsidentschaftswahl seine Finger im Spiel hatte. Er ist jedoch nichtso reaktionär, wie Bushs Anhänger es gerne hätten. Bush willerstmal, dass Roberts bestätigt wird, bevor er seine zweite Besetzungbekannt gibt. Es ist notwendig, jetzt Widerstand gegen die ErnennungRoberts zu organisieren, auch um zu verhindern, dass Bushs zweiterKandidat ein noch reaktionärer Vertreter des bürgerlichen Systems wird.
Gegenwehr
Am 24. September kamen Zehntausende zu einer nationalenDemonstrationgegen die Besetzung des Irak nach Washington D.C. Das kann der Auftaktfür weitere größere Proteste gegen die Kriegspolitik sein. DieEreignisse um Hurrikan Katrina geben den Protesten zusätzlich Nahrung.
Nach Katrina kocht die Wut erst recht bei schwarzen ArbeiterInnenundErwrbslosen. Der für Oktober geplante Millions More March für dieRechte von Schwarzen wird vor diesem Hintergrund an Bedeutung gewinnen.
Um Bush wirklich stoppen zu können, muss die Wut dieser Proteste mitden Kämpfen in Betrieben zusammen kommen. Die Radikalisierung derletzten Monate stellt den Anfang eines politischen Wiedererwachens derLohnabhängigen in den USA dar. Notwendig ist es jedoch, nicht nur gegenBush zu kämpfen, sondern gegen beide große Parteien des Kapitals,Republikaner und Demokraten. Die Gewerkschaften, dieAnti-Kriegs-Bewegung und weitere soziale Bewegungen hätten die Macht,eine neue Arbeiterpartei ins Leben zu rufen. Eine solche Partei ist inden USA dringend notwendig. Damit könnte der erste Schritt gemachtwerden, Kriegstreiben und Profitstreben eine Alternative entgegen zusetzen. Damit könnte dem Ziel näher gekommen werden, die Macht desKapitals im reichsten Land der Welt zubrechen.
von Katie Quarles, Minneapolis, USA