„Wir müssen ein Leben lang kämpfen!“

Gespräch mit André Halfenberg, IGM-Vertrauensmann und Mitglied der Vertrauenskörperleitung im Daimler-Werk Stuttgart-Untertürkheim und Unterstützer der Betriebszeitung „Alternative“*


 

Vor einem Jahr ist Daimler-Chrysler mit einem 500-Millionen-Sparpaket durchgekommen. Was sind die Folgen davon?

Das Sparpaket, Betriebsvereinbarung „Zukunftssicherung 2012“ genannt, ist in Mettingen viel diskutiert worden. Die Löhne werden ab 2006 um 2,79 % reduziert, Neueingestellte erhalten einen abgesenkten Einstelllohn, der Ausschluss Betriebsbedingter Kündigungen bis 2012 ist an Bedingungen geknüpft wie dem Geschäftsverlauf, und damit relativiert, und gilt nicht für nach dem 9.8.2004 eingestellte Kollegen. Und dann die massiven Verschlechterungen für die Dienstleister, für die die Arbeitszeit in 3 Schritten unbezahlt auf 39 Stunden verlängert wird, dazu wird dort das Wochenende zur Regelarbeitszeit. Und die kämpfen jetzt, unterstützt von den Kollegen aus den Produktionsbereichen.

Das sind die Abmachungen zu den so genannten „industrienahen Dienstleistungen“. Kannst du uns erklären, wen das betrifft?

Es betrifft hier im Werk Untertürkheim die Kantine, die Logistik, die Post, dann den LKW-Fuhrpark; der Werksschutz ist schon Fremdvergeben.
Wir hatten hier Betriebsversammlung. Schon vorher gab es viele Diskussionen. Die Kollegen aus Brühl und die vom LKW-Fuhrpark haben dann entschieden, die Betriebsversammlung zu nutzen, um ihren Protest kund zu tun. Die Werksleitung hat das spitz gekriegt. Und so war die Polizei über die Aktion informiert und frühmorgens mit mehreren Streifenwagen in Brühl, weil sie fürchteten dass wieder die B 10 blockiert wird. Als die Kollegen dann mit Trillerpfeifen und Transparenten zur Betriebsversammlung marschierten, da waren dann plötzlich die Saaltüren zu. Angeblich wegen Überfüllung sollte man aus Sicherheitsgründen die Versammlung von einer Nebenhalle über einen Monitor verfolgen. Ich bin seit 20 Jahren hier und habe so was noch nie erlebt. Die Kollegen waren dann noch so taktvoll und haben die Schweigeminute für die verstorbenen Kollegen abgewartet, aber dann haben sie das Tor aufgedrückt und sind rein in die Versammlung, erstmal mit einem minutenlangen Pfeifkonzert. Der Betriebsratsvorsitzende vom Werk Untertürkheim hat 1,5 Stunden geredet. Und danach war ihnen der Verlauf der Versammlung nicht mehr genehm und der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende hat nicht alle Wortmeldungen respektiert und die Versammlung selbstherrlich vorzeitig beendet. Nur 16 von 27 Wortmeldungen hatten geredet. Beiträge gegen den Absenkungstarifvertrag erhielten Applaus und die Befürworter Buhrufe. Der Bereichsbetriebsrat für die Dienstleister- er unterstützt die Absenkungen- konnte nichts sagen, keinen Ton! Als er auf die Bühne ging, haben die Kollegen ein ohrenbetäubendes Pfeifkonzert angefangen. Danach kam der Abbruch. Die Betriebsräte die im Dienstleitungsbereich zuständig sind und massiv für den Dienstleitungtarifvertrag bei den Kollegen werben sind selber von den Verschlechterungen überhaupt nicht betroffen. Es wäre nur richtig wenn sie selber als erste und als gutes Bespiel voran gehen und im Dienstleitertarifvertrag gehen aber das machen die nicht.

Es sind nicht die klassischen, Streikerprobten Produktions- und Bandarbeiter. Eigentlich der Bereich, wo die Gewerkschaftsoberen dann sagen würden: „Der Bereich ist nicht kampfstark genug“, da kann man nichts machen.

Das ist es ja. Der Betriebsrat sagt, es gibt keine Alternative. Aber wofür haben wir uns denn in einer Gewerkschaft zusammengeschlossen? Damit wir gemeinsam kämpfen, streiken. Das kommt denen heute gar nicht mehr in den Sinn. Aber man kann kämpfen. In der Produktion haben wir in Unterstützung der Dienstleister mehr als 2.000 Unterschriften gesammelt. Es mag sein, dass man alleine dann verliert, aber gemeinsam kann man was erreichen. Den anderen Kollegen von der Produktion ist ja auch klar, dass sie irgendwann selber dran sind. Es gab für den Bereich Fuhrpark/LOG am 27. Juli eine Abstimmung über den Absenkungstarifvertrag. 40 dagegen, 3 Enthaltungen und 18 dafür. Jetzt wird mit Fremdvergabe gedroht. Unsere Parole dagegen ist „alle gemeinsam gegen Billigtarif und Fremdvergabe“.

Im letzten Sommer haben sich bei den Protesten gegen das Sparpaket 2.000 Kolleginnen aus Mettingen an der B-10-Blockade beteiligt. Anderstlautend als die IG Metall, die dazu aufgerufen hatte mit der S-Bahn zur Kundgebung zu fahren. Unter den vielen Kolleginnen und Vertrauensleuten die euch unterstützen sind auch vier Betriebsräte. Wie ist das Verhältnis im und zum Betriebsrat?

Der Vorsitzende der Vertrauenskörperleitung war sich damals nicht zu schade zu versuchen die Leute daran zu hindern an der Aktion teilzunehmen. Ich finde es sehr widersprüchlich von ihm, als einen Betriebsrat und Führender IGM- Funktionär, wenn er jetzt eine Wahlempfehlung der WASG unterschreibt. Weil zwischen dem was er sagt und letztendlich tut Welten liegen. Ich kann nicht so wie es die WASG richtig in ihr Programm bringt für Arbeitszeitverkürzung sein und gleichzeitig zur „Rettung der Arbeitsplätze“ im Betrieb für die Verlängerung 39 bzw. 40 Stunden stimmen. Dieses ist in meinen Augen unglaubwürdig. Aber diese Person muss es mit seinem Gewissen selber ausmachen.
Nächstes Jahr sind Betriebsratswahlen. Die Vollversammlung der Vertrauenskörperleitung hat ein Anforderungsprofil für die Liste der IG Metall beschlossen. Gruppen, die andere Publikationen herausbringen oder unterstützen dürfen nicht auf der IGM-Liste kandidieren. Das heißt also, dass wir nächstes Jahr für die Betriebsratswahl von der IGM-Liste ausgeschlossen sind, da wir die „Alternative“ herausbringen oder unterstützen. Deshalb sind wir gezwungen mit einer eigenen Liste anzutreten.

Die Stuttgarter Zeitung hat euch bei den Protesten im letzten Sommer als „Mettinger Rebellen“ bezeichnet. Mettingen ist der Werksteil vom Werk Untertürkheim, wo ihr besonders stark seid. Wie seht ihr euch selber?

Wir wollen eine Alternative bieten zur Politik des Co-Managements und der Verzichtslogik der Betriebsratsspitzen. Wir stehen für basisdemokratische Gewerkschaftspolitik. Nach der B-10-Blockade haben wir eine Bilanz von unserem Kampf herausgebracht, wir haben sie „Eine Bilanz von Metallern an der Basis“ genannt. Jetzt erscheint die „Alternative“, Betriebszeitung von Kolleginnen für Kolleginnen. Sie bringt unzensierte, ungeschminkte Informationen aus der Daimler-Welt. Parteilos, aber immer parteiisch für die Kolleginnen und Kollegen. Meine persönliche Meinung ist, dass man den Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit immer wieder in den Vordergrund stellen muss. Das, was schon Karl Marx und andere erklärt haben, muss man immer wieder diskutieren und aufklären. Wir sind bemüht, unsere Arbeitskraft so teuer wie möglich zu verkaufen, und die Unternehmer sind bemüht, so viel Profit wie möglich zu machen, das ist verkürzt gesagt, der Widerspruch.

Noch ein anderes Thema: Die WASG und die Linkspartei/PDS. Wie stehst du dazu?

Als ich das erste Mal von der WASG hörte, war ich erfreut. Mittlerweile sehe ich das mit Sorgen, weil es jetzt eine Dominanz der führenden Politiker gibt, wie Lafontaine, Gysi oder hier Uli Maurer. Und  das Gewicht der Basis die wirklich eine andere Politik wollen, nimmt ab. Bei der Wahl werde ich die WASG/Linkspartei wählen. Bei der PDS hatte ich auch Hoffnung, aber sie hat sich immer weiter angepasst, wie an der Regierungskoalition in Berlin, hoffentlich enttäuscht uns die WASG nicht.

Das Gespräch führte Pablo Alderete.
* Alle Angaben dienen nur zur Kenntlichmachung der Person