Alle reden vom Abbau der Arbeitslosigkeit, die Konzerne helfen, sie zu steigern
Lanxess und Agfa-Photo in Leverkusen, Bauer Druck und Linde Kältetechnik in Köln, Alstom in Mannheim, Bosch-Siemens in Berlin, das sind nur aktuelle Beispiele von Betrieben, die ganz geschlossen oder in denen jeweils mehrere Hundert Arbeitsplätze abgebaut werden sollen.
Was sind die Hintergründe dieser Welle von Massenentlassungen? Das Standardargument der Konzern-Sprecher lautet: Die Arbeit in Deutschland ist zu teuer.“ Dabei stagnieren die Reallöhne seit Anfang der achtziger Jahre. Für die Beschäftigten sind Steuern und Abgaben gestiegen. Der Anteil der abhängig Beschäftigten am Volkseinkommen, die sogenannte Lohnquote, ist zwischen 1982 und 2002 von circa 72 Prozent auf 62 Prozent gefallen. In dieser Zeit ist die Arbeitslosigkeit auf Rekordhöhe gestiegen. Lohnverzicht hat weder neue Jobs geschaffen noch eine einzige Pleite verhindert.
Konkurrenzkampf
Tatsächlich hat sich die Konkurrenz zwischen den Unternehmen, sowohl in einzelnen Ländern als auch international, dramatisch zugespitzt. Die Konzerne haben auf ihrer Suche nach profitablen Anlagemöglichkeiten immer größere Probleme.
Maßnahmen, mit denen Länder ihre nationale Industrie gegen Konkurrenz abschotten konnten, wurden abgebaut. So wurde der Konkurrenzkampf globalisiert und weiter verschärft.
Die Drohung, die Produktion in ein anderes Land zu verlagern, schwebt über den Köpfen vieler Belegschaften. Doch während ein massiver Abbau von Arbeitsplätzen stattfindet, benutzen Unternehmen die Drohung der Verlagerung häufig nur, um die Belegschaften weichzukochen. Der Schutz durch den eigenen Staat ist ein wichtiger Faktor, welche die meisten Betriebe hier halten.
Unter dem Strich sind nicht die Lohnkosten, sondern die Lohnstückkosten, also die Lohnkosten pro Produkt, entscheidend. Hier liegt Deutschland wegen der hoch technisierten Produktion, der bestehenden Infrastruktur und den gut ausgebildeten Arbeitskräften im unteren Bereich. Die BRD ist nicht umsonst führend im Export.
Der Kostendruck durch die mörderische Konkurrenz lastet auf allen Konzernen. Eine Lösung durch Lohnverzicht und Arbeitsplatzabbau gibt es nicht, jede Kostensenkung hebt die Konkurrenz auf ein höheres Niveau.
Wo sind sie geblieben?
Laut einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) im Jahr 2003 planen 24 Prozent der Industrieunternehmen Verlagerungen ins Ausland. Bei der Frage nach ausländischen Direktinvestitionen wurden neben den Kostenfaktoren auch andere Motive deutlich: 60 Prozent der Unternehmen nennen die Erschließung von Märkten oder die Verbesserung des Vertriebs als Hauptmotiv. Rund die Hälfte der Auslandsinvestitionen von Konzernen aus EU-Ländern fließen in andere „Hochlohnländer“, in andere EU-Länder, ein weiteres Viertel in die USA und nicht in Niedriglohn-Staaten.
Allerdings nehmen Verlagerungen von Betrieben in osteuropäische Länder zu. Hierbei spielt neben Fragen wie Marktnähe auch die Lohnhöhe eine große Rolle. Trotzdem steigt die Arbeitslosigkeit auch in Ländern, in denen das Lohnniveau wesentlich niedriger liegt. International läuft eine Welle von Rationalisierungen. Wenn hier eine Fabrik schließt, 500 Arbeitsplätze abbaut und der gleiche Konzern eine neue Fabrik in Polen baut, dann entstehen dort beispiels-weise lediglich 100 Arbeitsplätze – in einer steuerbefreiten, hochmodernen, hochprofitablen Fabrik, die den Verdrängungswettbewerb auch in Polen anheizt.
Laut DIHK sollten von 2003-2005 jährlich 50.000 Arbeitsplätze „wegen Standortnachteilen“ nicht in Deutschland, sondern im Ausland entstehen. Von 2004 bis 2005 wurden hier mehr als 300.000 Menschen erwerbslos. Nicht die Abwanderung in andere Länder, sondern die schwere Absatzkrise, die gewaltigen Überkapazitäten, sind die Ursache für den rasanten Abbau von Arbeitsplätzen.
Zwar plant jedes Unternehmen, aber die Basis dieser Planung besteht darin, billiger und effektiver zu produzieren als der Konkurrent und diesen damit aus dem Wettbewerb zu drängen. Das führt zwangsläufig zur Entstehung von Überkapazitäten. Ein früherer BMW-Chef, von Kuenheim, drückte diese irre Logik präzise aus: „Es gibt auf der Welt zu viele Autos, aber zu wenig BMW.“
Da die lohnabhängig Beschäftigten nicht den vollen Ertrag ihrer geleisteten Arbeit erhalten und ihnen von den Kapitaleignern immer neue Einbußen abverlangt werden, wird die Nachfrage weiter untergraben. Die Vernichtung von Überkapazitäten steht auf der Tagesordnung.
Gewerkschaftsführung – Teil des Problems
Auf einer Demonstration gegen den Abbau bei der Linde Kältetechnik in Köln sagte der 1. Bevollmächtigte der Kölner IG Metall, Rossmann, am 7. März, die IGM würde nicht über den Abbau von Arbeitsplätzen oder einen Sozialplan verhandeln, Ziel sei einzig der Erhalt des Werkes und der Arbeitsplätze. Zehn Wochen später war der Sozialplan mit Zustimmung der IGM unter Dach und Fach. Außer zwei Kundgebungen auf dem Werksgelände hatte es keine weiteren öffentlichen Aktionen gegeben. Hintergrund ist die politische Kapitulation der gewerkschaftlichen Spitzen vor der Offensive des Kapitals. Auf der gleichen Kundgebung hatte der Kölner IGM-Chef gesagt: „Wir würden hier heute nicht stehen, wenn die Beschäftigten bei Linde nicht so viel zu tun hätten und Produkte herstellen würden, die sich gut verkaufen.“ Das heißt, er hat sich auf die Logik des Unternehmens eingelassen und gleichzeitig erklärt, dass es sinnlos ist, Jobs in Betrieben zu verteidigen, die „zu teuer“ sind oder sich in der Krise befinden. Einmal auf diese Logik eingestiegen, wird man später keinen Ausweg sehen als einem Sozialplan zuzustimmen, der den Abbau besiegelt.
Der Kampf gegen die Schließung von Betrieben ist für die Betroffenen schwer genug. Mit solch einem Vorgehen der Gewerkschaften wird er geradezu blockiert. Um diese Blockade zu durchbrechen wird es nötig sein, die vorherrschende Ideologie zu durchkreuzen, den Kampf von unten in die Hand zu nehmen und eine organisierte Opposition in den Gewerkschaften aufzubauen – damit die DGB-Gewerkschaften mit ihren noch mehr als sieben Millionen Mitgliedern zu echten Kampforganisationen gemacht werden können.
von Claus Ludwig, Köln
Claus Ludwig ist 2004 für das kommunale Bündnis „Gemeinsam gegen Sozialraub – GgS“ in den Kölner Stadtrat gewählt worden
Unsere Antwort auf Betriebsschließungen und Arbeitsplatzabbau
Der Kampf um jeden Arbeitsplatz ist nötig.
Es gibt keinen „sozialverträglichen Abbau“ – Jobs, die vernichtet werden, fehlen uns. „Beschäftigungsgesellschaften“ sind nur ein Tod auf Raten.
Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich.
Unternehmer interpretieren die PISA-Studie dahingehend, dass die Bevölkerung vollkommen idiotisch ist und keine Grundrechenarten beherrscht. Anders lässt sich nicht erklären, dass sie uns weismachen wollen, die Verlängerung der Arbeitszeit schaffe Arbeitsplätze. Die Durchsetzung der 38,5-Stunden-Woche durch IG Metall und IG Druck in der BRD 1984 hat dagegen – obwohl ein viel zu begrenzter Schritt – 300.000 Jobs in den Industrien gesichert.
Für die Offenlegung der Geschäftsbücher.
Bei den Bilanzen der Unternehmen wird gelogen, was das Zeug hält. Durch Ausgründungen werden Besitz- und Vermögensverhältnisse verschleiert. Das Geschäftsgeheimnis erleichtert es Banken, Aktionären und Managern, sich auf Kosten der Beschäftigten zu bereichern.
Der Streik ist das zentrale Mittel des Kampfes.
Jeder Streik bekommt eine große politische Wirkung, vor allem, wenn er mit Öffentlichkeitsarbeit und Demos in den Innenstädten verbunden ist. Noch wichtiger ist: Er trifft die Konzernherren an ihrer empfindlichsten Stelle, beim Geld.
Tägliche Versammlungen.
Die größte Wirkung hat ein aktiver Streik, der von der Belegschaft auf täglicher Grundlage geführt wird. Um einen Kampf durchzustehen, ist es nötig, möglichst viele in die Aktivitäten einzubeziehen und zu informieren.
Neue demokratische Strukturen sind nötig: für Streik- und Aktionskomitees.
Im Kampf um den Erhalt des Werkes sind die alten Strukturen wie Betriebsräte, selbst wenn sie sich voll für die Beschäftigten einsetzen, nicht die besten Werkzeuge. Nötig ist ein Streikkomitee, dessen Mitglieder von den Versammlungen gewählt werden, jederzeit rechenschaftspflichtig sind und abgewählt werden können. “Geheimverhandlungen“ sind von der Streikleitung nicht zu führen. Daneben sollten Arbeitsgruppen gebildet werden, um die Öffentlichkeitsarbeit zu organisieren, Delegationen zu anderen Betrieben zu schicken und die finanzielle Unterstützung für den Kampf zu bewerkstelligen.
Betriebsbesetzung.
Dadurch kann der Abtransport von Maschinen und Sabotage aller Art unterbunden werden. Die Beschäftigten können so die Lage im Betrieb kontrollieren, auf täglicher Grundlage den Kampf planen und organisieren. Der öffentliche Druck steigt enorm. Zwei Jahre lang haben die KollegInnen des Eisenbahn-Ausbesserungswerkes Leverkusen-Opladen nahezu unbeachtet von den Medien gekämpft. Als sie am Ende den Betrieb besetzten, gab es einen bundesweiten Medienauflauf vor dem Werkstor. Auf der Grundlage einer Betriebsbesetzung können auch Konzepte für eine Umstellung der Produktion entwickelt werden.
Ein gemeinsamer Kampf verschiedener Betriebe ist nötig.
Wir dürfen uns nicht gegeneinander ausspielen lassen. Der Kampf einer Belegschaft kann von oben isoliert werden, wenn Arbeitsniederlegungen anderer Werke des gleichen Konzerns und der gleichen Branche ausbleiben.
Überführung in Gemeineigentum.
Wenn private Kapitalisten nicht bereit sind, eine Fabrik zu erhalten, dann müssen sie in öffentliches Eigentum übergehen und von der Belegschaft demokratisch kontrolliert und verwaltet werden. Die Betriebe wurden nicht von den Herren im Vorstand aufgebaut, sondern von den Beschäftigten. Die Infrastruktur für die Fabriken – von der Schulbildung der ArbeiterInnen bis zum Bau der Transportwege – wurde mit Steuergeldern bezahlt. Eine Entschädigung sollte nur gezahlt werden, wenn der Besitzer erwiesener-maßen bedürftig ist.
Für eine demokratische Planwirtschaft.
Selbst wenn ein Betrieb durch Vergesellschaftung gerettet werden kann, so wird der kapitalistische Konkurrenzkampf tagein tagaus zu weiteren Angriffen führen. Erst wenn die Profitwirtschaft überwunden ist, wird die Arbeiterklasse nicht mehr von Kapitalrenditen abhängig sein. Dann kann produziert werden, was gebraucht wird, nicht was Gewinn abwirft. Überproduktion, Überkapazitäten, Verschwendung, Misswirtschaft würden in einer sozialistischen Gesellschaft Vergangenheit sein.