Vom 11. bis 12.Juni 2005 fand in Warschau zum vierten Mal eine landesweite polnische Arbeiterkonferenz statt, an der bis zu 100 ArbeiterInnen, GewerkschafterInnen sowie Angeh?rige linker politischer Organisationen und Gruppen teilnahmen.
Diese Konferenz wurde unter anderem von der Schwesterorganisation der Sozialistischen Alternative ? SAV, der Gruppe für eine Arbeiterpartei ? GPR, mitorganisiert. Auch zahlreiche internationale Gäste, so von der SAV, nahmen an der Konferenz teil.
Auf mehreren Veranstaltungen wurde über die aktuelle Situation der polnischen Arbeiterklasse, die Darstellung der Arbeiterproteste in den polnischen Medien, die aktuelle Situation von Arbeiterinnen auf dem Arbeitsmarkt und über Alternativen zu kapitalistischen Eigentumsverhältnissen diskutiert.
In vielen Diskussionsbeiträgen wurde darauf hingewiesen, dass durch die Korrumpierung der Führung großer Gewerkschaften wie ?Solidarnosc? viele kleine Gewerkschaften entstanden seien, die versuchen würden, die Arbeitsverhältnisse der polnischen Arbeiterklasse zu verbessern. Allerdings hätte sich die Situation der ArbeiterInnen in den Betrieben durch die Zersplitterung nicht groß verändert und wäre weiterhin sehr schlimm. Da Arbeitslose in Polen heute nur bis zu sechs Monate sehr wenig Arbeitslosengeld erhielten und danach auf sich allein gestellt ums Überleben kämpfen müssten hätten die Beschäftigten große Angst vor Arbeitslosigkeit. Dadurch wäre es sehr schwer, ArbeiterInnen in den Betrieben gewerkschaftlich zu organisieren.
Einen wichtigen Raum nahm auch die Veranstaltung zur Geschichte der Arbeiterräte in Polen ein. So gab es die ersten Arbeiterräte, die weitgehende Rechte bis hin zur Ausübung von Staatsmacht besaßen, bereits kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Allerdings wurden die Arbeiterräte recht schnell militärisch unterdrückt. Neue Wellen der Bildung von Arbeiterräten gab es kurz nach dem Zweiten Weltkrieg sowie während der Arbeiteraufstände 1956 und 1980. Deren Rechte wurden allerdings nach und nach wieder beschnitten, bis sie schließlich bedeutungslos wurden und wieder verschwanden. Einige Betriebsräte gibt es heute noch, aber sie wären bedeutungslos. Große Hoffnungen setzten deshalb viele KonferenzteilnehmerInnen in ein neues Betriebsrätegesetz der Europäischen Union. Bisher verhindern besonders kleinere Unternehmen mit allen Mitteln, dass sich die ArbeiterInnen organisieren. Betriebsräte könnten das vielleicht durchbrechen. In der Diskussion wurde u. a. gefordert, dass sich GewerkschafterInnen untereinander vernetzen müssten. Außerdem wurde die Forderung nach der Gründung einer neuen Arbeiterpartei aufgestellt, was aber von den Organisatoren der Konferenz leider nicht aufgegriffen wurde.
Weiter wurde darüber berichtet, dass die durchweg rechtskonservativen bürgerlichen Medien in Polen nichts über Arbeiterproteste berichten würden. Wenn eine Ignoranz von Protesten wie die der Bergarbeiter in Warschau nicht möglich sei, dann würden nur Lügen über angebliche Gewalttätigkeiten, Alkoholismus und anderes verbreitet, nichts aber über die wahren Gründe für die Proteste. Leider glaubten viele Polen diesen Lügen. Es wurde festgestellt, dass es nötig sei, eigene unabhängige Medien wie Internet, Zeitungen und Flugblätter zu schaffen. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde auch die Frage diskutiert, ob die Eigentumsverhältnisse verändert werden müssten und wenn ja, wie das den Beschäftigten nahe gebracht werden könnte. Einige TeilnehmerInnen plädierten dabei für das Aufstellen der Forderung nach einer Vergesellschaftung von Betrieben, andere waren eher für die Gründung von Genossenschaften und andere wiederum wollten diese Forderungen gar nicht aufstellen.
Am Ende der Konferenz wurde vorgeschlagen, bei der nächsten Arbeiterkonferenz 2006 die von vielen TeilnehmerInnen aufgeworfenen Fragen nach der Notwendigkeit einer gewerkschaftsübergreifenden landesweiten Vernetzung von KollegInnen und die nach der Notwendigkeit einer neuen Arbeiterpartei in Polen zu diskutieren. Um diese Konferenz vorzubereiten wurde ein Aktionskomitee gegründet, woran sich so wie in diesem Jahr auch die Schwesterorganisation der Sozialistischen Alternative ? SAV, die ?Gruppe für eine Arbeiterpartei ? GPR?, beteiligen wird.
Ronald Luther, Berlin
Konferenzteilnehmer