Mit ihrem geplanten Aufmarsch am 1. Mai in Leipzig hatten die Nazi-Kameradschaften quasi eine Generalprobe vor der angek?ndigten NPD-Demo am 8. Mai in Berlin. Doch die Generalprobe ging verdammt schief.
Der Neonazi-Kader Christian Worch aus Hamburg hatte zum zweiten Mal nach dem 3.10.2004 versucht, in den eher linken Stadtteil Connewitz zu marschieren. Doch schon am Hauptbahnhof, dem Treffpunkt der Nazis, standen ihnen 4000 bis 5000 Menschen im Weg. Diese massive Gegendemonstration sorgte daf?r, dass die Nazis nur ein paar hundert Meter vorankamen, geschweige denn bis Connewitz. Und auch diese Strecke konnten sie nur laufen, weil die Polizei mit einem martialischen Aufgebot ihnen den Weg freir?umte.
Viele Gruppen, darunter auch die SAV Leizig, hatten dazu aufgerufen, sich den Nazis direkt in den Weg zu stellen. Die Gewerkschaften und die Jusos pl?dierten auch daf?r ?Courage zu zeigen?. Allerdings blieben sie zun?chst am 300 m entfernten Augustusplatz stehen. Entsprechend leer war dann auch die Gewerkschaftsdemo. Denn die ?berwiegende Mehrzahl der Protestierenden fand es wichtiger, genau dorthin zu gehen, wo die Nazis standen, zum Leipziger Hauptbahnhof. Tausende machten die Strecke der Nazis dicht. So vergingen etwa drei Stunden. Die b?rgerliche Presse m?chte diese Verz?gerung haupts?chlich den Personenkontrollen der Nazis durch die Polizei zuschieben. Auch wenn diese eine gewisse Rolle spielten, so war es die tausendk?pfige Menge mit ihrer Entschlossenheit, die Nazis nicht durchzulassen, die den Ausschlag gab. Wahrscheinlich h?tte der Abmarsch der Nazis noch weiter verz?gert werden k?nnen, wenn nicht schlie?lich aus autonomen Reihen ein Hagel Flaschen auf die Polizeikette geschmissen worden w?re. Dies war in diesem Moment das D?mmste, was man machen konnte. Denn nun hatte die Polizei nat?rlich genau den Vorwand, auf den sie gewartet hatte. Sie st?rmte mit ungeheurer Gewalt die Ketten der Demonstranten und schoss Granaten mit Pfefferspray in die Menge. Dieses traf ohne Unterschied alle, auch Kinder, ?ltere Menschen. Viele fielen bei der Flucht vor den Polizeikommandos auf das Pflaster und wurden dann noch getreten. Das Pfeffergas nahm den Atem, reizte die Schleimh?ute und Augen. Trotzdem zogen sich viele Demonstranten auf den Augustusplatz zur?ck, um sich wieder zu sammeln. Nun beteiligte sich auch der DGB mit einer Sitzblockade, allerdings nur auf der von ihm angemeldeten Stra?enseite. Viele begannen auch die andere Stra?enseite dicht zu machen.
Die Polizei r?umte dann die eine Seite f?r die Nazis frei. Sie setzte Wasserwerfer ein und beschoss die DemonstrantInnen minutenlang. Leute, die sitzengeblieben waren, wurden brutal weggeschleift. Einige hatten es nicht geglaubt, aber die Polizei r?umte den 800 bis 900 Nazis gegen den massenhaften Widerstand Tausender die Strecke frei. Doch der Zug der Nazis wurde von den Demonstranten weiterhin begleitet und die meisten versuchten die n?chste Kreuzung zu erreichen, um auch diese zu besetzen. Die Nazis schmissen aus dem Zug heraus Flaschen und Steine. Doch die begleitende Polizei stand weiterhin mit dem Gesicht zu uns und griff nicht gegen die werfenden Nazis ein. Doch an der n?chsten Kreuzung war dann Schluss. Es war mittlerweile ca. 17.45 Uhr. Es war klar, dass Tausende weiter die Strecke sperren w?rden. Die Nazis mussten abbrechen, veranstalteten noch ihre Abschlusskundgebung und drehten unter unser aller Jubel wieder um. Wir hatten gewonnen.
Allerdings h?tte der Sieg auch noch deutlicher ausfallen k?nnen. Zum Ersten hat sich die Strategie einiger Autonomer die Polizei mit einem Flaschenhagel anzugreifen, wieder mal als Dummheit und v?llig kontraproduktiv erwiesen. Es ist zwar nicht auszuschlie?en, dass die Polizei uns trotzdem ger?umt h?tte. Denn immerhin zerschlugen sie auch eine Blockade am Gewerkschaftshaus (obwohl die Nazis davon noch kilometerweit entfernt waren) und schleppten dort wohl sogar den s?chsischen DGB-Chef weg. Aber bei der Blockade Tausender vor dem Hauptbahnhof w?re die Polizei mit einem Wegtragen der Demonstranten lange besch?ftigt gewesen. H?tte die Polizei ohne den Vorwand der Flaschenw?rfe brutal mit Wasserwerfern und Pfeffergas ger?umt, so w?re unser politischer Sieg gewaltig gewesen. Denn dann h?tten sie keinerlei ?Entschuldigung? gehabt, den Neonazi-Aufmarsch durchzusetzen. Zum Anderen haben sich gerade die Gewerkschaften und die PDS recht halbherzig verhalten. Sie besetzten nur genehmigte Teile der Stra?e, konnten sich aber nicht entschlie?en, dazu aufzurufen, die ganze Stra?e zu besetzen und so wirklich wirksam zu blockieren. Die Gewerkschaftsjugenden, die mit den Jusos vorher viel von ?Courage zeigen? erz?hlten, schlossen sich am Anfang ebenfalls nicht der Blockade vor dem Hauptbahnhof an, sondern blieben weiter auf der offiziellen Gewerkschaftsdemo vierhundert Meter weiter hinten. Eine Reihe Gewerkschafter beteiligte sich dagegen sehr wohl von Anfang an an der Blockade, eine Personalr?tin der Uniklinik wurde genau wie viele Jugendliche wegger?umt. Entsprechend leer war die Gewerkschaftskundgebung selbst.
Es war ein gro?er Erfolg f?r uns alle, den Naziaufmarsch gestoppt zu haben. Langfristig ist aber der beste Antifaschismus, eine Alternative aufzubauen, inhaltlich und organisatorisch. Die ?offizielle? Antifa trumpfte mit einem Plakat mit brennender Barrikade, viel inhaltsleerer ging es nicht. Deshalb war es auch wichtig, dass wir am Vormittag des 1. Mai uns an der Gewerkschaftsdemo mit einem k?mpferischen Block beteiligt haben. Dieser wurde von mehreren linken Gruppen (wie AKW, FAU, Linke Studierendengruppe, SAV) wie einer Reihe einzelner Leute unter dem Motto ?Gegen die herrschenden Zust?nde ? Nazis und Sozialabbau bek?mpfen!? organisiert. Mit Reden und lautstarken Spr?chen wie ?Sozialabbau in jedem Land ? unsere Agenda hei?t Widerstand?, ?Ausbeutung ist ?berall ? unser Kampf ist international? oder ?Auf den Standort Deutschland schei?en ? Nazis in die Plei?e schmei?en? machten die Demonstranten des Blocks klar, dass Kampf gegen Nazis und Rassismus und Kampf gegen Agenda 2010 zusammengeh?ren. In unserer Rede berichteten wir auch kurz von dem mutigen Streik der t?rkischen Bauarbeiter des Gama-Konzerns in Irland, die seit einem Monat f?r ihre L?hne k?mpfen.
Dass das Aufzeigen einer k?mpferischen Alternative sowohl gegen die Nazis wie auch gegen Stoiber, Merkel, Schr?der auf der Tagesordnung ist, zeigten auch die Transparente der Nazis. Einer ihrer Slogans war z.B. ?Freiheitlich f?hlen, v?lkisch denken, sozialistisch handeln?. Die aufgezogenen Nazikameradschaften waren wirklich Nationalsozialisten reinsten Wassers. Der ?Sozialismus? der Nazis ist nat?rlich reines Phrasendreschen. Hitler und auch die NPD waren und sind Marionetten, die nicht mit dem Kapitalismus brechen, sondern als seine Bluthunde f?r die schlimmsten Zeiten bereitstehen. Auch jetzt bedrohen sie Aktivisten der sozialen Bewegung und versuchen den Protest zu spalten.
Die Zusammenarbeit mehrerer Gruppen und Einzelpersonen, um den Kampf gegen Sozialabbau und Nazis gemeinsam zu f?hren, ist ein gutes Zeichen. Es geht nun auch darum, das n?chste Mal noch besser zu organisieren, z.B. einen guten Ordnerdienst aufzustellen. Zum Anderen sollten wir auch den Gewerkschaftsjugenden noch mal klar machen, dass ihre Zusammenarbeit mit den Jusos, was ein Ausklammern des Kampfes gegen Hartz IV und Agenda 2010 zur Folge hatte, auch kein erfolgversprechender Weg gegen die Nazis ist. Ihre Parole ?Kein Sex mit Nazis? mag ja ganz spa?ig sein, aber er?ffnet wohl kaum eine Kampfstrategie.
Der Oberb?rgermeister Leipzigs, Herr Tiefensee (SPD), wurde ?brigens beim Schl?rfen von Austern gesehen, w?hrend Tausende am Hauptbahnhof den Nazis den Weg versperrten.
von Ingmar, Leipzig