Wackelt das "gallische Dorf"?

Im Klinikum Stuttgart drohen Einschnitte für das Personal


 

ver.di Stuttgart und der Gesamtpersonalrat am Klinikum Stuttgart waren bisher das "letzte gallische Dorf" im Widerstand gegen die marktwirtschaftliche Ausrichtung in der Krankenhausversorgung, wie ein Klinikumsmanager polemisierte. Im Gegensatz zu fast allen großen öffentlichen Krankenhäusern ist das Klinikum deshalb noch immer Eigenbetrieb und gilt der BAT noch immer ohne Abstriche.
Ein neuer Anlauf der Stadt Stuttgart, das Klinikum in eine GmbH umzuwandeln und einen Absenkungstarifvertrag durchzusetzen, wurde mit einer monatelangen beeindruckenden Kampagne beantwortet.

GmbH nicht vom Tisch

Einen Tag vor der am 3. März geplanten Demonstration kam es ziemlich plötzlich zu einer Vereinbarung zwischen ver.di und Gesamtpersonalrat auf der einen Seite und der Stadt Stuttgart auf der anderen Seite. In dieser Vereinbarung erklären sich ver.di und Gesamtpersonalrat bereit, gemeinsam mit der Klinikumsleitung das Defizit abzubauen. Im Gegenzug verzichtete der Gemeinderat, die Umwandlung des Klinikum in eine GmbH zu beschließen. Er beschloss aber, dass er "die GmbH für die geeignete Rechtsform" hält und beauftragte die Verwaltung, "die Bildung einer GmbH zum 1. Januar 2006 vorzubereiten". Konkret bedeutet das, der Gemeinderat verzichtet nur dann auf die GmbH-Umwandlung, wenn ver.di und Personalrat ausreichend Zugeständnisse machen. Nachdem die Vereinbarung zustande gekommen war, sagte ver.di die Demo ab. In Flugblättern und im Krankenhausinfo wird die Vereinbarung als großer Erfolg gefeiert.

Politisch falsches Signal

Im neuen Krankenhausinfo wird gesagt, dass sich an der Grundposition von ver.di nichts ändere. Nämlich, dass die Beschäftigten nicht schuld seien am Defizit und die Stadt Stuttgart die reichste Stadt Deutschlands sei. Dann heißt es aber weiter: "Dennoch sind wir nicht so naiv zu glauben, dass in einem Betrieb, dem in den nächsten Jahren ein Defizit von über 100 Millionen Euro droht, die Beschäftigten ungeschoren davon kommen." Mit dieser Argumentation ist ver.di Stuttgart bei der Argumentation der ver.di-Führung. Die Botschaft an die Beschäftigten ist also: Es gibt keine Alternative zum Sparen, wir streiten uns nur noch über die Höhe.
Die Argumentation der ver.di-Linken muss aber eine ganz andere sein: Wir haben die Defizite nicht verursacht, also bezahlen wir auch nicht dafür. Ohnehin sind wir Beschäftigten in den Krankenhäusern völlig unterbezahlt. Die Tariferhöhung in diesem Jahr ist sowieso viel zu wenig und bedeutet nach mehr als zehn Jahren Reallohnverlust weitere Kaufkrafteinbußen. Und bei offiziell über fünf Millionen Arbeitslosen darf es auch nicht sein, dass in den Krankenhäusern weitere Stellen abgebaut werden.

Kampfbereitschaft vorhanden

Die Bereitschaft zu kämpfen war unter den Beschäftigten vorhanden. Die Kampagne hatte auch eine große Außenwirkung. Über den Metallertreff war eine Solidaritätskampagne gestartet worden, die dazu geführt hatte, dass sich die Delegiertenversammlung der Esslinger IG Metall nicht nur gegen die Umwandlung der Kliniken in GmbHs, sondern auch die Abwälzung der Defizite auf Beschäftigte und PatientInnen aussprach. Bis Anfang März hatten 40 Vertrauensleute und Betriebsräte aus Metallbetrieben einen Protestbrief an Oberbürgermeister Schuster (CDU) unterschrieben.
Die Demonstration am 3. März hätte die Kampfkraft weiter aufbauen können und vor allem wäre sie eine gemeinsame Demonstration mit anderen Belegschaften und Teilen aus der Bevölkerung geworden. Darauf hätte ver.di weitere Kampfschritte aufbauen können. Das "gallische Dorf" hätte bundesweit auf sich aufmerksam machen können. Dadurch wären Belegschaften in anderen Kliniken ermutigt worden, ebenfalls in den Kampf zu treten. Der ver.di-Bundesvorstand hätte dadurch enorm unter Druck gesetzt werden können, seine neoliberale Position in Sachen Krankenhäuser aufzugeben. Die Voraussetzungen wären verbessert worden, dahin zu kommen, den überfälligen bundesweiten Streik in den Krankenhäusern für mehr Geld und mehr Personal zu führen.

von Ursel Beck, Gewerkschaftspolitische Sprecherin der SAV