Krise in Bolivien

Zur aktuellen Lage nach dem abgelehnten R?cktrittsangebot des Pr?sidenten Mesa
 
Der bolivianische Präsident Carlos Mesa hat dem Parlament sein Rücktritt angeboten. Die Absicht dahinter war die eigenen Kräfte zu sammeln und den Mobilisierungen, die vehement höhere Steuerabgaben der ausländischen Erdgasunternehmen und die Verstaatlichung des Wasserversorgers ?Aguas del Illimani? (gehört der französischen Firma Suez-Lyonnaise des Eaux) fordern, etwas entgegenzusetzen.

Das Parlament hat das Rücktrittsangebot abgelehnt, Mesa nutzte die Parlamentssitzung am 8. März (El Clarin, 9.März 2005) um einen Appell gegen die Mobilisierungen und Straßenblockaden zu richten, die von Teilen der Gewerkschaften, der ?Movimiento al Socialismo? (MAS/ ?Bewegung zum Sozialismus?), indigenen Gruppen und Basisorganisationen von El Alto getragen werden.

Carlos Mesa folgte im Oktober 2003 Sanchez de Lozada als Präsident. Vorausgegangen war der so genannte ?Krieg um das Gas?, ein Aufschrei gegen die Armut, gegen die Plünderung der Rohstoffe Boliviens durch multinationale Konzerne und gegen die neoliberale Politik. Die Massenproteste endeten mit dutzenden von Toten und der Flucht von Sanchez de Lozada aus dem Regierungssitz mit dem Hubschrauber. Carlos Mesa, ein bekannter Journalist, war der Kandidat der dem Kapital blieb, und nach seiner Einsetzung stabilisierte sich die Lage, bis jetzt der Konflikt wieder ausbrach.

Mesa vermied es bisher mit Polizeieinsätzen gegen die Demonstranten zu drohen. Der Konflikt gewinnt jetzt an Schärfe. Mesa spricht davon dass die Regierung ?das freie Recht der Bevölkerung auf Bewegungsfreiheit? durchsetzen wird und rief zu Gegendemonstrationen gegen die Straßenblockaden auf. In Santa Cruz zerstörte die Polizei am Donnerstag mehr als 100 Fahrzeuge die Zufahrtswege blockierten und nahm 104 Fahrer fest. In Cochabamba gab es Zusammenstöße zwischen Coca-Bauern und Studentischen Symphatisanten von Mesa (Pagina 12, 11.3.2005). Gleichzeitig gab es ein erstes Treffen zwischen Mesa und der MAS (s. Foto) um einen Kompromiss zu finden.

mesa-moralesCarlos Mesa wird von den Parteien unterstützt, die auch die Basis von der alten kapitalistischen Regierung von Sanchez de Lozada bildeten:
Movimiento Nacionalista Revolucionario (Nationalistische Revolutionäre Bewegung), Movimiento de Izquierda Revolucionaria (Linke Revolutionäre Bewegung), die dies nur dem Namen nach sind, und der Gruppe um den Ex-Diktator Hugo Banzer.
Auf der anderen Seite stehen die Gruppen die in den letzten Jahren im Sog der Rebellion gegen neoliberale kapitalistische Politik entstanden sind oder mit ihnen wuchsen. Die COB, der zentrale Gewerkschaftsbund mit Jaime Solares, die Bewegung der Aimaras dessen Sprecher Felipe Quispe ist und die MAS von Evo Morales, die allerdings nach der Ernennung von Mesa einen Pakt mit ihm eingingen und vor allem auf die Wahl 2007 hinarbeiten um sie mit Evo Morales zu gewinnen.

Dem ?Krieg um das Gas? 2003, folgte im Juli 2004 ein konfuses Referendum über die Zukunft der Erdgasausbeutung. Es war Ausdruck der riesigen Unterstützung für höhere Abgaben an den Staat, ja für eine Politik um den multinationalen Konzernen die Kontrolle und die Gewinne der Rohstoffe vollständig zu entreißen und die Erdgasgewinnung zu verstaatlichen. Evo Morales und die MAS schlossen einen Pakt mit Mesa und gingen mit einer ähnlichen Empfehlung in das Referendum, die das Ziel hatte einen zu radikalen Ausgang zu verhindern. Die MAS steht jetzt unter starkem Druck von unten und fordert die direkten Abgaben aus der Erdgasgewinnung an den Staat von 18 auf 50 % zu heben (z. Vergleich: in Argentinien wurden sie auf 45 % angehoben). Mesa sperrt sich gegen diese Absicht.

Der andere Konfliktherd ist der private Wasserversorger ?Aguas del Illimani?, der die Stadt El Alto versorgt. Blockaden in und um El Alto schneiden der Hauptstadt La Paz Zufahrtswege ab und blockieren den Weg zum internationalen Flughafen. Die BRD und die Schweiz haben angekündigt dass sie ihre Hilfsprojekte für El Alto einstellen werden, falls Aguas del Illimani die Konzession entzogen wird.

von Pablo Alderete

quispeFelipe Quispe, Sprecher der indigenen Bewegung der Aimaras und Organisator von Straßenblockaden in El Alto und La Paz gab der argentinischen Tageszeitung El Clarin am 9.3.2005 ein Telefoninterview zu der Lage in Bolivien:

Quispe: Wir werden die Proteste fortsetzen. Es ist der einzige Weg um die Stimmen der Indigenen Menschen hörbar zu machen. Wir haben kein Vertrauen in die Abgeordneten.

Clarin: Warum nicht?

Q: Weil sie die Interessen der Konzerne vertreten, die die Reichtümer aus dem Land ziehen. Aguas del Illimani saugt den Anwohnern das Blut aus. Sie verlangen zu hohe Gebühren. Die Investitionen die dir Firma angekündigt hat, haben wir nicht gesehen.

Clarin: Bis wann werden die Proteste weiter gehen?


Q: Bis die Wasserversorgung in der Hand der Anwohner von El Alto ist. Auf dem friedlichen Weg werden wir das nicht erreichen. Mesa hat sich klar ausgedrückt: Er wird das Wasser nicht nationalisieren?

Clarin: La Paz und El Alto waren heute relativ ruhig. Was ist passiert?

Q: Wir haben die Parlamentssitzung abgewartet. Ab morgen gehen die Mobilisierungen weiter.

Clarin: Es gab Zusammenstösse zwischen Gruppen die Strassen blockierten und Arbeitern die sich durch die Blockaden eingeschränkt sahen.

Q: Es gibt eine kleine Minderheit die nach Mesa kräht. Aber unserer Meinung nach sind sie nicht represäntativ, es sind Staatsangestellte. Wir haben viel mehr Kraft, wir haben Sanchez de Lozada gestürzt, dieser hier wird auch stürzen.

Clarin: Der Präsident hat Unterstützung aus vielen Bereichen bekommen.

Q: ..Mesa verkauft unsere Reichtümer. Er ist auf der Seite der Multis und denkt nicht an das Volk. Er ist sogar imstande seine Mutter zu verkaufen.