„Klar, daß demonstrieren nicht reicht“

Belgische Krankenhausbeschäftigte im Streik für mehr Geld, Neueinstellungen und Arbeitszeitverkürzung für Ältere.
Ein Gespräch mit Jan Croe
 
jancroeJan Croe ist Betriebsrat im St. Nikolaus Krankenhaus Eupen, im deutschsprachigem Teil Belgiens

Im flämischen Teil Belgiens werden die Krankenhäuser zur Zeit unbefristet bestreikt. In der Wallonie und im deutschsprachigen Raum laufen wöchentlich 24stündige Warnstreiks. Für welche Forderungen kämpfen die Beschäftigten?

Hintergrund ist eine Befragungsaktion, die im Jahr 2003 durchgeführt wurde und ergeben hat, daß der Finanzbedarf für die belgischen Krankenhäuser bei drei Milliarden Euro liegt. Genehmigt wurden aber nur 375 Millionen. Im Verlauf der inzwischen einjährigen Auseinandersetzung haben sich drei zentrale Forderungen der Beschäftigten herauskristallisiert. Zum einen geht es um die Aufstockung der Jahresendprämie auf ein volles 13. Monatsgehalt. Derzeit liegt sie bei etwa der Hälfte. Dadurch will man die Tatsache, daß die Einkommen der Krankenhausbeschäftigten, die zum privaten Sektor zählen, gegenüber denen anderer Kollegen in der Privatwirtschaft um rund zehn Prozent niedriger liegen, zumindest teilweise ausgleichen. Eine weitere zentrale Forderung ist die Reduzierung der Arbeitszeit für ältere Beschäftigte. Bestimmte Berufsgruppen, wie beispielsweise Krankenpfleger, erhalten ab 45 Jahren zusätzliche freie Tage. Wir wollen, daß dies auf alle Beschäftigten ausgeweitet wird. Drittens fordern wir Neueinstellungen, um den gestiegenen Arbeitsdruck zu kompensieren.

In Zeiten gewerkschaftlicher Defensive sind das erstaunlich offensive Forderungen. Wie kommt das?

Dies ist zwar in gewissem Sinn ein Offensivkampf, andererseits sind die Löhne in den Krankenhäusern aber wie gesagt niedriger als anderswo. Es geht also darum, aufzuholen.

Nun ist es nicht gerade einfach, in Krankenhäusern Arbeitskämpfe auf die Beine zu stellen. Wie läuft das praktisch ab?

Eine Methode ist, ähnlich wie an Sonntagen mit reduzierter Besetzung zu arbeiten und – außer natürlich bei Notfällen – keinerlei Untersuchungen durchzuführen. Wie scharf das durchgezogen wird, hängt von den Bedingungen und Belegschaften in den jeweiligen Institutionen ab. In Belgien hat zwar jeder Beschäftigte Streikrecht, eine Notversorgung muß aber aufrechterhalten werden. Deshalb können die Kollegen im Zweifelsfall zur Arbeit gezwungen werden. Besonders in Flandern, aber auch in der Wallonie, ist das bereits tausendfach geschehen.

Wie hat die Regierung bislang auf die Proteste reagiert?

Wir haben schon ein ganzes Jahr der Mobilisierungen hinter uns. Bis zu 20.000 KollegInnen haben dabei an Kundgebungen und Demonstrationen teilgenommen. Trotzdem hat die Regierung unsere Forderungen bislang abgelehnt. Besonders die flämische Sozialdemokratie tut sich mit einer harten Haltung hervor, weil sie eine Ermutigung für andere Beschäftigte befürchtet. Aufgrund der sturen Haltung der Politiker ist den meisten Beschäftigten klar geworden, dass Demonstrieren alleine nicht reichen wird. Deshalb nun der Streik.

Wenn die Regierung weiter hart bleibt, wären die Beschäftigten bereit, die Proteste noch auszuweiten?

Bei den Diskussionen der letzten zwei Wochen ist deutlich geworden, daß die Kollegen wissen, um was es geht. Sie haben bei den Aktionen gezeigt, daß sie kampfbereit sind – besonders in Flandern, aber zunehmend auch in der Wallonie. Auch hier war die Beteiligung an den Streiks sehr gut. Viele sind inzwischen berechtigterweise der Meinung, daß 24stündige Streiks nicht mehr ausreichen und wir die Gangart verschärfen müssen.

Interview: Daniel Behruzi