Fast 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges schreien die deutschen Faschisten vor Freude und Siegestaumel.
Sie sind wieder wer ? in seri?sen Anz?gen in den Landtagen, als Provokateure auf Montagsdemonstrationen, als Schl?ger auf der Stra?e. Das b?rgerliche Establishment reagiert entsetzt und entr?stet und will das Demonstrationsrecht versch?rfen. Sind die neuen Nazis so wie die alten? Was unterscheidet den Aufstieg der Braunen heute zu dem Anfang der neunziger und Mitte der sechziger Jahre? Was taugen Verbote und Einschr?nkung des Versammlungsrechts gegen die NPD? Wie k?nnen die Faschisten geschlagen werden?
Die Erfolge der extremen Rechten sind kein rein deutsches Ph?nomen. In ?sterreich trat die rechtspopulistische FP? unter J?rg Haider in die Regierung ein. Jean Marie Le Pen vom Front National ging bei den letzten franz?sischen Pr?sidentschaftswahlen als zweitst?rkster Kandidat hervor.
Viele b?rgerliche Parteien setzen verst?rkt auf die rechte und rassistische Karte und bereiten den N?hrboden, auf dem die rechtsextremen Kr?fte wachsen k?nnen. So zum Beispiel in D?nemark, dessen rechtskonservative Regierung faktisch das Asylrecht abschaffte. Auch die CDU/CSU macht durch flotte Debatten ?ber ?deutsche Leitkultur? auf sich aufmerksam. Otto Schily, die eiserne Faust der SPD, tr?umt von Auffanglagern in Nordafrika.
Das Sch?ren rassistischer Vorurteile, das Heraufbeschw?ren des Gespenstes der ?berfremdung und die immer sch?rfere Ausl?ndergesetzgebung sind aber keine neue Erscheinung. Sie geh?ren seit Anfang der neunziger Jahre fest zur Politik aller herrschenden Parteien Deutschlands und Europas, die sich nach dem 11. September 2001 in der ganzen westlichen Welt durch eine mal unterschwellige, mal offene Hetze gegen Muslime verst?rkt hat.
Rassistischen Attacken durch die etablierten Parteien folgten dabei oft faschistische ?berf?lle und Pogrome auf dem Fu?. Anfang der Neunziger beschloss die Union unter Federf?hrung ihres damaligen Generalsekret?rs Volker R?he eine Kampagne gegen das Asylrecht. Das war ein bewusster Schritt, um vom forcierten Sozialabbau und der Krise der kapitalistischen Wirtschaft abzulenken. Es folgten die Pogrome und Morde von Rostock, Hoyerswerda und Solingen.
Die neue Bedrohung
Mit den j?ngsten NPD-Erfolgen erreichte die Bedrohung von ganz rechts eine neue Qualit?t. Das Scheitern an der F?nf-Prozent-H?rde bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein bedeutet keine Entwarnung. Schlie?lich verf?gt die NPD durchaus nicht ?ber so starke Strukturen, wie sie gerne glauben macht. Nachdem sie ihre ?Ober-Kader? nach Sachsen warf, sah ihre Truppe in Schleswig-Holstein recht schwach aus. F?r die Wahlen in Nordrhein-Westfalen ist sie allerdings besser vorbereitet.
Anders als die FP? oder die Schill-Partei ist die NPD keine rechtspopulistische Partei, sondern eine faschistische Kaderpartei. Sie verbindet einen ?seri?sen? Kampf im Parlament mit einem militanten auf der Stra?e. Sie verf?gt ?ber gute Kontakte zu faschistischen Schl?gertrupps in den freien Kameradschaften.
Programmatisch ist die NPD den klassischen Nazis der NSDAP am n?chsten. Sie erhebt den Anspruch, ?sozial? und ?antikapitalistisch? zu sein (auf einzelnen Demos in Ostdeutschland hatte sie sogar Parolen f?r eine ?sozialistische? Alternative). In Wirklichkeit stellt die F?hrung der NPD Kapitalismus und (deutsche) Unternehmerinteressen nicht in Frage. Im s?chsischen Landtagswahlprogramm vor sechs Jahren schlug sie das vor, was mit Hartz IV jetzt Realit?t wird: Erwerbslose zu ?gemeinn?tzigen Arbeiten und Arbeitsf?rderungsprogrammen? heranzuziehen, also massenhaft Billigjobs zu schaffen. In ihrem Grundsatzprogramm bekennt sich die Partei zum ?freien Unternehmertum?. Dort wird auch die Demontage der sozialen Sicherungssysteme gerechtfertigt: ?Eine Sozialpolitik nach dem Traumbild des totalen Wohlfahrtsstaates, dessen Belastungen f?r alle Schaffenden zum Albtraum werden, verfehlt ihre Aufgabe und ist unsozial.?
Die Landtagsfraktion der NPD in Sachsen benutzt ihre Parlamentssitze, um zu provozieren und ihre Propaganda zu verbreiten. Sie sorgte f?r einen Eklat, als sie die Gedenkstunde des Landtags zu Ehren der Opfer des Nationalsozialismus verlie? und anschlie?end die Bombardierung Dresdens als ?Bombenholocaust? bezeichnete ? um so den Holocaust zu relativieren. Flankiert wird das durch Aufm?rsche von zum Beispiel 5.000 Nazis am 13. Februar in Dresden.
Viele haben ?berrascht reagiert, als die NPD im September 2004 mit 9,2 Prozent der Stimmen in den s?chsischen Landtag einzog und damit mit der SPD fast gleichauf lag. Schon bei den Kommunalwahlen einige Monate zuvor konnten die Faschisten in Sachsen 40 Sitze in Stadt- und Gemeinder?ten und 13 Mandate in Kreistagen erringen, in der S?chsischen Schweiz erhielten sie teils ?ber 20 Prozent der Stimmen. Aber auch im Saarland erzielten sie bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr 4,4 Prozent in Saarbr?cken und 9,6 Prozent in V?lklingen.
?Kampf um die Stra?e?
Damit sammelten sie die Fr?chte ihrer langj?hrigen Arbeit ein. Schon vor Jahren ging die NPD daran, ihr ?Drei-S?ulen-Konzept? umzusetzen: ?Kampf um die Stra?e, Kampf um die K?pfe, Kampf um die Parlamente?.
Den Kampf um die K?pfe nahmen ihnen zum gro?en Teil die etablierten Parteien ab, indem sie das notwendige rassistische Klima anheizten. Im Kampf um die Stra?e nahmen Naziaufm?rsche und das so genannte Konzept der ?national befreiten Zonen? eine wichtige Rolle ein. In Teilen des l?ndlichen Raumes und in vielen Kleinst?dten konnten die Nazis zunehmend die Jugendkultur dominieren. Erleichtert wurde ihnen das oft durch das Konzept der ?akzeptierenden Jugendarbeit?. So machten sich Nazi-Kader in manchen Jugendh?usern breit. Die dortigen Sozialarbeiter waren v?llig ?berfordert. Erg?nzt wurde der Kampf um die Jugend durch Nazikonzerte und das Verteilen von CDs auf Schulh?fen.
AntifaschistInnen und ?berhaupt alle, die den Rechten nicht in die ?national befreite Zone? passten, wurden terrorisiert, zum Beispiel durch Kameradschaften wie die Skinheads S?chsische Schweiz (SSS). Allerdings konnten die Nazis nicht fl?chendeckend Ton angebend werden, und in den Gro?st?dten gelang ihnen das erst recht nicht.
Ein wesentliches Hindernis f?r Wahlerfolge war die Zersplitterung der Rechten. Doch gelang der NPD auf Wahlebene das, wof?r sie 1964 urspr?nglich in der alten Bundesrepublik gegr?ndet wurde: die verschiedenen rechten Gruppierungen zusammenzuf?hren.
Aber selbst nach einer B?ndelung der rechten Kr?fte war es sehr fraglich, ob die Stammw?hler der Rechten reichen w?rden, um einen Erfolg bei der Landtagswahl zu erzielen. Hier setzte die NPD nun auf die Versch?rfung der sozialen Krise. Die Einf?hrung von Hartz IV gab ihr das Thema in die Hand. ?Quittung f?r Hartz IV? wurde fl?chendeckend geklebt. Und ?Grenzen dicht f?r Lohndr?cker? ? die Angst vor einer weiteren Lohnabsenkung nach der EU-Osterweiterung aufgreifend.
Die Nazis profitierten vor allem vom Fehlen einer k?mpferischen linken Alternative. Zwar gewann die PDS auch einige Stimmen hinzu. Allerdings trauten ihr viele Arbeitslose und Arbeitende aufgrund ihrer unsozialen Regierungspolitik in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern sowie ihrer SED-Vergangenheit nicht ?ber den Weg. Nachdem die NPD ?ber Jahre hinweg alle Kr?fte auf Sachsen konzentriert, den Parteiverlag ?Deutsche Stimme? extra nach Riesa verlegt hatte und Kader wie Holger Apfel nach Sachsen gezogen waren, gelang ihr schlie?lich der Einzug in den s?chsischen Landtag.
Fr?here Erfolge der Faschisten
Dieser Aufstieg der Nazis ist nicht der erste in der Geschichte der BRD. Viele werden sich an die Welle rechter Gewalt und rassistischer Pogrome Anfang der Neunziger unmittelbar nach der Wiedervereinigung erinnern. Die von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) versprochenen ?bl?henden Landschaften? bl?hten nur in dessen Wahlpropaganda. Stattdessen stieg die Arbeitslosigkeit schnell an. Auf ideologischer Ebene folgte ein nationalistischer Taumel ?ber das wiedervereinigte Deutschland. Vor allem die CDU/CSU heizte mit ihrer Kampagne gegen das Asylgesetz die Stimmung an. Daraufhin kam es zu einer Serie von Angriffen und Brandanschl?gen auf Unterk?nfte von MigrantInnen wie in Hoyerswerder, Rostock-Lichtenhagen, M?lln, Solingen. In einer ganzen Reihe von Neubauvierteln gr??erer St?dte gaben Nazis den Ton an. Auf Wahlebene erzielten rechtsextreme Parteien wie DVU (1992 Schleswig-Holstein 6,3 Prozent; 1998 Sachsen-Anhalt 12,9 Prozent) und Republikaner (1989 Westberlin 7,5 Prozent; 1992 10,9 Prozent und 1996 9,1 Prozent in Baden-W?rttemberg) einzelne Erfolge, konnten diese aber nicht auf Dauer halten.
Zugleich mit den rassistischen Ausschreitungen entstand eine breite Massenbewegung gegen diese. Auch SAV-Mitglieder ergriffen die Initiative und gr?ndeten mit ihren Schwestersektionen in Europa Jugend gegen Rassismus in Europa (JRE). JRE und andere Initiativen mobilisierten auf ?rtlicher Ebene und bundesweit gegen Veranstaltungen von Nazis, gegen ihre Wahlk?mpfe, sie zogen Nazifunktion?re ans Licht der ?ffentlichkeit und veranlassten sie so, ihren Wohnsitz wechseln zu m?ssen. Aufgrund des massiven Widerstands griff schlie?lich auch der Staatsapparat ein, dem die Radikalisierungstendenzen (nach links und rechts) und die wachsende Instabilit?t nicht passen konnten. Organisationen wie FAP und Wiking-Jugend wurden verboten.
Mitte der Neunziger ging der faschistische Terror und die Anzahl offener Pogrome deutlich zur?ck. Ein wichtiger Faktor war aber auch der Anstieg sozialer Proteste gegen die Kohl-Regierung, die in die DGB-Gro?demonstration von einer halben Million Menschen im Sommer 1996 in Bonn m?ndeten.
Lehren aus den sechziger Jahren
Die gr??ten Erfolge ihrer Geschichte erzielte die NPD in den sechziger Jahren. Bei den Bundestagswahlen 1965 erreichte sie zwei Prozent, doch dann zog sie in immer mehr Landtage ein. Auf ihrem H?hepunkt im April 1968 erzielte sie mit 9,8 Prozent der Stimmen ihr bestes Ergebnis in Baden-W?rttemberg. Sie war nun mit 61 Sitzen in sieben Landtagen vertreten. In dieser Situation nahm sie, ?hnlich wie heute, Kurs auf den Bundestag. Doch bei den Wahlen 1969 scheiterte sie mit 4,3 Prozent.
Diese Erfolge der NPD hatten ihre Ursache zum Einen in der ersten Wirtschaftskrise der BRD Mitte der sechziger Jahre. Zum Anderen machte sich auch damals das Fehlen einer Alternative auf der Linken bemerkbar. Auf Bundesebene regierte von 1966 bis 69 die Gro?e Koalition von CDU/CSU und SPD.
Doch das Entstehen der au?erparlamentarischen Opposition (APO) Ende der Sechziger und Mobilisierungen der Gewerkschaften gegen die NPD setzten dem weiteren Wachstum der Faschisten Grenzen. In vielen St?dten wurden Sternm?rsche organisiert. So stellten sich in N?rnberg 20.000 GegendemonstrantInnen den Nazis in den Weg. Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre kam es zu einem Aufschwung von Klassenk?mpfen (Metaller- und Druckerstreiks, eine Serie inoffizieller Streiks, der gro?e Arbeitskampf im ?ffentlichen Dienst 1974). Das ging einher mit einer Linksverschiebung in der Gesellschaft und einer Offenheit f?r systemkritische und sozialistische Ideen.
Die NPD unterhielt Ende der sechziger Jahre ?brigens einen eigenen bewaffneten Ordnerdienst. Im Bundestagswahlkampf 1969 schoss der Leiter dieses Ordnerdienstes, Klaus Kolley, zwei Gegendemonstranten an. Die NPD-Funktion?re stellten sich sch?tzend vor Kolley. Das verst?rkte die Gegenaktivit?ten noch mehr. Der Einzug in den Bundestag misslang.
In der zunehmenden Radikalisierung nach links Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger konnte sich die NPD nicht halten. Die CDU/CSU r?ckte selbst ein St?ck nach rechts und f?hrte den Widerstand gegen die Ostvertr?ge an, so dass die NPD mit Parolen wie ?Verzicht ist Verrat? sich nicht allzu deutlich von der Union absetzen konnte.
Die NPD wusste nicht, wie sie auf die Ereignisse reagieren sollte. 1970 fra? sie auf ihrem 4. Parteitag Kreide, bekannte sich zur freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung und lehnte Krieg als Mittel der Politik ab. Doch es kam zu Richtungsk?mpfen und Abspaltungen. Ein Teil aus dem Umfeld des NPD-Ordnerdienstes pl?dierte f?r bewaffneten Aktionismus. Die Mitgliederzahlen sanken von 28.000 im Jahr 1969 auf 14.500 im Jahr 1972, um sich bis 1980 nochmals zu halbieren.
Die Basis der NPD
Die j?ngsten Erfolge der NPD stellen also keine v?llig neue Erscheinung in der deutschen Geschichte nach 1945 dar.
Doch nach dem Zusammenbruch des Stalinismus kam es in den Neunzigern zu einem st?ndigen Zur?ckweichen der Arbeiterbewegung und einer schweren ideologischen Krise ihrer F?hrung. Die klassische Sozialdemokratie hatte vor dem Hintergrund der sich versch?rfenden kapitalistischen Misere immer weniger Spielraum f?r ihren klassischen Reformismus und betreibt seit Schr?ders Regierungsantritt offene Konterreformen. Gleichzeitig entfremdet sich aufgrund des dramatischen Rechtsrucks der DGB-Spitze ein wachsender Teil der Arbeiterklasse immer mehr von den Gewerkschaften. Das trifft nat?rlich vor allem den arbeitslosen Teil der Arbeiterklasse, die oft ?berhaupt keine Erfahrung mehr in betrieblichen K?mpfen haben, darunter gerade im Osten viele Jugendliche. Von der Schule schickt sie die Arbeitsagentur ?ber diverse, meist sinnlose Warteschleifen von ?Qualifizierungsma?nahmen? direkt in die Arbeitslosigkeit.
In diese Stimmung der hilflosen Wut schlagen die Nazis. Sie zeichnen ein Bild des einfachen Deutschen, der verraten und verkauft ist, so zum Beispiel Holger Apfel auf einem NPD-Flugblatt: ?Gro?industrie und ausl?ndisches Kapital, ?Ali? oder ?Mustafa?, Drogens?chtige und H?ndler ? sie alle haben bereits ihre Unterst?tzer im Parlament. Nur wir Deutschen haben niemanden mehr, dem wir vertrauen k?nnen.? Au?er nat?rlich Holger Apfel und der NPD.
Auch wenn die DVU nun zum zweiten Mal in Folge im Brandenburger Landtag sitzt, so geht die gr??ere Gefahr von der NPD aus. Denn sie verbindet ihre Parlamentssitze mit einer gewissen Verankerung in manchen Gegenden, wo sich ihre Kandidaten und Mitglieder als nette Nachbarn von nebenan geben, und mit der M?glichkeit der Mobilisierung der militanten Nazischl?ger. Letzteres macht auch die Wahl von Thorsten Heise in den Parteivorstand der NPD deutlich. Denn dieser kommt von den Freien Kameradschaften und ist nun in der NPD f?r diese verantwortlich.
Seit der s?chsischen Landtagswahl legte der NPD-Landesverband um 160 auf 860 Mitglieder zu. Die NPD zieht auch die Mitglieder anderer rechter Parteien an. In Hamburg sind die Republikaner geschlossen ?bergetreten. DVU-Chef und Multimillion?r Frey scheint die F?hrerschaft der NPD anzuerkennen und ?berl?sst ihr mit den j?ngsten Absprachen die weitaus wichtigeren Wahlen, bis hin zur Bundestagswahl.
Das B?rgertum hat momentan kein Interesse an einem gewaltigen Aufschwung, geschweige denn einer ?Machtergreifung? der Faschisten, da es auch noch ohne sie die Lage unter Kontrolle h?lt. Doch sie passen ihnen gut, um Proteste wie die Montagsdemos als von Nazis organisiert zu verunglimpfen und so zu schw?chen.
Rechtspopulistische Formationen wie FP? oder Schill-Partei haben in den letzten Jahren ihren instabilen Charakter bewiesen. Insbesondere mit Eintritt in die Regierung verloren sie schnell an Unterst?tzung. Diese Parteien haben keine wirkliche soziale Basis. Die Faschisten waren in den Zwanzigern und Drei?igern eine Massenbewegung des Kleinb?rgertums, welches die soziale Krise ins Elend riss. Das Kleinb?rgertum ist als soziale Klasse heute wesentlich schw?cher als in den Drei?igern.
Ist es anstelle davon heute m?glich, dass die Neofaschisten einen bedeutenden Einfluss in Teilen der Arbeiterklasse gewinnen? Die Entfremdung gro?er Teile der Arbeiterklasse von ihren traditionellen Organisationen wie den Gewerkschaften kann den Nazis in die H?nde spielen. Andererseits wirft der von unten auf die Beine gestellte Streik bei Opel ein Licht darauf, dass f?r die n?chsten Jahre verst?rkte K?mpfe zu erwarten sind ? auch an der Gewerkschaft vorbei. Hier kommen die Nazis nat?rlich in gro?e Widerspr?che, da sie die ?Vers?hnung? von Arbeitern und Unternehmern propagieren.
Sollte es verst?rkt zu verallgemeinerten K?mpfen der Arbeiterklasse kommen, wovon auszugehen ist, und sollte der Prozess der politischen Neuformierung, der mit der Gr?ndung der Partei Arbeit und soziale Gerechtigkeit (ASG) gerade erst begonnen hat, weitergehen, dann k?nnen diese Entwicklungen das Wachstum der Nazis erschweren. Allerdings gibt es da keinen Automatismus. Darum muss mit dem Aufbau einer Alternative der Kampf gegen die Nazis einhergehen. Denn jeder weitere Erfolg macht die Faschisten selbstbewusster und damit gef?hrlicher.
NPD-Verbot?
Die St?rkung der NPD d?rfte im Moment nicht durch die Debatten um ein neuerliches NPD-Verbot und die Versch?rfung des Demonstrationsrechts verhindert werden. Es ist relativ klar, dass die Mehrheit von CSU bis SPD ein neuerliches Verbotsverfahren im Moment nicht riskieren will, nachdem ihr letzter Versuch an den Informanten des Verfassungsschutzes in h?chsten Gremien der NPD scheiterte. Stattdessen will man nun partei?bergreifend das Demonstrationsrecht einschr?nken. Dabei geht die CDU/CSU so weit, die Bannmeile um das Parlament erweitern zu wollen. Diese Einschr?nkung trifft nat?rlich nicht nur die Nazis, sondern auch soziale Proteste gegen Gesetze wie Hartz IV.
Aber es ist ?berhaupt gef?hrlich, sich in der Bek?mpfung der Nazis auf den Staat zu verlassen. Denn er hat kein Interesse am vollst?ndigen Trockenlegen des faschistischen Sumpfs. Verbotsverfahren waren meist langwierig und lie?en den Nazis Gelegenheit zur Umgruppierung. Wie ernst es staatliche Stellen mit der Bek?mpfung der Nazis meinen, kann man daran ermessen, dass Verb?nde wie AMAL, die sich um Opfer rassistischer Gewalt k?mmern, in Sachsen keinerlei Landesmittel bekamen.
Faschisten und Rechtsextreme sind den Herrschenden von Nutzen. In Krisenzeiten sollen sie helfen, die Spaltung innerhalb der Arbeiterklasse zu vertiefen. Indem deutsche und nichtdeutsche KollegInnen gegen-einander aufgehetzt werden, werden die Interessengegens?tze zwischen Kapitalisten und Lohnabh?ngigen verschleiert. In der Anti-Hartz-Bewegung versuchte das b?rgerliche Establishment, die Montagsdemos zu diskreditieren, in dem sie als von Nazis mitinitiiert dargestellt wurden.
Wie die Faschisten schlagen?
Um die Nazis zu schlagen, m?ssen wir uns auf uns selbst verlassen. Direkte Massenmobilisierungen gegen die Nazis sind n?tig. Daf?r gibt es beeindruckende Beispiele. Am 3. Oktober 2004 blockierten in Leipzig Tausende einen Naziaufmarsch. In Kiel stellten sich einer Nazi-Demo mehr als 7.000 DemonstrantInnen direkt entgegen, w?hrend auf der von SPD und CDU veranstalteten Kundgebung gerade mal 1.000 waren.
Wenn die NPD und Neonazis planen, am Tag des Kriegsendes am 8. Mai in Berlin auf die Stra?e zu gehen, dann ist eine Neuauflage des ?Aufstands der Anst?ndigen? kein Schritt nach vorn. Schlie?lich schaffen SPD, Gr?ne, CDU/CSU und FDP mit ihrer Politik die Voraussetzungen daf?r, dass die Braunen heute punkten k?nnen. Massenhafte Demonstrationen, die sich sowohl gegen die Angriffe der Regierung und Unternehmer richten, und gleichzeitig die Demos der Nazis blockieren, w?ren in Berlin und anderswo eine richtige Antwort. Zu diesen k?nnten sowohl Gewerkschaften, antifaschistische Gruppen, Organisationen von Fl?chtlingen, ASG und andere mobilisieren.
Ein Kampf gegen die Nazis wird nur erfolgreich sein, wenn dieser mit dem Kampf gegen Hartz IV, gegen Lohnsenkungen und gegen die Schlie?ung von Jugendzentren und Freizeitst?tten verbunden wird. Wollen wir den Nazis wirksam Einhalt gebieten, dann brauchen wir Massenmobilisierungen ? nicht nur gegen Rechts, sondern in allererster Linie gegen die unsoziale Rotstiftpolitik.
Hier gilt es, den Kampf auf betrieblicher Ebene aufzunehmen, aber auch innerhalb der Gewerkschaften f?r einen radikalen Kurswechsel einzutreten. Um dahin zu kommen, muss eine innergewerkschaftliche Opposition aufgebaut werden.
Wir brauchen eine Partei, die kompromisslos auf Seiten der arbeitenden Bev?lkerung steht. N?tig ist eine Partei, die erkl?rt, dass die Grenzen nicht zwischen den V?lkern verlaufen, sondern zwischen oben und unten.
Mit der Gr?ndung der ASG existiert ein guter Ansatzpunkt. Sie kann sich den Nazis direkt in den Weg stellen und klarmachen, dass eine Alternative zur kapitalistischen Misere m?glich ist.
von Ingmar, Leipzig
Was ist Faschismus?
Eine faschistische Partei wie die NPD zeichnet nicht allein Rassismus, Nationalismus und die offen antidemokratische Zielsetzung aus. Von rechten b?rgerlichen Parteien unterscheiden sich Faschisten dadurch, dass sie dem Kapital als ?Kettenhunde? dienen; mal werden sie auf ArbeiterInnen und auf die Linke ?losgelassen?, mal werden sie an die kurze Leine genommen. Allerdings ist das f?r die Unternehmer ein Spiel mit dem Feuer, schlie?lich haben sie die Nazi-Banden nicht v?llig unter Kontrolle.
Kamen Nazis an die Macht ? ob Hitler in Deutschland, Franco in Spanien oder Mussolini in Italien ?, dann diente ihre Herrschaft dazu, s?mtliche Organisationen der Arbeiterbewegung vollst?ndig zu vernichten. Durch die Abschaffung aller demokratischen Rechte sollte verhindert werden, dass sich ArbeiterInnen auch nur irgendwie neu organisieren und gegen das Kapital zur Wehr setzen k?nnen.
In den zwanziger und drei?iger Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelten sich faschistische Bewegungen vor dem Hintergrund einer tiefen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise. Das heutige Wachstum der NPD ?hnelt in manchem der damaligen Situation, wenn es auch wichtige Unterschiede gibt.
NSDAP
Damals entwickelten sich die Nazis als Reaktion auf die revolution?ren Bewegungen von 1918 bis 23 in Deutschland und auf die starke Arbeiterbewegung. Teile des Gro?kapitals finanzierten mit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) eine Partei, die mit offener Gewalt gegen die Arbeiterbewegung vorging. Die Unternehmer versprachen sich davon, dass AktivistInnen von KPD, SPD und Gewerkschaften mit Mitteln eingesch?chtert werden k?nnen, die ?ber die M?glichkeiten des Staates in der Weimarer Republik ? Polizei, Armee, Geheimdienst und so weiter ? hinaus gingen. So gab es auf dem H?hepunkt einer Terrorwelle 1932 allein in drei Wochen 461 Stra?enk?mpfe mit 82 Todesopfern und 400 Verletzten aufgrund des Nazi-Terrors.
Mit der wirtschaftlichen Krise verelendeten die Mittelschichten. Nachdem die Arbeiterbewegung es nicht geschafft hatte, die Revolution von 1918 bis 1923 siegreich zu Ende zu f?hren, wandten sich kleine Gewerbetreibende, Bauern und Offiziere von ihr ab. Mit der NSDAP fanden sie eine Partei, die gegen das ?j?dische? Gro?kapital polemisierte und gleichzeitig den ?j?dischen? Kommunismus angriff. So gaukelten die Nazis den Kleinb?rgern vor, ihre soziale Stellung zu verteidigen: gegen die Enteignung durch die Kommunisten und gegen den Ausverkauf an das gro?e Kapital. Mit dem Antisemitismus erhielten die Kleinb?rger einen S?ndenbock und mit dem Nationalismus eine Identit?t, an die sie sich w?hrend ihrer sozialen Verelendung klammern konnten. So schuf sich die NSDAP eine bewaffnete kleinb?rgerliche Massenbasis.
Zerschlagung der Arbeiterbewegung als Ziel
Als der b?rgerliche Parlamentarismus den Kapitalisten nicht mehr ausreichte, um den Widerstand der Arbeiterklasse gegen den Sozialabbau zu brechen, konnte das Kapital die Nazis als Rammbock gegen die Arbeiterklasse nutzen: Nach der Macht?bergabe an Hitler, Anfang 1933, wurden als erstes KPD, SPD und Gewerkschaften verboten und zerschlagen.
So konnte in den Betrieben das ?F?hrerprinzip? eingef?hrt werden. Die ArbeiterInnen konnten ihre Arbeitskraft nicht mehr kollektiv verkaufen, also durch Betriebsr?te, Gewerkschaften und Streiks bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen. Und erst mit einer geschlagenen Arbeiterbewegung konnte ein neuer Krieg vorbereitet werden.
Die Klassennatur des Faschismus erkl?rte der russische Revolution?r Leo Trotzki schon in den drei?iger Jahren: ?Der Faschismus ist nicht einfach ein System von Repressionen, Gewalttaten, Polizeiterror. Der Faschismus ist ein besonderes Staatssystem, begr?ndet auf der Ausrottung aller Elemente proletarischer Demokratie in der b?rgerlichen Gesellschaft. Die Aufgabe des Faschismus besteht nicht allein in der Zerschlagung der proletarischen Avantgarde, sondern auch darin, die ganze Klasse im Zustande erzwungener Zersplitterung zu halten. Hierzu ist die physische Vertilgung der revolution?rsten Arbeiterschicht ungen?gend. Es hei?t alle selbstst?ndigen und freiwilligen Organisationen zu zertr?mmern, alle St?tzpunkte des Proletariats zu vernichten und die Ergebnisse von dreiviertel Jahrhundert Arbeit der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften auszurotten. Denn auf diese Arbeit st?tzt sich in letzter Instanz auch die kommunistische Partei? (Schriften ?ber Deutschland).
Auch wenn die Kapitalisten heute nicht unmittelbar ein Interesse an einer Machtergreifung durch die NPD haben: Gerade durch ihre Bereitschaft zum Stra?enterror und durch ihren scheinbaren Antikapitalismus, mit dem sie gegen?ber sozialen Bewegungen Verwirrung stiften und die Wut auf S?ndenb?cke abschieben will, ist die NPD eine faschistische Partei und eine extreme Bedrohung f?r die Arbeiterbewegung und Minderheiten.
von Christoph W?lz, Leipzig