Interview mit Georg Dohr, Betriebsratsvorsitzender* bei Eichbaum Mannheim
Wir haben uns ja letzte Woche schon gesprochen, inzwischen ist der Streik 22 Tage alt. Kannst du uns einen Überblick über die wichtigsten Ereignisse der letzten Woche geben?
Ich denke, was ganz wichtig ist, ist das was gestern passiert ist. Da haben sich Vertreter der Kirchen eingeschaltet, haben Kontakt aufgenommen und sind gestern in den Betrieb reingegangen und haben mit der Geschäftsleitung gesprochen. Und jetzt versprechen wir uns ein Stück weit davon, dass es so gelingt, uns alle gemeinsam an einen Tisch zu bringen, das ist also erst mal eine ganz entscheidende Sache.
Du hast dich auch letzte Woche optimistisch darüber geäußert, daß sich relativ bald die Auswirkungen des Streiks bemerkbar machen würden in Sachen Produktionsausfälle. Allerdings hat mir ein Kollege vorhin berichtet, daß es nun doch so ist, daß in Bellheim Bier abgefüllt und als Eichbaum Bier verkauft wird. Wie sieht es also zur Zeit aus was die Auswirkungen des Streiks betrifft?
Also wir haben jetzt Betriebsbegehungen gehabt, unter anderem mit der Berufsgenossenschaft, und wir stellen fest, daß drinnen Feder gelassen wurde, sage ich mal; man sieht am Zustand der Anlagen daß die qualifizierten Leute fehlen. Man sieht auch, daß die Lagerhallen leer sind. Es holpert im Anlagenlauf.
Es wurde auch die Information an uns herangetragen, daß an anderen Brauereistandorten für die Brauerei abgefüllt wurde, das ist richtig.
Ich habe den Eindruck bekommen, daß die KollegInnen großen Wert auf Unterstützung aus der Bevölkerung legen ? es wurden z.B. Briefe an die Haushalte in Stadtteil verteilt um über den Streik zu informieren. Wie ist die Stimmung unter der Bevölkerung bezüglich des Streiks?
Das ist etwas was ganz hervorragend läuft, man kann wirklich sagen, die Menschen interessieren sich, und bei unserer letzten Demonstration durch die Innenstadt hat man festgestellt daß Leute am Rand stehen bleiben und unsere Flugblätter aufmerksam studieren und Rückfragen stellen. Wir haben viele Tage Infostände gehabt in der Stadt und haben die Leute da informiert. Viele Menschen merken, daß das ein Thema ist, was eben nicht nur unsere Brauerei angeht, sondern daß viele Unternehmen Angriffe auf Arbeitnehmer und Arbeitnehmerrechte, Tarifvertragsstrukturen usw. starten. Die Menschen informieren sich also, stellen Rückfragen, hören aufmerksam zu, und der Kreis der Solidarität ist wirklich groß, also wir haben hier jeden Morgen um 8:30 unsere Treffen hier am Werkstor, und da gibt es immer viele Solidaritätserklärungen, ob das von Betriebsräten sind oder von Organisationen, die sich auch schon im Detail auskennen, was hier passiert und informiert schon hier herkommen und sich solidarisch zeigen. Auch die Nachbarschaft hier, die immer den Lärm und die Auseinandersetzungen mitkriegt, bleibt bei der Stange für uns, sie hängen Transparente von den Balkons, wie man sehen kann ? das ist eine ganz tolle Sache, daß das läuft, und das stärkt uns natürlich enorm, auch psychologisch.
Du hast angesprochen daß nicht nur hier, sondern auch in anderen Betrieben Angriffe gefahren werden, gegen die Beschäftigten, die Rechte der Beschäftigten, gegen die Mitbestimmung usw. Es gab in der letzten Zeit vielfach ein Klima von Einschüchterung, daß vieles kampflos hingenommen wurde, und richtige Arbeitskämpfe vielfach nur geführt wurden, wo Betriebsschließungen und Arbeitsplatzabbau drohten, während Lohneinbußen und Verschlechterung von Bedingungen kampflos hingenommen wurden. Was sind für dich die Gründe warum die Belegschaft hier bereit ist, gegen Lohneinbußen, Verschlechterung von Bedingungen und Angriffe auf die Rechte der Gewerkschaften und der Mitbestimmung zu streiken?
Ich denke das liegt daran, daß wir einerseits eine gute Aufklärungsarbeit geleistet haben, und ich denke, daß die Leute die hier vor dem Tor stehen, nicht nur von Lohneinbußen betroffen sind, sondern daß es um ein größeres Konzept geht.
Es geht darum, diesen Konzern langfristig oder mittelfristig Tarifvertragsfrei zu machen, Mitbestimmungsrechte an den Rand zu drängen, Arbeitnehmerrechte abzubauen und so weiter. Also die Menschen die hier draußen stehen sind auch bedroht von der Idee eine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Betrieb zu schaffen, und in so fern geht auch eine Spaltung leider durch die Belegschaft, denn manche, die sich nicht dazu entschlossen haben, hier vor dem Werkstor für ihre Rechte einzustehen, sind nicht direkt bedroht von einigen Punkten die sich in den Forderungen der Geschäftsleitung finden, zum Beispiel das Thema Zwei-Klassen-Gesellschaft ? da sind in erster Linie die gewerblichen Beschäftigten davon betroffen, und in sofern hat die Idee der Geschäftsleitung, den Spaltkeil in die Belegschaft zu treiben, gezogen, bevor die Tarifauseinandersetzung überhaupt begonnen hatte. Das haben die Leute erkannt, die jetzt hier draußen stehen. Das sind sicherlich besondere Umstände ? alles was man so aus der Wirtschaft kennt was Stück für Stück eingeführt oder genommen wird, an Arbeitnehmerrechten und so, kommt bei uns geballt auf ein Mal. Das geht parallel zum einen in den Tarifverhandlungen, da wird versucht, Schale für Schale Systemänderungen einzuführen, und parallel dazu eben im Betrieb wird versucht, über Betriebsvereinbarungen eine neue Front aufzubauen.
Letzte Woche hast du gesagt, die Beschäftigten und der Betriebsrat sind verhandlungsbereit, aber die Geschäftsleitung weigert sich an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Hat sich das jetzt geändert wo die Auswirkungen des Streiks sich bemerkbar machen?
Ich finde es unglaublich und es ist für uns unerträglich, es wird von Tag zu Tag schwerer das hinzunehmen, wie immer wieder behauptet wird von Seiten der Geschäftsleitung, es läge an der Gewerkschaft. Sie spielen den Ball zurück, die Betriebsräte oder die Gewerkschaft wären nicht verhandlungsbereit. Wir rufen und schreien das eigentlich täglich hier mit dem Megafon raus und verkünden es gegenüber der Presse ? wir sind 24 Stunden verhandlungsbereit, ständig, jeden Tag, und umgekehrt kommt von Seiten der Geschäftsleitung auch über die Presse das Signak ?Die sollen erst mal Wochen da draußen stehen, wir rücken kein Millimeter von unseren Forderungen ab? ? also für uns ist absolut eindeutig, auf welcher Seite die Verhandlungsbereitschaft fehlt. Ich biete das jetzt auch hiermit noch mal an. Wie gesagt, vielleicht gelingt den Kirchenvertretern das was noch nicht gelungen ist, nämlich beide Seiten an den Verhandlungstisch zurück zu bringen – wir haben auch ihnen gegenüber gesagt, wir sind ab sofort jederzeit bereit, uns hinzusetzen und zu reden.
Das Interview führte Seán McGinley
(*dient nur zur Kenntlichmachung der Person)