Bundesvorstand der ASG geht gegen SAV-Mitglieder vor

Stellungnahme der SAV-Bundesleitung vom 15. Februar 2005
 
Bundesvorstand der ASG geht gegen SAV-Mitglieder vor
Schluss mit der Ausgrenzung von SozialistInnen!

Stellungnahme der SAV-Bundesleitung vom 15. Februar 2005

Der Bundesvorstand der ASG diskutiert, SAV-Mitglieder nicht in die neue Partei auf­zunehmen und fordert Funktionsträge­rInnen und KandidatInnen auf, aus der SAV auszu­treten. Dies kann nur als Versuch ge­wertet werden linke KritikerInnen und so­zialistische Positionen aus der ASG heraus zu drängen. Der Beschluss des Bundesvor­stands re­präsentiert die Einführung einer Zwei-Klassen-Mitgliedschaft in der ASG. Es handelt sich nicht ?nur? um eine Attacke gegen die SAV. Nach der SAV werden ande­re linke KritikerInnen ins Visier der jet­zigen Bundesvorstandsmehrheit geraten. Das Vorgehen gefährdet deshalb die ge­samte ASG als breites und pluralistisches Projekt zum Aufbau einer Alternative zum Einheitspartei­enbrei der Sozialräuber, Job­killer und Privatisierer.
Wir fordern alle Gliederungen, Funktions­trägerInnen und Mitglieder der neuen Partei auf gegen das Vorgehen und gegen die Beschlüsse des Bundesvorstands zu protes­tieren und deren Rücknahme zu fordern.

Worum geht es angeblich?

Im Zusammenhang mit den Ausgrenzungs­bestrebungen wurden in der Vergangenheit die abenteuerlichsten Vorwürfe gegen die SAV kolportiert: die SAV unterwandere und do­miniere ASG-Gruppen; die SAV un­terstütze die gewerkschaftsfeindliche AUB; die SAV sei eine Partei, die gegen die ASG bei Wahlen antreten wolle; die SAV halte ASG- und SAV-Zielsetzungen nicht trans­parent auseinander.

Dies sind aus unserer Sicht vorgeschobene Vorwürfe, die davon ablenken sollen, dass es darum geht, linke KritikerInnen und so­zialistische Positionen aus der ASG zu drängen. Trotzdem sehen wir uns ge­zwungen diese kurz zu beantworten:

Die SAV tritt seit Mitte der 90er Jahre für den Aufbau einer neuen, breiten Arbeiter­partei ein. Darunter haben wir immer eine Partei verstanden, die konsequent gegen So­zialabbau, Privatisierungen und Arbeitsplatz­vernichtung kämpft und Ak­tivistInnen aus verschiedenen Grup­pierungen und politischen Traditionen, Ge­werkschafterInnen und sich neu poli­tisierende ArbeitnehmerInnen, Erwerbslose, Jugendliche und RentnerInnen zusammen bringt. Wir haben uns immer da­für ausge­sprochen, dass eine solche Partei ein so­zialistisches Programm annehmen solle, dies aber nie zu einer Bedingung für unsere konstruktive und solidarische Mitarbeit ge­macht. Dementsprechend haben wir von Be­ginn an die Bildung der WASG und die Gründung der Partei ASG unterstützt und die örtlichen Gruppen mit aufgebaut. SAV-Mit­glieder haben gemeinsam mit anderen ASG-KollegInnen Veranstaltungen durchgeführt, Flugblätter verteilt, Mitglieder für die neue Partei geworben und wurden in viele Kreis­vorstände und vier Landesvorstände gewählt. Auf die Listenplätze 14, 18 und 20 der ASG-Landesreserveliste für die Landtagswahlen in NRW wurden SAV-Mitglieder gewählt.
Die Darstellung, es gebe einen Konflikt zwi­scher „der“ ASG und „der“ SAV ist falsch. In den meisten Kreisverbänden gibt es keine Konflikte, die über das normale Maß poli­tischer Meinungsverschiedenheiten, mit denen solidarisch und konstruktiv umge­gangen wird, hinausgehen. Konflikte werden nur in solchen Fällen größer, wo ASG-Mit­glieder inhaltliche Auseinandersetzungen mit sozialistischen Po­sitionen gar nicht erst führen wollen. Von einer Unterwanderung zu sprechen ist eben­falls blanker Unsinn. SAV-Mitglieder agieren offen und ehrlich in der ASG und geben sich als solche zu er­kennen.

Die SAV hat aktiv den Streik der Opel-Kolle­gInnen vom Oktober letzten Jahres un­terstützt. Wie viele der aktiven KollegInnen hal­ten wir das Vorgehen der IG Metall für Streikbruch und haben dieses öffentlich kri­tisiert. Einzelne aktive KollegInnen, davon zwei, die auch in die WASG eingetreten waren, sahen sich von der IGM nicht mehr vertreten und sind in die Arbeitsgemein­schaft Unabhängiger Betriebsangehöriger eingetre­ten. Diese ist eine ?gelbe? Gewerk­schaft. Eine arbeitgeberfreundliche und ge­werkschaftsfeindliche Organisation. Wir halten den Ein­tritt der beiden Kollegen in die AUB für einen politischen Fehler und haben diese, statt sie zu verteufeln und aus­zugrenzen, versucht davon zu überzeugen, dass ihr Schritt falsch ist. Trotz ihres Fehlers bleiben diese Kollegen für uns Kollegen, die ohne die katastrophale Poli­tik der IG Metall-Führung niemals in die AUB getrieben worden wären. Im Bezug auf diese Kollegen ist aus unserer Sicht eine in­haltliche Ausein­andersetzung und nicht Aus­grenzung ange­sagt. Führt man diese, wird man feststellen, dass die Positionen der Kollegen wenig mit den AUB-Positionen zu tun haben.

Ist die SAV eine Partei? Die SAV ist keine eingetragene Partei im Sinne des Parteienge­setzes. Wir haben in den letzten Jahren – vor der Gründung der Partei ASG – an verschie­denen Wahlen teilgenommen. In den meis­ten Fällen hatten wir uns bemüht linke Bündnis­listen zu bilden, in anderen Fällen ist die SAV selbständig angetreten. Drei SAV-Mitglieder sind im letzten Jahr in Stadtparlamente gewählt worden. In Rostock als Kandidatin der SAV/Liste gegen Sozial­kahlschlag und in Aachen und Köln als Kan­didaten von kommunalen Wahlbündnissen. Im Zusammenhang mit eigenständigen Kan­didaturen haben wir die SAV in der Öffent­lichkeit als Partei dargestellt. Dies hat sich auch in verschiedenen Dokumenten, wie der Satzung der SAV niedergeschlagen. Gleich­zeitig haben wir seit 1997 öffentlich für die Bildung einer breiten Arbeiterpartei gewor­ben, in der verschiedene Strömungen und AktivistInnen zusammen kommen können. In der ASG sehen wir die Chance eine sol­che Partei aufzubauen und haben dieses Pro­jekt von Beginn an unterstützt und mitge­tragen. Dementsprechend werden wir nicht in Konkurrenz zur ASG bei Wahlen antre­ten, sondern zur Wahl der ASG aufrufen und aktiven Wahlkampf für die ASG be­treiben, insofern diese klare Positionen gegen Sozialkahlschlag. Arbeitsplatzver­nichtung und Privatisierungen bezieht. Auf­grund dieser Haltung zu eigenständigen Kandidaturen wird die Darstellung der SAV als Partei für uns obsolet. Die zuständigen Gremien der SAV werden dies in den nächs­ten Wochen diskutieren und sicherlich die notwendigen Schritte beschließen.

Jede Leserin und jeder Leser unserer Zeitung ?Solidarität? wird sich selber davon über­zeugen können, dass wir die Unter­schiede zwischen SAV und ASG nicht unter den Teppich kehren, sondern offen und ehr­lich ansprechen. Genau das hat ja den Zorn des ASG-Bundesvorstands auf uns gezogen.

Worum geht es tatsächlich?

Der Kern der Auseinandersetzung um die SAV ist die Frage nach dem Charakter der ASG. Soll die ASG eine kämpferische und kritische Partei sein oder eine Neuauflage der Sozialdemokratie? Soll die ASG eine demo­kratisch und weitgehend von unten nach oben aufgebaute Partei sein oder soll sie von oben nach unten aufgebaut sein? Soll es möglich sein in der ASG für so­zialistische Positionen einzutreten und für eine Weiterentwicklung des jetzigen Pro­gramms zu argumentieren oder soll dieses keynesianistisch-marktwirt­schaftliche Pro­gramm in Stein gemeißelt werden?
In diesem Sinne bekennen wir uns schuldig! Ja, wir haben von Beginn an Kritik am Vorgehen der InitiatorInnen der WASG ge­äußert. Ja, wir waren nicht einverstanden mit dem ?Top-Down?-Aufbau der WASG. Ja, wir haben innerhalb der WASG für so­zialistische Politik argumentiert und werden dies auch in der ASG tun.

In einem Beitrag im Forum auf der WASG-Website schreibt ein der SAV-Mitglied­schaft unverdächtiger Andreas Waibel folgenden Kommentar und trifft damit den Nagel auf den Kopf: ?Bei der SAV ist fraglich, ob sie eine Partei im Sinne der Satzung ist. Aber selbst wenn, dann greift die Übergangsrege­lung und ein Ausschluß­grund würde sich höchstens ergeben, wenn die SAV in Konkur­renz zur ASG sich an einer Wahl beteiligen würde. Worüber diskutieren wir hier also? Wenn trotzdem offenbar Mitglieder des Bundesvorstandes eine völlig unnötige und schädliche Debatte anzetteln, dann geht es of­fenbar um etwas anderes: Nämlich um das Abschrecken und Vertreiben ganzer poli­tischer Strömungen. Der Erfolg ist bereits da. Wir haben in Frankfurt mehrere unserer ak­tivsten Mitglieder verloren (die übrigens in keiner anderen Partei Mitglied waren) auf­grund der Presseaussage von Klaus Ernst, wonach sich die ASG von der PDS darin un­terscheide, dass sie „vom bestehenden kapi­talistischen System ausgeht“ (Frankfurter Rundschau).
Bisher haben wir immer geglaubt, dass ein Unterschied zur PDS ist, dass diese nur auf Pöstchen in eben diesem kapitalistischen Sys­tem scharf ist und dafür bereit ist, wie in Ber­lin die neoliberale Politik mitzutragen. Wenn die ASG jetzt auf einmal noch angepasster und zahnloser als die PDS ist, dann ist das für 90% unserer Basis nicht mehr die richtige Partei. Ich halte Klaus für nicht so dumm wie diese Aussage, sondern ich glaube, dass er damit bewußt bestimmte Menschen ver­treiben will. Aber warum nur? Es gibt keine böse Unterwanderung, es gibt nur das erste Mal seit langer Zeit wieder ein Projekt in Deutschland, wo Menschen mit unterschiedli­chen Überzeugungen und unterschiedlicher Geschichte etwas gemeinsam machen.
Wenn nun diese Entscheidung gegen die SAV (die bei uns in Frankfurt gar keine Rolle spielt) durchkommt, dann werden wir weitere Mitglieder verlieren.?

Deshalb geht es um mehr als den Verbleib der SAV-Mitglieder in der ASG. Es geht dar­um, was für eine Partei aus der ASG wird.

Demokratie?

Es geht darum, ob die ASG demokratisch funktionieren wird. SAV-Mitglieder treten für eine demokratischere Satzung ein. Wir sind für das Recht auf jederzeitige Abwählbarkeit aller gewählten Funktionäre. Wir sind für das Recht Plattformen und Arbeitsgemeinschaften in der ASG zu bilden, wie es in anderen Parteien wie PDS bzw. SPD sogar möglich ist. Wir treten auch dafür ein, dass niemand durch die poli­tische Tätig­keit in der ASG seine persönli­che soziale Frage löst und argumentieren für die Be­grenzung von Hauptamtlichen-Gehäl­tern und Abgeordnetenbezügen auf einen durchschnitt­lichen Facharbeiterlohn.

Zweifel am Demokratieverständnis von Tei­len des Bundesvorstands sind jedenfalls ange­bracht. Auch das Vorgehen in der Frage der Aufnahme von Mitgliedern der SAV in die ASG zeigte das. Da wurde tatsächlich die Aufnahme von über 2.000 KollegInnen verzö­gert, damit der BuVo über die Haltung zu den SAV-Mitgliedern beraten konnte. Die Über­gangsregeln zur Satzung sehen zwar vor, dass die Aufnahmen in die Partei bis zum ersten Parteitag vom Bundesvor­stand vorgenommen werden. Die Satzung sieht aber auch vor, dass dies die Aufgabe der Kreisvorstände ist. Man konnte die Übergangsregeln nur als ein not­wendiges formales Zigeständnis an die Tatsa­che ver­stehen, dass die neue Partei erst einmal ja keine Kreisverbände hat. In der Realität bilden aber die Kreisverbände des Vereins WASG jetzt schon die Kreisverbände der Partei. Das ist auch gut so, denn sonst wäre die Partei kaum handlungsfähig vor Ort. Warum dann also die Aufnahme von Mit­gliedern in dieser Form zentralisieren? Si­cher war den BuVo-Mitgliedern, die die Ausgrenzung der SAV betreiben, bewusst, dass kein Kreis­vorstand in der gesamten Re­publik gegen die Aufnahme der SAV-Mit­glieder votieren würde, also mussten sie schon auf höchster Ebene darüber befinden.
Vor der Beschlussfassung wurde kein offizi­elles Gespräch mit der SAV-Bundesleitung geführt. Unser Vorschlag, eineN SAV-Vertre­terIn zu dieser Sitzung zuzuladen (nach bürgerlicher Rechtsauffassung ist ja das Recht auf Verteidigung etwas selbstver­ständliches…) wurde ignoriert. Stattdessen wurde das Internet-Forum zensiert und ASG-Mitglieder dort gesperrt, die für die SAV Partei ergriffen.

Mit diesen Methoden wird man keine Men­schen für die ASG begeistern können. Die Skepsis gegenüber undemokratischen Struk­turen in politischen Parteien, die vor allem als Karriereinstrumente und Selbstbe­dienungsläden für BerufspolitikerInnen gesehen werden, ist in der Bevölkerung zu­recht groß. Wenn es nicht gelingt zu verhindern, dass die ASG den Eindruck ver­mittelt, keine wirklich andere Partei zu sein, werden ihre Aufbauch­ancen verbaut. Eine historische Chance zum Aufbau einer Partei für ArbeitnehmerInnen, Erwerbslose, Jugendliche und RentnerInnen wäre vertan.

Das Gespenst des Sozialismus

Die Basis der ASG ist die Ablehnung von So­zialkürzungen, Arbeitsplatzvernichtung und Privatisierungen. Es besteht Einigkeit dar­über, dass sinnvolle Arbeitsplätze ge­schaffen werden müssen, ein ökologischer Umbau der Gesellschaft nötig ist, das Bil­dungs-, Gesund­heits- und Sozialwesen aus­gebaut werden müssen etc. Dafür können alle, die heute in der ASG sind gemeinsam kämpfen. Vom IG Metall-Sekretär bis zum SAV-Mitglied, vom Globalisierungskritiker bis zur Hartz IV-Empfängerin. Meinungs­verschiedenheiten gibt es darüber, wie diese Ziele erreicht werden können. Soll sich die ASG auf die parlamentarische oder außer­parlamentarische Arbeit konzentrieren? Können soziale Er­rungenschaften im Rahmen einer kapitalis­tischen Wirtschafts­ordnung erkämpft und be­wahrt werden?
Die Diskussion über das ?Wie? hat in der ASG gerade erst begonnen. Teile des Bundes­vorstands scheinen darüber keine Diskussion zu wollen, sondern versuchen ihre Antwort der Partei aufzudrängen. Denn nur so kann man verstehen, dass mit der SAV gerade die Kraft angegriffen wird, die offensiv für eine antikapitalistische Ausrich­tung der ASG ein­tritt und damit die key­nesianistische Ideologie der Bundesvor­standsmehrheit in Frage stellt.
Wir treten für eine Partei ein, die ihren Schwerpunkt auf die Tätigkeit in den Wohngebieten, den Betrieben, Hochschulen, Schulen und auf der Straße legt und nicht vor allem auf Parlamentssitze schielt. Wir treten für eine Partei ein, die sich den kapi­talistischen Sachzwängen nicht beugt und die nicht davor zurückschreckt die Eigen­tums- und Machtfrage in der Gesellschaft aufzu­werfen. Wir treten für eine Partei ein, in der sozialistische Positionen frei geäußert und de­battiert werden können.

Wie weiter?

Der Bundesvorstand versucht ein Exempel zu statuieren. Die Basis muss sich zu Wort melden! Fordert die Rücknahme der getätig­ten Beschlüsse und ein Ende der Aus­grenzungsversuche gegen SAV-Mitglieder und andere SozialistInnen. Bringt entspre­chende Anträge in ASG-Gruppen ein und richtet diese an den Bundesvorstand. Legt entsprechende Anträge beim Bundespartei­tag im Mai vor. Schaltet Euch in die Diskussionen über Programm und Satzung ein, die beim Bundesparteitag am 7. und 8. Mai beschlossen werden.

Setzen wir uns gemeinsam für eine breite, pluralistische und demokratische ASG ein!

Die Stellungnahme als PDF-Datei zum Download (70k)