Neue Kriege sind in Vorbereitung

Die M?nchner ?Sicherheitskonferenz? am 12. Februar ist eine Kriegstagung
 
Schon bald nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs warnte Bertolt Brecht den ?Völkerkongress für den Frieden?: ?Der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden!?
Neue Kriege werden vorbereitet. Hier und heute. Und das öffentlich: Am zweiten Februarwochenende tagen Repräsentanten von Militär, Politik und Rüstungslobby im Münchner Nobelhotel Bayrischer Hof.
Neben den offiziellen NATO-Ratstagungen ist die alljährliche Münchner ?Sicherheitskonferenz? die weltweit größte Militärtagung. Hier werden Angriffskriege wie der NATO-Krieg 1999 gegen Jugoslawien geplant, hier tummeln sich alle ranghohen Vertreter des militärisch-industriellen Komplexes von Nordamerika und Westeuropa. Seit geraumer Zeit werden auch einzelne Regierungen und Unternehmer aus Osteuropa, Russland und dem Nahen Osten eingeladen.
Noch ist der US-Imperialismus die international dominierende ökonomische und militärische Macht. Im US-Budget stehen jährlich 400 Milliarden US-Dollar bereit, alle EU-Staaten zusammen kommen nicht mal auf die Hälfte dessen. Aber die Kapitalisten Westeuropas sitzen längst auf Kohlen.

Aufrüstung in Europa

Die neue EU-Verfassung ist in der Geschichte einmalig. Zum ersten Mal wird in einer Verfassung die Verpflichtung zur kontinuierlichen Aufrüstung festgeschrieben. Im November vergangenen Jahres wurde vereinbart, ?battlegroups? einzurichten ? schnell einsetzbare Kampfverbände der EU von rund 1.500 Soldaten mit einer Reichweite von 6.000 Kilometern, die also weit außerhalb des EU-Territoriums agieren sollen. Zuvor war bereits die Schaffung einer 60.000 Soldaten starken ?Schnellen Eingreiftruppe? beschlossen worden.
Neue Kriege brauchen neue Waffen. Um mit der US-Konkurrenz annähernd Schritt zu halten, haben europäische Rüstungskonzerne unter Führung deutscher und französischer Unternehmen nach dem Jugoslawien-Krieg 1999 ihre Kräfte gebündelt, und mit EADS einen gemeinsamen Rüstungskonzern aus der Taufe gehoben.

Kapitalistische Krise

An die Stelle des sogenannten Kalten Krieges trat keine Ära des Weltfriedens, sondern der Beginn einer neuen Rüstungsspirale. Dazu zwingt die heutige Krise des kapitalistischen Systems. Während die Arbeiterklasse im eigenen Land weiter ausgepresst werden soll, gilt es gleichzeitig, die Profitkrise mit allen ? und damit auch mit militärischen ? Mitteln zu überwinden. Da die Märkte und Rohstoffe der Welt unter den imperialistischen Staaten weitgehend aufgeteilt sind, bedeutet das den Kampf um eine imperialistische Neuaufteilung.
Die Rüstungsindustrie ist die einzige Branche, in der von den Auf- und Abschwüngen der Marktwirtschaft weitgehend unbeeinflusst produziert wird; in der die Investitionen sogar steigen können, wenn es mit der ?Wirtschaft? bergab geht. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs konstatierte Rosa Luxemburg: ?In Gestalt der militaristischen Aufträge des Staates wird die zu einer gewaltigen Größe konzentrierte Kaufkraft (…) der Willkür, den subjektiven Schwankungen der persönlichen Konsumtion entrückt und mit einem rhythmischem Wachstum begabt.?

Zwischenimperialistische Konflikte

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Spannungen zwischen den imperialistischen Kräften auf Grund des Ost-West-Gegensatzes im Zaum gehalten. Mit dem Zusammenbruch des Stalinismus zeigen sich die Konflikte innerhalb des kapitalistischen Lagers ? vor dem Hintergrund des fortgesetzten ökonomischen Niedergangs ? immer deutlicher.
Die EU ist für die europäischen Kapitalistenklassen ein Zweckbündnis. Der Wirtschaftsblock EU bietet deutschen oder französischen Unternehmern größere Absatzmärkte. Der Militärblock EU hilft den einzelnen europäischen Ländern, die auf sich gestellt im Wettrüsten mit den USA schnell ins Hintertreffen geraten würden.
In den neunziger Jahren waren einige afrikanische Länder Schauplatz für Stellvertreterkriege zwischen den USA und gerade dem französischen Imperialismus. Dann gingen die Regierungen Schröder und Chirac im Irak-Krieg offener als zuvor auf Distanz zum Weißen Haus (da für sie in diesem Krieg nicht viel zu holen war). Diese Auseinandersetzung um das ?alte? (Deutschland und Frankreich) und das ?neue Europa? (die Länder Osteuropas) setzte sich danach weiter fort. Die herrschende Klasse der USA signalisierte mehrfach, dass sie zum Beispiel den Balkan oder Polen dem deutschen Kapital nicht kampflos überlassen will.
Unterschiedliche Interessen widerspiegeln auch die jeweiligen Verhältnisse zu China. Auf dem europäisch-chinesischen Gipfeltreffen im Dezember 2004 in Den Haag drängte Deutschland, unterstützt von Frankreich, erfolgreich auf eine Absichtserklärung, das nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 verhängte Waffenembargo gegen China wieder aufzuheben. Demgegenüber argumentieren die USA, dass damit die Stellung Taiwans als US-Verbündeten in der Region untergraben würde.

Konflikte innerhalb der EU

Die EU ist alles andere als homogen. Während Frankreich auf Konfrontation mit den USA aus ist, sieht die herrschende Klasse Großbritanniens nur in der Partnerschaft eine Perspektive. Dementsprechend setzt das französische Kapital darauf, mit der EU einen starken, mit den USA und der NAFTA erfolgreich konkurrierenden Wirtschaftsblock aufzubauen, während Großbritannien für eine Politik des Freihandels eintritt. Das deutsche Establishment schwankte in der Vergangenheit zwischen diesen beiden Polen, hat sich mittlerweile aber klar auf die Seite Frankreichs geschlagen.
Die unterschiedlichen Positionen zeigten sich nicht nur im Vorfeld des Irak-Kriegs, sondern auch im Hinblick auf EADS. Während sich ein Großteil der europäischen Rüstungskonzerne zu EADS zusammentaten, spekuliert British Aerospace darauf, dass ihm als Juniorpartner der US-Rüstungslobby größere Profite winken.
Jüngster Konfliktfall ist die Frage einer Mitgliedschaft der Türkei in der EU.

Deutscher Imperialismus

Parallel zu den Streitigkeiten zwischen Frankreich und Deutschland auf der einen und Großbritannien auf der anderen Seite vollziehen sich aber auch Konflikte um die Führungsrolle der EU innerhalb des deutsch-französischen Lagers.
Nachdem die Bundesrepublik jahrzehntelang ein wirtschaftlicher Riese, jedoch ein militärischer Zwerg war, strebt das deutsche Kapital heute eine führende, eigenständige Rolle auf Weltebene an. Egon Bahr (SPD) plauderte in einem Interview mit der rechtsextremen Jungen Freiheit unlängst: ?Wir müssen lernen, wieder eine normale Nation zu sein.? Das ist Begleitmusik für die Forderung nach einem festen Platz im UN-Sicherheitsrat.
In Deutschland werden für neue Rüstungsprogramme in den nächsten zehn Jahren 150 Milliarden Euro veranschlagt. Mit dem Jugoslawien-Krieg 1999 und dem Afghanistan-Krieg 2001 war die BRD zum ersten Mal seit 1945 an Angriffskriegen beteiligt. Und das unter Rot-Grün. Seit dem Regierungsantritt von Schröder/Fischer 1998 verzehnfachte sich die Präsenz deutscher Soldaten im Ausland. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung lobte SPD-Verteidigungsminister Struck: ?Sein zu-nächst beiläufiges Wort, Deutschland werde auch am Hindukusch verteidigt, wird jetzt zur neuen Dokrin der deutschen Streitkräfte? (27. April 2003). Die Bundeswehr wird in eine Interventionsarmee umgewandelt.

Ausblick

Die Herrschenden von Deutschland und Frankreich schrecken davor zurück, mit dem US-Imperialismus auf völlige Konfrontation zu gehen. Zum einen fürchten sie Handelsbarrieren und wollen sich nicht den Zugang zu den USA als bedeutendem Absatzmarkt verbauen. Zum anderen kalkulieren sie, dass sie mit einer teilweisen Kollaboration mit der mächtigsten miltärischen Macht der Welt besser fahren, als wenn sie ausschließlich auf eigene Faust vorgehen würden.
Vor zwei Jahren, am 15. Februar 2003, fanden weltweit Massendemonstrationen gegen die drohende Bombardierung des Irak statt. Nie zuvor waren international an einem Tag mehr Menschen gemeinsam auf die Straße gegangen. Seitdem haben gerade auch in Deutschland immer mehr ArbeiterInnen und Jugendliche erkannt, dass wir an zwei Fronten kämpfen müssen: gegen Militarismus, aber auch gegen den sozialen Kahlschlag. Beides dient den Kapitalisten, die Krise dieses Systems auf Kosten der Arbeiterklasse auszutragen.

von Aron Amm, Berlin