Rekordbeteiligung beim Jahrestreffen der DGB-Linken zeigt Bedürfnis nach kämpferischer Opposition
Die Jahreskonferenz der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken (IVG) fand am 14./15.Januar in Stuttgart statt. Sie war mit mehr als 300 TeilnehmerInnen die bislang größte ihrer Art. Diese Tatsache verdeutlicht, dass viele kritische Aktivistinnen und Aktivisten die richtige Schlussfolgerung gezogen haben: dass der Aufbau einer kämpferischen Opposition in den DGB-Gewerkschaften überfällig ist.
Die Leute haben den Kanal voll, beschrieb Tom Adler, Betriebsrat im DaimlerChrysler-Werk Untertürkheim, die Stimmung in den Betrieben. Es sei eine dramatische Situation, dass es inklusive der Gewerkschaften keine Kraft mehr gibt, die die breite Unzufriedenheit aufgreift, artikuliert und etwas daraus macht, führte er aus.
Diskutieren reicht nicht
Folgerichtig wollte ein Großteil der Anwesenden sich nicht mehr damit begnügen, die Lage zu analysieren und Erfahrungen auszutauschen. Die Gewerkschaftsführung komme ihren grundlegenden Verpflichtungen nicht nach, hieß es. Kämpfende Belegschaften, wie die Bochumer Opelwerker, würden im Regen stehen gelassen. Aber auch die Gewerkschaftslinke selbst hat sich bei den Auseinandersetzungen der letzten Monate nicht mit Ruhm bekleckert. Zwar sind einzelne AktivistInnen beispielsweise zum Opel-Aktionstag am 19. Oktober nach Bochum gekommen, als organisierte Struktur war die IVG jedoch nicht präsent. Notwendig in solchen Fällen ist, dass die Linke als organisierte Kraft Stellung bezieht, den Widerstand kämpfender Belegschaften bekannt macht und mit allen Mitteln unterstützt. Konkret kann das heißen: Aktionskonferenzen mit Vertrauensleuten und Betriebsräten der jeweiligen Branche und darüber hinaus zu organisieren, Geld für die streikenden KollegInnen zu sammeln und Solidaritätsaktionen bis hin zu Arbeitniederlegungen in anderen Betrieben auf die Beine zu stellen.
Handlungsfähigkeit
Wenn die IVG den Anpassungskurs der Gewerkschaften tatsächlich umkehren will, muss sie zu einer kampagnefähigen und entschlossen auftretenden Kraft werden. Es ist notwendig, über den Kreis der seit Jahren aktiven linken KollegInnen hinauszugehen und bislang nicht weitergehend organisierte GewerkschafterInnen anzusprechen. Dafür braucht die IVG eine Plattform mit eindeutigen Positionen, Flugblätter und Stellungnahmen zu aktuellen Auseinandersetzungen und eine handlungsfähige Struktur. Trotz des Widerstands einiger hauptamtlicher Funktionäre ist die Konferenz einen kleinen Schritt in diese Richtung gegangen. Es wurde beschlossen, noch im Sommer eine weitere Konferenz in der baden-württembergischen Landeshauptstadt zu organisieren, auf der über eine programmatische Plattform, die Frage der Struktur und der Stärkung der örtlichen Gruppen diskutiert und entschieden werden soll. Zentral ist dabei, dass sich die Gewerkschaftslinke nicht den Sachzwängen der kapitalistischen Ökonomie unterwirft. In diese Richtung weist auch eine Formulierung aus der vorläufigen Abschlusserklärung der Konferenz, die die Aufgabe benennt, eine politische Alternative zur Unterwerfung und Anpassung an dieses System, eine Alternative zum Kapitalismus, seiner Ausbeutung und seiner Krisen zu entwickeln.
von Daniel Behruzi, Berlin – Mitglied im Berliner Sprecherrat des Netzwerks für eine kämpferische und demokratische ver.di