Artikel aus der Xekinima (Zeitung der gleichnamigen sozialistischen Organisation, griechische Sektion des CWI) ? Ausgabe November 2004
Die Anerkennung der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien (FYROM) durch die USA mit ihrem verfassungsm??igen Namen ?Republik Mazedonien? hat eine Realit?t enth?llt, die alle griechischen Regierungen seit ?ber einem Jahrzehnt unter den Teppich zu kehren versuchten: Die ganze Welt nennt unseren Nachbarstaat ?Mazedonien?, au?er uns. 136 L?nder und 3 von den 5 st?ndigen Mitgliedern des Sicherheitsrates haben ihn bereits offiziell mit dem Namen ?Mazedonien? anerkannt, w?hrend zu erwarten ist, dass auch andere dies tun werden.
Als die griechische Regierung 1991 beschloss, dass ein Land, das 50 Jahre lang ?Volksrepublik Mazedonien? gehei?en hatte, ?ber Nacht seinen Namen ?ndern sollte, unseren Nationalpatrioten zuliebe, verwickelte sie sich in einen ausweglosen Strudel. Ein Staat ohne Armee, mit sich bek?mpfenden nationalen Gruppen und schwacher Wirtschaft, den offizielle und inoffizielle Stimmen ?Kleinstaat? nannten, sollte irredentische Absichten gegen?ber Griechenland hegen, weil er den Namen ?Mazedonien? hatte! Diese Argumente m?gen Samaras (ehemaliger griechischer Au?enminister), Christodoulos (Erzbischof der orthodoxen Kirche Griechenlands) und die Faschisten jeglicher Coleur ?berzeugt haben, nicht jedoch die weiterblickenden b?rgerlichen Politiker und die Imperialisten, die die politische Stabilisierung der FYROM wollten sowie die Abschw?chung der nationalen Konfrontationen mit den Albanern, die 40% de Bev?lkerung stellen, um die Ausweitung der B?rgerkriegszusammenst??e im ehemaligen Jugoslawien nach S?den abzuwenden, und insbesondere die USA wollten einen stabilen Verb?ndeten in einer Region gewinnen, die einem Kessel ?hnelt, der bei jeder Gelegenheit hochkocht.
Die Anerkennung war eine im Voraus beschlossene Sache
Die Zusammenst??e zwischen Albanern und Slawomazedonen 2001 brachten wieder das Problem an die Oberfl?che, das vor?bergehend durch das Abkommen von Ochrid geregelt worden war und das die Gew?hrung von Verwaltungsautonomie in den Gebieten, in denen die Albaner leben, vorsah. Dieses Abkommen zu torpedieren unternahm die nationalistische Opposition in Skopie (der Hauptstadt Mazedoniens), indem sie 180.000 Unterschriften sammelte und eine Volksabstimmung provozierte, die im Grunde das Abkommen von Ochrid ung?ltig machen w?rde, mit der Konsequenz der Erhebung der Albaner in der FYROM, in einer Zeit, in der die Kosovofrage schwelt sowie die Gefahr der Abspaltung Montenegros von Serbien Besteht, w?hrend die USA all ihren Nachdruck auf den Irak und den Nahen Osten gerichtet haben.
Die Anerkennung durch die USA war eine im Voraus beschlossene Sache ? sie war einfach verschoben worden auf die Zeit nach den amerikanischen Wahlen wegen der Stimmen der Amerikagriechen ? um die sozialdemokratische Regierung von Cervenkovski (mazedonischer Regierungschef) zu unterst?tzen, die treu die Auftr?ge der USA ausf?hrt.
Das grundlegende Problem ist die Armut
Schlie?lich gingen 26,24% der W?hlerschaft zur Volksabstimmung, w?hrend ?ber 50% zu ihrer G?ltigkeit notwendig gewesen w?ren.
Die Frage des Namens hat m?glicherweise die grundlegende Absicht der slawomazedonischen b?rgerlichen Klasse zu staatlicher Einheit unter ihrer Vorherrschaft befriedigt, doch die Versammlung, zu der die Regierung am Vorabend der Volksabstimmung aufrief, versammelte kaum 5000 Personen, obwohl die Organisatoren ?ber 30000 erwartet hatten und sie Busse gechartert hatten f?r den kostenlosen Transport der Teilnehmer aus dem ganzen Land!
Zur gleichen Zeit versammelte die Kundgebung der faschistischen Partei LAOS (eine Abk?rzung, die dem griechischen Wort f?r ?Volk? entspricht) in Thessaloniki gerade mal 1000 Personen, w?hrend die ewigen Mazedonienk?mpfer (auf griechischer Seite) sich zur?ckhielten und nicht nationalistischen Kundgebungen aufrufen, nicht nur weil Regierung und Opposition die nicht wollen, sondern weil die Leute nicht darauf eingehen, trotz dem anf?nglichen Delirium eines Teils der Medien.
Die Drohung des griechischen Premierministers Karamanlis mit einem Veto gegen die Integration des slawischen Mazedoniens in die EU dient nur dem populistischen Hausgebrauch und zur Vermeidung politischer Kosten. Im Grunde ist das Einzige, was bei der griechischen b?rgerlichen Klasse ?briggeblieben ist, der Vorschlag von Cervenkovki, d.h. die Akzeptanz einer zusammengesetzten Bezeichnung (z.B. Obermazedonien, Nordmazedonien, Vardarmazedonien o.?.) f?r seinen Staat in den zweiseitigen Beziehungen mit Griechenland, w?hrend die ganze Welt unser Nachbarland ?Mazedonien? nennen wird.
F?r die Arbeitnehmer und die Jugend ist die Frage nicht der Name, sondern der gemeinsame Kampf gegen die Armut, die Arbeitslosigkeit und den Nationalismus. Pflicht der Linken ist es nicht, der b?rgerlichen Klasse im Namen der nationalen Einheit Ratschl?ge zu geben (wie das Linksb?ndnis Synaspismos) und auch nicht, ?berall imperialistische Verschw?rungen aufzudecken, wobei dem Entscheidenden ausgewichen wird (wie die Kommunistische Partei Griechenlands KKE). Internationalistische Politik hei?t Anklage der b?rgerlichen Klassen und Regierungen, Aufruf an die slawomazedonischen und albanischen Gewerkschaften und linken Parteien zum gemeinsamen Kampf, mit der Perspektive einer freiwilligen sozialistischen F?deration auf dem Balkan, die Schluss macht mit dem Nationalismus und dem Krieg, mit der ?konomischen Ausbeutung und der Armut.
Die Mazedonische Frage und die Linke
EIN weiteres Mal sind die Positionen der Parteien der Linken in einer wichtigen politischen Frage falsch. Eine ?berraschung w?re es nat?rlich, wenn ihre Positionen richtig w?ren, angesichts der Geschichte dieser Parteien. Das Linksb?ndnis Synaspismos zum Beispiel, das 1992 die Kundgebungen in Griechenland zur Mazedonischen Frage unterst?tzt hatte, hat als seine grundlegende Politik, der griechischen b?rgerlichen Klasse Ratschl?ge zu geben, dazu, was aus der Sicht der griechischen Diplomatie vorteilhafter w?re. Dagegen klagt die Kommunistische Partei Griechenlands KKE im Grunde die Amerikaner an wegen allem, was f?r die ?griechischen Interessen? nicht gut l?uft, wobei sie oft vermeidet, zu den Konkreten Fragen Position zu beziehen.
Die Mazedonische Frage jedoch stellt der Linken ernsthafte Pflichten. Und diese sind, dass sie mit ihren eigenen Initiativen interveniert, Initiativen, die als grundlegende Achse haben, die Arbeitnehmer der beiden L?nder in einem gemeinsamen Kampf um gemeinsame Probleme einander n?her zu bringen.
DER erste Schritt, den die griechische Linke h?tte machen m?ssen, w?re, den Nachbarstaat zu besuchen und Kommunikationskan?le mit der dortigen Arbeiterbewegung zu suchen. Zwei Achsen m?ssen die Basis f?r die Ann?herung an die slawomazedonische Bewegung vom Standpunkt der griechischen Linken aus bilden:
– Das Verst?ndnis, dass die griechische b?rgerliche Klasse auf dem Balkan die Rolle eines regionalen Imperialisten spielt.
– Die harte Anklage der Politik der griechischen b?rgerlichen Klasse, die darauf besteht, das ?Mazedonien griechisch ist? ? eine nicht akzeptable, unhistorische und f?r die Interessen der Arbeiterbewegung sowohl in Griechenland als auch in der Region gef?hrliche Position.
AUF dem Territorium des alten, antiken Mazedoniens laben heute Griechen Slawen (zusammen mit Albanern) und Bulgaren. Dass jemand darauf besteht, dass diese V?lker ?Mazedonien? nicht in ihren Bezeichnungen verwenden d?rfen, ist nicht einfach unverst?ndlich, sondern gef?hrlich, weil statt der Zusammenarbeit der V?lker die Voraussetzungen f?r nationalistischen Hass geschaffen werden.
Die Verantwortung f?r die Krise und die Sackgasse, die es in der Frage des Namens gibt, hat kein anderer als die griechische b?rgerliche Klasse und ihre Regierungen (sowohl die Neue Demokratie wie auch die Panhellenische Sozialistische Bewegung PASOK) seit 1991 und danach, die, obwohl sie die M?glichkeit hatten, leicht und schnell das Thema abzuschlie?en, indem sie einer zusammengesetzten Bezeichnung zugestimmt h?tten (wie z.B. Obermazedonien, Nordmazedonien oder Vardarmazedonien usw.), darauf bestanden, dass es nur ein Mazedonien gebe und dieses griechisch sei.
DIE Pflichten der griechischen Linken, einer Linken, die ihres Namensw?rdig w?re, w?re, in Kontakt zu treten mit der Arbeiterbewegung des Nachbarlandes und mit ihr die gemeinsamen Probleme der Region, gemeinsame L?sungsvorschl?ge und gemeinsame K?mpfe zu diskutieren.
– Die Rolle des griechischen Kapitals, das in das Nachbarland eingedrungen ist und auf der einen Seite das billige Arbeitskr?ftepotential des Nachbarstaates ausbeutet, w?hrend es andererseits in Griechenland Arbeitslosigkeit schafft, eine Tatsache, die automatisch die Voraussetzungen f?r gemeinsame K?mpfe schafft.
– Einige der gr??ten Unternehmen in Slawisch Mazedonien, wie in der Erd?lindustrie und der Telekommunikation sind in den H?nden des griechischen Kapitals (w?hrend die Werbung, die man im Radio h?rt, w?hrend man in das Land hineinf?hrt von ?Veropoulos? und von ?Jermanos? ist, griechischen Unternehmen), was bedeutet, dass der Gegner der Arbeiterbewegung dort die Zusammenarbeit zwischen der slawomazedonischen und der griechischen b?rgerlichen Klasse ist.
– Die nationalistischen Auseinandersetzungen in der Region, insbesondere mit den albanischen Nationalisten, ?ber die Gew?hrung von Rechten an die albanische Gemeinschaft, um ein neues Blutvergie?en abzuwenden.
– Der Frieden in der weiteren Region, aus der Sicht der Rechte der Nationalit?ten und der Minderheiten, die sich nicht auf die Autonomie beschr?nken, sondern in manchen F?llen auch die Selbstbestimmung einschlie?en, z.B. des Kosovo, mit entsprechender Achtung der Rechte der Serben.
– Der Frieden in der Region, aus der Sicht der verbrecherischen Rolle der Imperialisten, der Europ?er und der Amerikaner, die im Dienst ihrer eigenen Interessen und zur Schaffung ihrer eigenen Einflusssph?ren die Entwicklung der Nationalismen ermutigt haben, die zu den Kriegen des vergangenen Jahrzehnts gef?hrt haben.
– Schlie?lich das Thema der Bezeichnung des Nachbarstaates. Ohne irgendeine ?bertreibung kann man sagen, dass dies auch das am wenigsten wichtige Problem ist. F?r ein Land wie Slawisch Mazedonien, wo Armut, Arbeitslosigkeit und die Gefahr des B?rgerkriegs herrschen, ist es nat?rlich, dass (wie auch alle Berichte von dort zeigen) die Einwohner sich wenig daf?r interessieren, ob die Staatsbezeichnung ?Ober-? , ?Unter-? oder ganz einfach ?Mazedonien? ist. Etwas entsprechendes gilt auch f?r die griechische Seite. Die Kundgebungen zu Mazedonien haben vielleicht 1992 Millionen versammelt, doch vergessen wir nicht, dass damals die Gesamtheit der politischen Kr?fte des Landes (mit sehr wenigen Ausnahmen) zusammen mit der Kirche ?Gebundene und Ungebundene? mobilisiert haben, dass die Lehrer massenhaft die Schulen, die Offiziere massenhaft die Soldaten, die Direktoren die Staatsangestellten usw. auf die Stra?e brachten. Die ?berw?ltigende Mehrheit der griechischen Bev?lkerung hat kein Problem damit, ob in der Bezeichnung des Nachbarstaates der Terminus Mazedonien enthalten ist.
Die Antwort der Linken m?sste also sein, den Nationalismus beider b?rgerlichen Klassen anzuklagen und ihren eigenen Vorschlag zu der Frage der Bezeichnung den V?lkern der beiden L?nder vorzulegen, jenseits und au?erhalb der diplomatischen Spiele der einen oder der anderen b?rgerlichen Klasse.
DIESE M?glichkeit existiert nicht. Weil es die Linke, die wir beschreiben, nicht gibt. Der gemeinsame Kampf der Arbeiterbewegungen zu den gemeinsamen Problemen und zum Thema der Bezeichnung kann sich nicht entwickeln. Zumindes heute nicht. In der Zukunft kann dies geschehen ?ber den Aufbau einer neuen Linken, in Griechenland, auf dem Balkan und international. Das ist der Kampf, den ?Xekinima? (unsere griechische Schwesterorganisation) innerhalb der Reihen des CWI (Komitee f?r eine Arbeiterinternationale) f?hrt. Bis dies Wirklichkeit wird, ist die erste und Hauptaufgabe der Kampf gegen den griechischen Nationalismus. Das l?sst sich ?bersetzen
– in das Verst?ndnis, dass der erste und haupts?chliche Feind f?r die Arbeiterbewegung in Griechenland die griechische b?rgerliche Klasse ist, aufgrund ihrer ?Gro?en Idee? (Idee eines Gro?griechenland) und ihrer imperialistischen Absichten.
– in die Verteidigung des Rechts des Nachbarstaates, selbst ?ber seine Bezeichnung zu entscheiden, ohne Erpressungen und Drohungen von irgendeiner Seite, vor allem nicht durch die griechische b?rgerliche Klasse.
?bersetzung: Hubert Sch?nthaler