Auf dem Weg zur Linkspartei – Wie weiter für die WASG?

Für demokratische Strukturen – Für einen kämpferischen Kurs – Für ein sozialistisches Programm

Broschüre der SAV vom Oktober 2004
 
Die Broschüre gibts als pdf-Datei zum Download (650 kb)

Einleitung: Eine neue Partei für Beschäftigte, Erwerbslose, Jugendliche und RentnerInnen ist dringend nötig! Was sind die Aufgaben einer neuen Linkspartei?

Entlasten wir die Arbeitgeber eher durch das Kopfpauschalenmodell oder durch die Bürgerversicherung? Senken wir den Spitzensteuersatz erst einmal auf 47 Prozent oder gleich auf 35 Prozent? Sollen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst erst einmal nur 42 Stunden pro Woche ohne Lohnausgleich arbeiten oder gleich 45 Stunden?
Mit diesen „kniffligen Fragen“ beschäftigen sich die Politiker und Politikerinnen aller etablierten Parteien. Das Hauptziel der PDS besteht darin, die Sozialkürzungen möglichst sozialverträglich mit zu gestalten. Das bedeutet, dass sie nicht so rigoros kürzen wollen, wie es SPD oder die CDU/CSU vorschlägt. Außer in Berlin natürlich, weil da die Kassen so leer seien, dass auch die PDS leider nichts tun könne.
Doch wer hat die Kassen geleert? Die Arbeitgeber und die Parteien, die im Parlament ihre Interessen vertreten (CDU/CSU, SPD, rechtsradikale Parteien, Grüne, FDP und mit Abstrichen auch die PDS) behaupten, es wären die Arbeitslosen, die gesetzlich Krankenversicherten und die RentnerInnen.
Doch viele wissen: Es sind die Reichen und Arbeitgeber, die sich durch weitere Steuersenkungen und Entlastungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen auf unsere Kosten bereichern.Vor dem Hintergrund der Krise der kapitalistischen Wirtschaft weltweit, versuchen die Kapitalisten von Karstadt über Daimler und Opel bis Schlecker sich vor sinkenden Profitraten zu retten und die Krise auf die Beschäftigten abzuwälzen. Löhne werden um 20 oder 30 Prozent gekürzt und Arbeitszeiten auf 40 oder 42 Stunden ohne Lohnausgleich verlängert. Die Einführung von Ein-Euro-Jobs bedeuten nicht nur Billiglöhne für ALG-II-Empfänger, sondern setzen die gesamten Löhne weiter unter Druck.

Politik im Interesse des Kapitals
Obwohl sie sich Volksparteien nennen oder als grün oder sozial bezeichnen, machen die etablierten Parteien ihre Politik nur im Interesse eines kleinen Teils der Bevölkerung. Arbeitszeitlängerungen, Lohnkürzungen, Gesundheitsreform und Hartz IV sind im Interesse der Besitzenden, der Banken, Konzerne, Großaktionäre, Millionäre und Milliardäre. Die Interessen dieser Schicht, genauer dieser Klasse, sind aber den Interessen der Beschäftigten, Erwerbslosen, Armen entgegengesetzt. Die Behauptung, dass das nicht so wäre, stand am Beginn der Rechtsentwicklung von SPD, Grünen und PDS.
Unsere Gesellschaft ist geteilt, im wesentlichen in zwei Klassen mit unterschiedlichen Interessen, die man nicht unter einen Hut bringen kann. Streik für höhere Löhne, Finanzierung des Gesundheitswesen und der Rente, die Frage der Besteuerung: Das sind kein Streitfragen um den besten Weg für beide Seiten. Es ist ein Streit um die Frage: Wer bekommt welchen Anteil von dem, was die Beschäftigten erwirtschaftet haben. Aus der Erkenntnis, dass die ArbeiterInnen ihre Interessen haben und die Unternehmer ganz andere, ist vor 130 Jahren die SPD als Arbeiterpartei gegründet worden. Während die Führung spätestens seit dem Ersten Weltkrieg eine prokapitalistische Haltung annahm, war die Basis der SPD bis in die 80er Jahre hinein von ArbeiterInnen geprägt. Mit dem weiteren Rechtsruck der SPD-Führung und der Degradierung der Partei zu einer Wahlmaschinerie kehrten viele ArbeiterInnen der SPD den Rücken. Damit ist die SPD endgültig zu einer bürgerlichen Partei geworden, die für die Interessen der Arbeiterklasse nicht zurück erobert werden kann.

Für eine neue Arbeiterpartei
Die Arbeiterklasse hat heute keine politische Interessenvertretung mehr. Dies wurde bei den Massenprotesten gegen Sozialkürzungen, Hartz IV und den Angriffen auf die Tarifautonomie in den letzten beiden Jahren deutlich. Hunderttausende sind auf die Straße gegangen und haben klar gemacht, dass sie gegen die herrschende Politik sind. Zwischen 40 und 50 Prozent gehen nicht mehr zur Wahl. Eine neue Partei im Interesse der abhängig Beschäftigten, Erwerbslosen, RentnerInnen und Jugendlichen ist deshalb dringend nötig.
Für die SAV ist der Aufbau einer neuen Partei längst überfällig. Schon lange vor der Agenda 2010 sind wir für die Gründung einer neuen Arbeiterpartei eingetreten. Damit meinen wir eine Partei, die vor dem Hintergrund von derzeitigen und insbesondere zukünftigen Klassenkämpfen in der Lage ist, Hunderttausende von Beschäftigten, Erwerbslosen, Jugendlichen und RentnerInnen politisch zu organisieren und diese auch durch Mobilisierungen in die Auseinandersetzung gegen das Kapital zu führen. Eine Arbeiterpartei, die der Massenarbeitslosigkeit, der Privatisierungspolitik und dem Sozialabbau den Kampf ansagt und mit eigenen Forderungen im Interesse der arbeitenden Bevölkerung in die Offensive geht.

Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit
Was ist die Rolle der Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) in diesem Prozess? Die Gründung der WASG im Juni 2004 stellt den ersten konkreten Schritt auf bundesweiter Ebene in diese Richtung dar. Die InitiatorInnen sind einerseits Gewerkschaftsfunktionäre und ehemalige SPD-Mitglieder und andererseits ehemalige bzw. Noch-PDS-Mitglieder. Sie vollziehen eine Entwicklung nach, die ein großer Teil der abhängig Beschäftigten, Erwerbslosen und Jugendlichen schon vollzogen hat: Sie wenden sich von SPD und PDS ab. Wenn die WASG in der Lage sein wird, durch eine kämpferische Ausrichtung einen großen Teil dieser Beschäftigten und Erwerbslosen anzusprechen, kann sie heute bereits mehrere Zehntausende organisieren. Die Tatsache, dass viele der GründerInnen der WASG aus dem mittleren Funktionärsebene von verdi und IG Metall stammen, deutet den notwendigen Prozess eines Bruchs der Gewerkschaften mit der SPD an.
Doch mit welchen Inhalten müsste eine neue Partei aufgebaut werden. Auf welche Themen und Aufgaben sollte sie sich konzentrieren? Wie sollte die Struktur einer neuen Partei beschaffen sein?

Kämpferisch, demokratisch, sozialistisch
Die SAV beteiligt sich aktiv und solidarisch am Aufbau der WASG und setzt sich für die Bildung einer neuen Partei durch die WASG ein. Wir treten dafür ein, dass die WASG die Sachzwänge des Kapitals ablehnt und eine konsequente Interessenspolitik – orientiert an den „Sachzwängen“ der ArbeiterInnen, Erwerbslosen, RentnerInnen und Jugendlichen betreibt. Das bedeutet, dass die WASG die Lehren aus der Entwicklung der SPD ziehen und heute jegliche Sozialkürzungen, Privatisierungen und Arbeitsplatzvernichtung ablehnen muss. Statt wie die PDS Hartz IV etwas sozialverträglicher umzusetzen und Zwei- statt Ein-Euro-Jobs zu schaffen, muss sich die WASG für gemeinsame Mobilisierungen von Beschäftigten und Erwerbslosen einsetzen. Nur wenn sie ein aktiver und kämpferischer Teil der außerparlamentarischen Bewegung wird, kann sie Menschen, Initiativen und Gruppierungen in ihren Reihen organisieren, die sich gegen die herrschende Politik zu Wehr setzen wollen. Menschen, die den etablierten Parteien richtigerweise nicht mehr über den Weg trauen, müssen zu der Überzeugung gelangen, dass die WASG anders ist. Das heißt aber, dass die WASG auch ganz anders als die etablierten Parteien aufgebaut sein muss – sie muss demokratisch sein. Mit einer kämpferischen und demokratischen Ausrichtung kann die WASG einen Ansatzpunkt schaffen, um soziale und betriebliche Proteste zu verbinden, politisch zu stärken und mit voran zu treiben. Parlamentarische Positionen soll sie primär dazu nutzen, ihre politischen Ideen zu verbreiten und außerparlamentarische Bewegungen zu unterstützen. Genau das hat Karl Liebknecht vor und während des Ersten Weltkrieges getan. Er nutzte seine Stellung im Reichstag zur Agitation gegen den Krieg.
Diese Ziele machen es selbstverständlich, dass die WASG eine zukünftige Koalition mit Parteien, die Sozialabbau betreiben oder die Tolerierung von Minderheitsregierungen, die eine solche Politik verfolgen, ausschließen muss.

Lehren aus der Geschichte der SPD
Doch die WASG muss auch die inhaltlichen Lehren aus 130 Jahren Sozialdemokratie ziehen. Ursprünglich war die SPD eine sozialistische Partei und erklärte, dass der Kapitalismus nicht im Interesse der Arbeiterklasse reformierbar sei. Sie hatte eine Massenbasis unter Arbeiterinnen und Arbeitern und war in gewerkschaftlichen und politischen Kämpfen aktiv. Die Auffassung, dass zur Abschaffung des Kapitalismus eine Revolution notwendig wäre, war im Programm der SPD verankert. Diese Position wurde jedoch von der Parteiführung zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgegeben. Mit der Aufgabe von revolutionär-sozialistischen Zielen durch die damalige SPD-Führung setzte eine Entwicklung ein, die zu Beginn die Führung und heute die gesamte SPD erfasst hat: Die Wendung von einer sozialistischen Arbeiterpartei zu einer bürgerlichen Partei.
Ein Teil von WASG-Mitgliedern und insbesondere der WASG-Führung vertritt heute die Position, dass die WASG eine neue sozialdemokratische Partei im Sinne der SPD der 70er Jahre werden sollte. Die SPD vertrat in den 60er und 70er Jahren reformistische Positionen und setzte auf Sozialpartnerschaft statt Klassenkampf. Vor dem Hintergrund des Nachkriegsaufschwungs war der Spielraum für materielle Zugeständisse an die Arbeiter durch die Kapitalisten gegeben. Diese Basis hat sich heute grundlegend verändert. Durch die lang anhaltende und tiefer werdende wirtschaftliche Krise werden die finanziellen Spielräume für Zugeständnisse immer enger. Hinzu kommt, dass die Kapitalisten seit dem Zusammenbruch der stalinistischen Staaten ideologisch in der Offensive sind. Die Sozialpartnerschaft wurde von den Unternehmern aufgekündigt und die Angriffe auf Beschäftigte und Erwerbslose intensiviert. Es ist höchste Zeit, daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass keine neue SPD der 70er Jahre, sondern eine SPD, die der herrschenden Klasse den Kampf ansagt, nötig ist – ähnlich wie vor 130 Jahren. Dafür muss die Debatte über eine gesellschaftliche Alternative zum kapitalistischen System und die Erfahrung mit den undemokratischen stalinistischen Staaten in der WASGgeführtwerden. Die SAV setzt sich für ein sozialistisches Programm der WASG ein.

Die folgenden Beiträge sollen die hier angesprochenen Fragen aufgreifen und vertiefen. Die Mehrheit der folgenden Artikel sind bereits in der Solidarität – Sozialistische Zeitung (Zeitung der SAV) erschienen.

WASG im Aufwind – Zur Ausrichtung und Struktur der WASG
von Tinette Schnatterer, Stuttgart

Auf der Bundesdelegiertenkonferenz der WASG Ende November werden die Weichen für eine Urabstimmung über die Gründung einer Partei gestellt. Tatsächlich hat die WASG die Möglichkeit, zu einer neuen Partei mit Zehntausenden von Mitgliedern zu werden und 2006 in den Bundestag einzuziehen. Denn die Wut über Sozialabbau, Agenda 2010, Hartz und Arbeitszeitverlängerung ist enorm. Die Notwendigkeit einer neuen Partei wird mittlerweile von vielen gesehen. Entscheidend bleibt trotzdem, ob sich AktivistInnen aus Betrieben, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen in ihr organisieren und selbst aktiv werden.
Der Aufbau einer neuen Arbeiterpartei, einer Interessensvertretung der Beschäftigten, Erwerbslosen und ihrer Familien wie es die SPD ursprünglich war, ist sicherlich komplizierter. Dazu ist es nötig, dass aus zukünftigen Wellen von Klassenauseinandersetzungen Hunderttausende und Millionen die Schlussfolgerung ziehen, selbst aktiv zu werden und ihr Schicksal nicht mehr irgendwelchen Politikern zu überlassen. Doch auch heute sind Schritte in diese Richtung möglich. Einerseits um diesen Prozess zu beschleunigen und um andererseits einen Bezugspunkt für bereits heute stattfindene betriebliche und soziale Proteste zu schaffen.
Die Dynamik der Entstehung der WASG zeigt, welcher Bedarf nach einer solchen neuen Partei besteht. Ihre Gründung ist Ausdruck der enormen Geschwindigkeit, mit der sich die Klassenbeziehungen verändern und in der politische Landschaft in Deutschland nieder schlagen. Das hat wichtige Rückwirkungen auf diesen Prozess selbst. Doch die Politik der bisherigen Führung der WASG stellt ihren Erfolg in Frage. Sie setzt nicht darauf, selbst aktiv Kämpfe zu führen, sondern will „parlamentarischer Arm“ der Bewegung sein. Das bedeutet, dass ihre Methoden nicht primär darauf ausgerichtet sind, AktivistInnen zu organisieren und in die Arbeit einzubinden. Das spiegelt sich auf den Treffen der WASG wider. Bisher sind AktivistInnen aus den sozialen Bewegungen und betrieblichen Protesten unterrepräsentiert. Auch Jugendliche und Frauen prägen nicht das Bild der WASG-Treffen.

Kämpferische Ausrichtung
Die Vorstellung, als Arm der Bewegung in den Parlamenten grundlegend etwas zu verändern ist falsch. Es ist nichts dagegen einzuwenden, die Parlamente zu nutzen, um für die Interessen der ArbeitnehmerInnen lautstark einzutreten. So konnte SAV-Stadträtin Christine Lehnert im Rostocker Stadtrat beispielsweise durchsetzen, dass die Privatisierung der Südstadtklinik nicht im Jahr 2005 durchgeführt wird. Die Südstadtklinik wird aber nur dann gerettet werden, wenn es einen entschlossen Kampf der Belegschaft und der Bevölkerung Rostocks geben wird. Insgesamt betrachtet bedeutet das: Die Macht der Banken und Konzerne wird nur dann herausgefordert werden, wenn Hunderttausende und Millionen aktiv werden. Deshalb muss die WASG selbst in die Auseinandersetzungen eingreifen und Massen mobilisieren. Nur wenn ihr dies gelingt, kann sie mit Bewegungen und Kämpfen verschmelzen und wirklich politischer, und dann auch parlamentarischer Ausdruck, dieser Kämpfe und Bewegungen werden. Dazu muss sie selber Teil, und zwar vorwärtstreibender Teil, solcher Kämpfe werden. So kann die WASG selbst Vorschläge machen, aber auch einen Erfahrungsaustausch und Debatten über die richtige Strategie und Alternativen anbieten.
In einigen Orten, zum Beispiel in Berlin, hat sich die WASG an den Montagsprotesten gegen Hartz IV beteiligt. Das ist der richtige Ansatz. Gleichzeitig muss die WASG aber auch aufzeigen, dass Demonstrationen alleine nicht ausreichen werden, um die Angriffe auf Löhne und Lebensbedingungen zu stoppen. Notwendig ist der gemeinsame Kampf von Beschäftigen, Arbeitslosen und allen anderen Betroffenen. Die WASG kann zum Beispiel vor Betrieben, in denen die Beschäftigten von Entlassungen und Lohnkürzungen bedroht werden, Flugblätter verteilen und betriebliche Proteste unterstützen. Politisch muss sich die WASG dafür einsetzen, dass die Gewerkschaften statt zögerlicher Proteste Streiks bis hin zu einem eintägigen Generalstreik organisieren.
Doch solange GewerkschaftsfunktionärInnen an der Spitze der WASG stehen, die selbst in ihrer Organisation nicht für einen grundlegend anderen Kurs stehen, wird das schwierig.
Klaus Ernst, Mitglied im geschäftsführenden Bundesvorstand der WASG und IG-Metall-Bevollmächtigter in Schweinfurt, organisierte einen der ersten Streiks gegen die Agenda 2010 in Schweinfurt im April 2003. Warum kam von den GewerkschaftsfunktionärInnen in der WASG (einige erste Bevöllmächtigte der IG-Metall, IG-Metall-Bundesvorstandsmitglieder, ver.di-BundessekretärInnen, …) so wenig danach?!

Demokratie
Um erfolgreich zu sein, muss die WASG allerdings auch klar machen, dass sie mit den korrupten Parteien der Unternehmer nichts gemein hat. Laut Meinungsforschungsinstituten hat nur noch jeder zehnte in Deutschland Vertrauen in Politiker oder Parteien (Hamburger Abendblatt, 20. August 04). In einer neuen Partei sind Demokratie und Transparenz notwendig.
Leider wird bisher von der Mehrheit der Initiatoren der WASG eine Top-Down-Strategie umgesetzt. So wurden in vielen Landesverbänden die Listen für die Landesvorstände von oben festgelegt. Im Vorfeld der Landesvorstandswahlen wurden Landeskoordinatoren eingesetzt, die in Orten wie Berlin nicht von der Mitgliedschaft akzeptiert waren. Organisierte Debatten um das politische Programm der WASG zur Vorbereitung der Bundesdelegiertenkonferenz fanden kaum statt. Die Möglichkeit für Mitglieder, sich über die Internetseite oder bundesweite Mitgliederrundbriefe und Mailinglisten gegenseitig auszutauschen und zu informieren, ist nicht gegeben.
Ein solch bürokratisches und undemokratisches Vorgehen stellt die zukünftige Entwicklung der WASG in Frage: Die Gefahr ist groß, dass AktivistInnen aus Betrieben, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen sich nicht auf eine Partei einlassen werden, in der mit solchen Methoden gearbeitet wird. Die SAV setzt sich deshalb in der WASG dafür ein, dass lokale Gruppen auf der Basis eines bundesweiten Grundkonsenses die Möglichkeiten haben, selbständig zu handeln. Notwendig ist außerdem, dass die WASG eine föderale Struktur annimmt, in der Initiativen, kommunale Wahlbündnisse, gewerkschaftliche Netzwerke und Organisationen ihre Identität beibehalten und auch innerhalb der WASG wirken können. Um zu verhindern, dass es im Prozess des Aufbaus der WASG zu einer Entfernung der FunktionsträgerInnen von der Mitgliedschaft und der WählerInnen kommt, müssen diese jederzeitig wähl- und abwählbar sein. Hauptamtliche und Abgeordnete der WASG sollen dabei nicht mehr als einen durchschnittlicher Facharbeiterlohn verdienen.

Antrag an die WASG-Bundesdelegiertenkonferenz
Antragstellerin: Lucy Redler (SAV-Mitglied)

Die WASG- Landesmitgliederversammlung Berlin beantragt, folgende Sätze als Grundsatzentscheidung zu beschließen und in das Programm einzufügen:
„Die WASG lehnt jede Form von Sozialkürzungen, Privatisierungen und Arbeitsplatzabbau zu Lasten von Beschäftigten, Erwerbslosen, RentnerInnen und Jugendlichen ab und wird sich nicht daran beteiligen. Eine Regierungsbeteiligung in Koalitionen mit Parteien, die Sozialkürzungen betreiben, schließt die WASG kategorisch aus.“

Programm nötig, in dem nicht das Kapital bestimmt – Zur Programmdiskussion innerhalb der WASG
von Sascha Stanicic und Lucy Redler, Berlin

Zur Zeit findet in vielen regionalen Gruppen und Landesverbänden eine Debatte um das zukünftige Parteiprogramm der WASG statt. Es soll bei der Bundesdelegiertenkonferenz der WASG diskutiert und beschlossen werden. Im Programmentwurf des Bundesvorstands vom 30.8. heißt es: „Eine andere Welt ist möglich als die, in der das Kapital bestimmt.“ Doch was schlägt die WASG vor?
Im Programmentwurf finden sich viele richtige Forderungen: Ein öffentliches Investitionsprogramm, die Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohn-und Personalausgleich, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und andere Forderungen.
Der Entwurf erklärt jedoch nicht, wie diese Forderungen durchgesetzt werden können. Diese Frage steht in einem direkten Zusammenhang mit den Ursachen der gegenwärtigen Situation. Die AutorInnen gehen davon aus, dass ihre Vorschläge nicht nur sozial gerechter, sondern auch „wirtschaftspolitisch besser“ seien, also zu mehr Wachstum, Sozialstaat und „einer Vollbeschäftigung neuen Typs“ führen. Sie erwecken den Eindruck, dass die von ihnen vorgeschlagene Politik im Interesse aller Teile der Gesellschaft ist – Arbeitgeber wie ArbeitnehmerInnen und Erwerbslose.
Doch die Ursachen für die permanenten Angriffe auf Sozialleistungen und Löhne liegen in der Profitkrise der kapitalistischen Gesellschaft. Die Klasse der Unternehmer und Großaktionäre will auf Kosten der ArbeitnehmerInnen und Erwerbslosen ihre sinkenden Profitraten sanieren. Daraus ergibt sich, dass jede Verbesserung für die Masse der Bevölkerung durch die Profite der Banken und Konzerne finanziert werden müsste und dementsprechend nur im Kampf gegen diese durchgesetzt werden kann.

Kämpferisch oder staatstragend?
Anstatt aber auf die Aktivität der Beschäftigten, Jugendlichen und Erwerbslosen zu setzen, bietet der WASG-Bundesvorstand ein auf die Politik in den Parlamenten orientiertes Programm an. So appelliert der Entwurf beispielsweise an „Deutschland,“ für eine bessere Sozialpolitik in der EU, sein „Gewicht in die Waagschale“ zu werfen.
Ingesamt fällt der Programmentwurf hinter das Programm zum Beispiel von Attac oder anderen Teilen der Bewegung gegen Sozialkahlschlag zurück. So wird ein Spitzensteuersatz gefordert, der mit 47 Prozent unter jenem aus der Zeit der Kohl-Regierung. Auf internationaler Ebene wird lediglich die Demokratisierung von IWF, WTO und Weltbank gefordert und das GATS-Abkommen in den Grundzügen akzeptiert.

Für ein sozialistisches Programm
Um der Offensive der Kapitalisten und ihrer Regierungen etwas entgegen zu setzen, ist eine kämpferische Partei nötig, die nicht bei den Profitinteressen der Banken und Konzerne halt macht. Die WASG schreibt selbst: „Wir wollen auch über weitergehende Alternativen und Visionen einer besseren Welt diskutieren.“ Sie zieht darauf aber keine Konsequenzen für Programm und Strategie. Dahinter steht die Idee, heute eine möglichst breite Front gegen den Neoliberalismus zu schaffen und dabei auch bisherige AnhängerInnen von CDU/CSU einzubinden. So sprach sich Axel Troost auf der Landesmitgliederversammlung in Niedersachen am 9.10.04 dafür aus, dass die WASG auch Norbert Blüm und Heiner Geißler einbinden sollte. Den führenden Köpfen der WASG zufolge steht die Überwindung des Kapitalismus heute nicht auf der Tagesordnung und antikapitalistische Verbalradikalität schreckt nur ab. Dahinter steckt der Gedanke, im Rahmen des Kapitalismus, zumindest für eine gewisse Periode, den Neoliberalismus zurück zu drängen und soziale Reformen im Interesse von Erwerbslosen und Beschäftigten durchzusetzen.
Die SAV ist dagegen der Meinung, dass erstens soziale Reformen heute nur durch massive Mobilisierungen von Beschäftigten und zweitens im Kapitalismus nicht dauerhaft durchsetzbar sind. Wenn wir langfristig sichere, menschenwürdige Arbeit zu angemessenen Löhnen für alle, eine saubere Umwelt, eine friedliche Welt und eine demokratische Kontrolle über die Wirtschaft erreichen wollen, dann werden wir in Konflikte mit den Kapitalbesitzern geraten, die im Rahmen der kapitalistischen Staats- und Wirtschaftsordnung nicht dauerhaft zugunsten der ArbeitnehmerInnen zu entscheiden sind. Denn diese Forderungen können nur bleibend durchgesetzt werden, wenn nicht mehr Markt- und Profitgesetze Wirtschaft und Politik bestimmen, sondern die Bedürfnisse von Mensch und Natur.
Letztlich stellt sich die Frage, ob man die kapitalistischen Macht- und Eigentumsverhältnisse, also den kapitalistischen Staat mit all seinen Institutionen und Gesetzen, die Marktwirtschaft und das Privateigentum an den Banken und Konzernen, als Rahmen der eigenen Politik betrachtet oder ob man bereit ist, über diesen Rahmen hinaus zu gehen.
Zwei Beispiele: Die Beschäftigten des Waggonbauers Bombardier in Halle (Saale) kämpfen gegen die Schließung ihrer Fabrik. Diese ist wahrscheinlich nur dauerhaft zu retten, wenn die Eigentümer enteignet werden und der Betrieb in öffentlicher Hand fortgeführt wird. Gleichzeitig wäre es nötig einen Produktionsplan aufzustellen, der auf öffentlichen Investitionen im Verkehrswesen beruht. Im Rahmen des Kapitalismus: nicht machbar.
Zweites Beispiel: Berlin ist pleite. Die Banken verdienen sich dumm und dämlich an den Zinszahlungen des Landes. Der Senat garantiert die Gewinne für die Investoren bestimmter Fonds bei der Bankgesellschaft, die Zeche zahlt die Allgemeinheit durch Sozialkürzungen und Lohnraub im öffentlichen Dienst. Ein Ausweg aus dieser Situation ist nur denkbar, wenn die Macht der Banken gebrochen wird. Die Zinszahlungen müssten eingestellt werden, die Banken in öffentliches Eigentum überführt werden.
Sozialistische Politik bedeutet nicht nur die Perspektive einer grundlegenden Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu haben, sondern auch und insbesondere hier und heute entschieden und konsequent die Interessen der Lohnabhängigen und Erwerbslosen zu vertreten und sich in keiner Situation auf die kapitalistische Logik einzulassen. Die Notwendigkeit hier und heute mit kapitalistischen Prinzipien zu brechen ergibt sich aus den zu führenden Kämpfen.
Deshalb treten wir dafür ein, den Kampf für die angesprochenen Verbesserungen mit der Perspektive auf eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu führen.
Dazu ist die Überführung der großen Banken und Konzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung und die demokratische Planung der Wirtschaft eine Voraussetzung. Denn kontrollieren kann man nur, was einem auch gehört. Deshalb schlägt die SAV vor, dass eine neue Partei für die Einführung einer sozialistischen Demokratie eintritt und ihren Einsatz für die Erkämpfung von Reformen damit verbindet, zu erklären, dass es notwendig ist, den Kapitalismus abzuschaffen.

Beitrag von SAV-Mitgliedern zur Programmdiskussion in der WASG
Hier ist ein Beitrag von SAV-Mitgliedern, die in der WASG aktiv sind, zur Diskussion über das zukünftige Programm der WASG abrufbar. Er setzt sich dafür ein, dass der Programmentwurf der WASG auf Grundlage des Beitrages neu erarbeitet wird.

Hoffnungsträger Oskar Lafontaine?
von Sascha Stanicic, Berlin

Lafontaine is back. Nach seiner Ankündigung möglicherweise die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) zu unterstützen, ist er wieder in aller Munde. SPD-Politiker geraten in Panik, denn sie wissen: Lafontaine spricht mit seiner Kritik an der Agenda 2010 und an deutschen Kriegseinsätzen Millionen aus der Seele. Ausschließen wollen sie ihn aber nicht, denn „Lafontaine ist außerhalb der SPD gefährlicher als in der Partei“ (SPD-Vorsitzender Müntefering). Das stimmt. Mit Lafontaine würde die WASG beziehungsweise die sich daraus bildende neue Linkspartei auf einen Schlag bundesweit von Millionen wahr und ernst genommen. Sie würde zu einem politischen Faktor und zehntausende enttäuschte (Ex-) SozialdemokratInnen würden ihm folgen. Ein Einzug der WASG in den Bundestag wäre noch wahrscheinlicher. Warum? Weil Lafontaine in den Augen breiter Massen als ein Linker gilt, der Arbeitnehmerinteressen vertritt und die Reichen zumindest Steuern zahlen lassen will. Und weil er eine bundesweit bekannte und anerkannte Führungspersönlichkeit ist, der jeder und jede zutraut, eine Partei aufzubauen und zu führen. Eine andere Galionsfigur mit ähnlicher Ausstrahlungskraft kann die WASG nicht aufbieten. Daher verwundert es nicht, dass der WASG-Vorsitzende Klaus Ernst Lafontaine schon mal „sehr willkommen“ heißt. Lafontaine hat angekündigt, bis 2006 abwarten zu wollen: Tritt Schröder zurück, bleibt er in der SPD. Doch es ist wohl wahrscheinlicher, dass eine Eigendynamik einsetzt, die Lafontaine auch früher zur WASG stoßen lässt, unabhängig davon, ob die SPD ihn raus wirft oder nicht.

Sozialistischer Flügel nötig
Lafontaines Beitritt würde für die WASG beziehungsweise eine neue Linkspartei eine Stärkung in dem Sinne bedeuten, dass deutlich mehr GewerkschafterInnen, ArbeitnehmerInnen und Erwerbslose die neue Partei wählen, Veranstaltungen besuchen und sogar Mitglied werden würden.
Doch um aus der WASG eine wirkliche Massenpartei der erwerbstätigen und erwerbslosen Arbeiterklasse in Deutschland zu machen – sprich: eine Partei mit hunderttausenden Mitgliedern und AktivistInnen in Nachbarschaften, Betrieben, Schulen und Hochschulen – bedarf es eines Programm, das konsequent die Interessen der Masse der Bevölkerung gegen die Geldsäcke in diesem Land vertritt, und einer Praxis, die ArbeiterInnen und Erwerbslose zu Protesten mobilisiert und organisiert. Innerhalb der WASG gibt es Kräfte, die eine solche Ausrichtung wollen, doch die Mehrheit der derzeitigen Führung hat eine weitestgehend parlamentarische Orientierung und stellt das kapitalistische System nicht in Frage. Dieser Flügel würde durch Lafontaine gestärkt.
Wir sollten nicht vergessen: Lafontaine war nicht nur SPD-Vorsitzender in den Jahren des Rechtsrucks der Partei, sondern auch saarländischer Ministerpräsident und Bundesfinanzminister. Er ist überzeugt, dass er den Kapitalismus besser managen kann als die Neoliberalen. Und dazu war und wird er auch zu Maßnahmen bereit sein, die die Masse der Bevölkerung treffen. Schon in der Vergangenheit hat er Lohnverzicht bei Arbeitszeitverkürzung gefordert, Privatisierungen unterstützt und die Erhöhung des Renteneintrittsalters vorgeschlagen. Kommt Lafontaine ist der Aufbau eines starken und kämpferischen sozialistischen Flügels in der WASG umso dringender.

Zum Verhältnis der WASG zu den Gewerkschaften
von Ursel Beck, Stuttgart

Die Arbeiterklasse ist die einzige Kraft in der Gesellschaft, die aufgrund ihrer Stellung in der Produktion und ihrer Fähigkeit zu kollektiver Gegenwehr und Solidarität die Lage der arbeitenden Menschen durch Kampf verbessern und den Kapitalismus abschaffen kann. Die Existenz und potentielle Macht der Arbeiterklasse zeigt sich beim Streik der OpelarbeiterInnen in Bochum. Durch ihren Streik legen sie nicht nur ihr Werk, sondern Werksteile von General Motors in ganz Europa lahm. Ein Streiktag kostet General Motors dabei 30 Millionen Euro.
Um bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen und eine andere Gesellschaft zu erkämpfen, hat die Arbeiterklasse einst sozialistische Parteien und Gewerkschaften gegründet. In Deutschland bildeten SPD und Gewerkschaften über lange Perioden die organisierte Arbeiterbewegung, die sich gegenseitig beeinflussten und mitgliedermäßig eng verflochten waren. Alle sozialen Errungenschaften und demokratischen Rechte sind Ergebnisses des Kampfes der Arbeiterbewegung. Die Verabschiedung der SPD von der Arbeiterklasse und ihre Verwandlung zur Unternehmerpartei macht die Neugründung einer Arbeiterpartei notwendig. Eine neue Linkspartei muss aber von Anfang Klarheit über die Aufgabenstellung in Bezug auf die Gewerkschaften haben.

Gewerkschaftsführung verbürgerlicht
In den Gewerkschaften hat es einen ähnlichen historischen Anpassungsprozess wie in der SPD gegeben. Klassenkampf wurde durch Klassenkollaboration, genannt Sozialpartnerschaft, ersetzt. In Krisenzeiten bedeutet Sozialpartnerschaft völlige ideologische Kapitulation und Ausverkauf von Mitgliederinteressen. Besonders seit Anfang der 90er Jahre ist die Kluft zwischen Führung und Basis der Mitgliedschaft so groß wie nie zuvor. Wachsende Wut und Kampfbereitschaft in den Betrieben und Branchen stößt auf die Blockade von Betriebsratsfürsten und Gewerkschaftsspitzen. Die große Mehrheit von Gewerkschaftsführern haben unter dem ideologischen Druck der Herrschenden in den 90er Jahren völlig kapituliert und geben diesem weiter nach. Co-Management mit Unternehmern und Regierungen, „Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit“, Standortpolitik und kampflose Zugeständnisse an die Profitinteressen der Unternehmen sind die praktischen Konsequenzen dieser Politik. Die Vorstände der Gewerkschaften bringen heute die gleichen Argumente wie Unternehmer und ihre Politiker – nur in abgeschwächter Form. Materiell sind die Spitzenfunktionäre der Gewerkschaften völlig abgehoben von den Lebensverhältnissen der Arbeiterklasse. Sie verdienen 10.000 bis 15.000 Euro im Monat. Der offene Übergang ins Management oder ein Ministeramt ist für sie die logische Fortsetzung ihrer Karriere. So ist beispielsweise der ehemalige ÖTV-Vorsitzende Herbert Mai heute Arbeitsdirektor bei Fraport (Frankfurter Flughafen).

Entpolitisierung und Entdemokratisierung
Prokapitalistische Politik und Privilegien für die Spitzenfunktionäre hatten auch zur Folge, dass innergewerkschaftliche Demokratie und lebendige Diskussionen zurück gedrängt wurden. Die Politik der Gewerkschaftsspitzen ist heute durch Stellvertreterpolitik statt Aktivierung der Mitgliedschaft, durch Geheimdiplomatie statt demokratischer Einbeziehung der Basis, durch Spaltung statt Solidarität und durch Kapitulation statt Streik geprägt. Die heutigen Gewerkschaftsführer machen die Gewerkschaften von Kampforganisationen zu Dienstleistungsunternehmen – zu einem ADAC für Arbeitnehmer. Statt den Rentenklau zu bekämpfen, treten Gewerkschaften zum Beispiel heute als Agenten für private Zusatzversicherungen auf. Die Folge der angepassten Politik ist, dass die Gewerkschaften entpolitisiert und viele gewerkschaftlichen Strukturen in den Betrieben zusammengebrochen sind und qualitativ geschwächt wurden. Eine Vielzahl von Vertrauenskörpern in Großbetrieben wurde in den verlängerten Arm von Betriebsräten, die Co-Management betreiben, umfunktioniert.

Errungenschaften der Vergangenheit
Im Nachkriegsaufschwung mit hohem Wirtschaftswachstum, einem wachsenden Weltmarkt, ausgelasteten Kapazitäten und kaum bzw. wenig Arbeitslosigkeit und hohen Profitraten waren die Unternehmer bereit, dem Druck der Gewerkschaften relativ leicht nachzugeben und Zugeständnisse zu machen. Außerdem war die Systemkonkurrenz im Osten immer ein unsichtbarer Beteiligter auf Seiten der Gewerkschaften am Verhandlungstisch mit den Unternehmern. Auf die Zugeständnisse aus dieser Zeit basieren die Reste an Autorität der Gewerkschaftsbürokratie. Und sie gibt vor, dass sie mit ihrer Politik der Kompromisse die Errungenschaften aus früheren Zeiten am besten verteidigen würde. Doch die strukturelle Krise des Kapitalismus und der Wegfall der Systemkonkurrenz hat der alten Politik der Sozialpartnerschaft die Grundlage entzogen. Die Unternehmer sind zum offenen Klassenkampf übergegangen und wollen das Kräfteverhältnis in der Gesellschaft entscheidend zuungunsten der Gewerkschaften verschieben. Das stellt die Gewerkschaften vor die Alternative, die Kampfkraft für die Verteidigung der Interessen der Mitgliedschaft zu mobilisieren oder vor dem Druck der Unternehmer zu kapitulieren.

Gewerkschaftsführung kapituliert
Sommer, Huber, Peters, Bsirske und Co. haben sich entschieden. Unter dem Druck des Kapitals haben sie die letzten gewerkschaftlichen Grundsätze aufgegeben. Erstreikte Errungenschaften wie z.B. die 35-Stunden-Woche werden nur noch in Worten verteidigt. In den Tarifrunden wird Lohnverzicht betrieben. Der Flächentarifvertrag wird aufgegeben und die Tarifpolitik verbetrieblicht. Die Folge dieser Verbetrieblichung der Tarifpolitik ist, dass die Belegschaften in einen Konkurrenzkampf gegeneinander geschickt werden, in dem das Ergebnis nur eine Lohnspirale nach unten sein kann und bei der am Ende alle verlieren. Die Haltung der Gewerkschaftsführer in der Standort-Debatte läuft darauf hinaus, den Unternehmern einen Pakt gegen die ausländische Konkurrenz, das heißt, gegen die KollegInnen im Ausland anzubieten. Der staatliche Sektor wird nicht mehr verteidigt. Die Gewerkschaftsführer haben die Position, dass man gegen eine Regierung keinen politischen Streik organisieren darf, also auch Gesetze wie Hartz, Gesundheitsreform und Rentenklau nicht stoppen kann. Und sie nehmen behaupten sogar, dass nicht alles an diesen Gesetzen schlecht sei.

Potenzielle Macht der Gewerkschaften nutzen
Im Gegensatz zur SPD können die Gewerkschaftsführer ihre soziale Basis, die Lohnabhängigen nicht verlassen. Die Gewerkschaften existieren als Organisation mit abhängig Beschäftigten als Mitglieder, oder sie existieren überhaupt nicht. Obwohl die DGB-Gewerkschaften in den letzten Jahren Millionen von Mitgliedern verloren haben und der Selbstzerstörungsprozess durch korrupte Spitzenfunktionäre sehr weit gediehen ist, bleiben sie die wichtigste Massenorganisation, die die Arbeiterklasse zur Verteidigung ihrer Interessen hat. Sie sind potenziell die mächtigste Kraft in der Gesellschaft bzw. Gegenmacht gegen Regierungen und Unternehmer. Die Verantwortung dafür, dass diese Kampfkraft nicht eingesetzt wird und die Gewerkschaften nicht als Gegenmacht auftreten, trägt die Gewerkschaftsführung.

WASG muss Bruch der Gewerkschaften mit SPD durchsetzen
Der Aufbau der WASG kann einen Beitrag leisten, die Krise der Gewerkschaften zu überwinden. Mit einem antikapitalistischen Programm, mit antikapitalistischer Propaganda und Agitation auf der Straße und in den Betrieben kann sie den neoliberalen Argumenten der SPD-Gewerkschaftsspitzen und Betriebsräten die Grundlage entziehen und Kolleginnen und Kollegen eine klassenkämpferische politische Orientierung geben. Mit einer Kampagne für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich könnte sie beispielsweise eine Gegenoffensive gegen die Angriffe der Herrschenden bezüglich Arbeitszeitverlängerung in den Betrieben starten. Bei einer solchen Kampagne müssten die Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsräte, die derzeit kampflos Arbeitszeitverlängerungen zustimmen, offen kritisiert und ein offensiver gewerkschaftlicher Kampf in der Frage Arbeitszeitverkürzung eingefordert werden. Aus der gegenwärtigen Offensive von Seiten der Unternehmer und Regierungen muss aber auch die Schlussfolgerung gezogen werden, dass unter kapitalistischen Verhältnissen erkämpfte Errungenschaften wie die 35- oder 30-Stunden-Woche auf Dauer nicht gesichert sind. Der Kampf zur Verteidigung von Errungenschaften und für weitere Verbesserungen muss deshalb mit dem Kampf für eine Systemalternative verbunden werden. Das bedeutet, dass die WASG die Notwendigkeit der Überführung der Produktionsmittel in Gemeineigentum erklärt und eine Vision für eine Gesellschaft frei von Profitproduktion, Konkurrenzkampf und Ausbeutung vermittelt. Die fehlende Systemalternative in den Köpfen von Gewerkschaftern ist zu einer Bremse im alltäglichen Kampf in den Betrieben geworden. Nur wer das Ziel hat, die Unternehmer zu entmachten und eine Vorstellung von einer anderen Gesellschaft hat, wird auch in betrieblichen und gewerkschaftlichen Kämpfen die Machtfrage auf die Tagesordnung setzen. Würde die WASG antikapitalistische Ideen verbreiten, hätte das enorme Auswirkungen auf die Gewerkschaften. Die SPD könnte die politische Kontrolle über die Gewerkschaften verlieren.

Für kämpferische und demokratische Gewerkschaften
Der ideologische Kampf in den Gewerkschaften muss ergänzt werden mit einer klaren Strategie, die Kontrolle der SPD bzw. der Bürokratie über die Gewerkschaften zu brechen. In gewissem Sinne geht es nicht nur darum, eine neue Partei aufzubauen, sondern es geht darum, die gesamte Arbeiterbewegung neu aufzubauen. Für die Gewerkschaften bedeutet das, den gegenwärtigen Selbstzerstörungsprozess zu stoppen. Sie müssen für die Interessen der Mitgliedschaft zurückerobert und wieder zu dem zu gemacht werden, wofür sie gegründet wurden: Kampforganisationen der Lohnabhängigen. Ein wesentliche Aufgabe der WASG und der Gewerkschaftslinken besteht darin, die gegenwärtige Blockade der Gewerkschaftsführung in der Streikfrage zu brechen. Es geht darum, die riesige potenzielle Stärke der Arbeiterklasse endlich zum Einsatz zu bringen mit Streiks bis hin zu Generalstreiks. Damit könnten die Herrschenden in den Chefetagen und Regierungen in ihre Schranken verwiesen werden. Gleichzeitig würde es dafür sorgen, dass die deutsche Arbeiterklasse das Gefühl für ihre eigene Stärke zurückgewinnt und durch die reale Klassenauseinandersetzung politisches Bewusstsein entwickelt. „Ein Tag Streik, bringt mehr als 10 Jahre Schulungsarbeit“. Dieser Satz des ehemaligen IGM-Bezirksleiters aus Baden Württemberg, Willi Bleicher, hat mehr Bedeutung denn je. Massenstreiks hätten unweigerlich eine enorme Politisierung, den sprunghaften Anstieg von Klassen- und antikapitalistischem Bewusstsein zur Folge. Bisher passive Schichten würden sich gewerkschaftlich und politisch aktivieren und ein riesiges Reservoir für den Neuaufbau der Gewerkschaften und den Aufbau der WASG liefern. Gewerkschaftsfunktionäre und – Aktivisten in der WASG würden durch die Organisierung erfolgreicher Streiks die Glaubwürdigkeit, Autorität und Anziehungskraft der WASG enorm erhöhen. Rosa Luxemberg erklärte über den Aufbau der Arbeiterbewegung: „Dies ist aber eben die den proletarischen Klassenorganisationen entsprechende spezifische Methode des Wachstums: im Kampfe sich zu erproben und aus dem Kampfe wieder reproduziert hervorzugehen.“ Es sind die politischen Schlussfolgerungen der Arbeiterklasse aus diesen Kämpfen, die aus einer kleinen Partei eine Massenpartei machen werden.

Aufbau innergewerkschaftlicher Opposition
Um die Blockade der Gewerkschaftsfunktionäre zu brechen, muss die WASG eine Doppelstrategie einschlagen. Die politische Linie der Gewerkschaftsführung muss offen kritisiert und Kampfmaßnahmen eingefordert werden. Mit Forderungen und Kritik alleine können die Spitzenfunktionäre aber nicht ausreichend unter Druck gesetzt und zum Kämpfen gezwungen werden. Deshalb muss die WASG Basisinitiativen von kritischen KollegInnen unterstützen und beim Aufbau einer innergewerkschaftlichen Opposition zur heutigen Gewerkschaftsführung helfen. WASG-Mitglieder, die in den Gewerkschaften aktiv sind und Funktionen innehaben, müssen Teil einer solchen organisierten innergewerkschaftlichen Opposition sein. Nötig ist, dass die GewerkschafterInnen in der WASG gemeinsam eine Strategie entwickeln, selbst Kämpfe und Streiks zu organisieren. Klaus Ernst, einer der Mitbegründer der WASG und Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Schweinfurt, hat bereits mehrmals lokale Streiks organisiert, zuletzt im April 2003 gegen die Agenda 2010. Wenn die GewerkschafterInnen in der WASG, die ähnliche Funktionen wie Klaus Ernst bekleiden, unterstützt von der gesamten WASG, solche lokalen oder vielleicht sogar regionalen oder bundesweiten Streiks organisieren, wäre das ein bedeutender Schritt beim Aufbau einer Massenstreikbewegung und für eine Kampfperspektive, die etwas erreichen kann. Es würde die Autorität der Spitzenfunktionäre untergraben und sie gewaltig unter Druck setzen.
Mit dem Aufbau einer programmatischen und personellen Alternative zur heutigen Gewerkschaftsführung ist auch der Kampf für die Demokratisierung der Gewerkschaften verbunden. Wichtigste Prinzipien für die Demokratisierung ist die Wähl- und jederzeitige Abwählbarkeit aller Gewerkschaftsfunktionäre, jederzeitige Rechenschaftspflicht gegenüber der Basis und die Begrenzung der Gehälter von hauptamtlichen Funktionären auf den durchschnittlichen Lohn der Gewerkschaftsmitglieder.

Perspektive
Auf Dauer werden es die Co-Manager an der Spitze und im Apparat der Gewerkschaften nicht schaffen, die Arbeiterklasse vom Streiken abzuhalten. Früher oder später wird sich die aufgestaute Wut Bahn brechen. Wenn die Gewerkschaftsführung weiter auf der Bremse steht, wird es unweigerlich wilde Streiks geben. Die Arbeiter werden notfalls die Strukturen der Gewerkschaften umgehen und unabhängige Aktions- oder Streikkomitees gründen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass es zu Abspaltungen von den bestehenden Gewerkschaften kommt und einzelne Berufsgruppen oder Belegschaften neue kämpferische Gewerkschaften aufbauen, wenn die bestehenden zum absoluten Hindernis werden. Die deutsche Arbeiterklasse ist eine der mächtigsten der Welt und hat eine kampfstarke Tradition. Und sie wird zu dieser Tradition zurückfinden. Die WASG sollte dabei Motor und nicht Beobachter sein.

Warum wir auch die SAV aufbauen
Wenn SAV-Mitglieder aktiv am Aufbau der WASG teilnehmen und dort ein sozialistisches Programm vorschlagen: Warum bauen SAV-Mitglieder weiterhin die SAV auf?

Das grundlegende Ziel der SAV ist die Abschaffung des Kapitalismus und die Einführung einer sozialistischen Demokratie. Damit meinen wir eine Gesellschaft, in der die Konzerne und Banken in Gemeineigentum überführt und unter die demokratische Verwaltung und Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung gestellt werden. Eine solche Gesellschaft unterscheidet sich grundlegend von den stalinistischen Staaten Osteuropas und der Sowjetunion, in denen das Privateigentum an Produktionsmitteln zwar abgeschafft, aber keine demokratische Planung und Kontrolle der Wirtschaft und keine Demokratie innerhalb der Gesellschaft vorhanden waren. Manche meinen, der Kampf für eine lebenswerte, sozialistische Zukunft sei zwar ehrenwert, aber illusorisch. Drei Viertel aller Ostdeutschen und gut die Hälfte aller Westdeutschen hält Sozialismus laut FAZ für eine gute Idee, „die nur schlecht ausgeführt wurde.“ Wir meinen, dass ein Fortbestehen des Kapitalismus inklusive Kriege, Elend, Armut und Massenarbeitslosigkeit illusorisch ist.
In diesem Sinne kämpfen wir heute gegen konkrete Verschlechterungen und verbinden diesen Kampf für Reformen mit dem Ziel einer sozialistischen Gesellschaft. Allerdings zeigt die ganze Geschichte der Arbeiterbewegung, dass der Kapitalismus nicht über Reformen, sondern nur auf revolutionäre Weise gestürzt werden kann. Der chilenische Präsident Salvador Allende vertrat 1973 die Auffassung, dass eine Revolution nicht nötig sei, sondern der Sturz des Kapitalismus auch über die Parlamente zu erreichen wäre. Die Folge war die blutige Niederschlagung der chilenischen Revolution durch die herrschende Klasse.
Doch wie organisiert sich eine Revolution? Revolutionen basieren auf dem Willen von Massen von Menschen. Um jedoch die Lehren aus vergangenen revolutionären Bewegungen zu ziehen, Hunderttausende und Millionen von Menschen politisch zu organisieren und die Revolution bis zum Ende zu führen, bedarf es einer revolutionär-sozialistischen Partei. Genau das Fehlen einer starken revolutionären Partei war der ausschlaggebende Grund, warum die deutsche Novemberrevolution im Jahr 1918 den Kapitalismus nicht gestürzt hat.
Das Ziel der SAV ist es, revolutionär-sozialistische Organisationen, die eine Massenbasis unter ArbeiterInnen und Jugendlichen haben, aufzubauen. Gemeinsam mit unseren Schwesterorganisationen, mit denen wir im CWI (englische Abkürzung für „Komitee für ein Arbeiterinternationale“) organisiert sind, wollen wir international solche Organisationen aufbauen. International, weil auch die Herrschenden international organisiert sind und eine wichtige Lehre aus den Erfahrungen mit dem Stalinismus ist, dass Sozialismus in einem Land unmöglich ist. Deshalb bauen wir die SAV auf.
Zur Zeit gibt es jedoch kein sozialistisches Massenbewusstsein und die Mehrheit von ArbeiterInnen, Jugendlichen und sozial Benachteiligten ist nicht für ein revolutionär-sozialistisches Programm zu gewinnen. Viele mögen uns zwar im Grundsatz Recht geben, zweifeln aber an der Machbarkeit unserer Ideen.
Der erste Schritt wird sein, dass ArbeiterInnen beginnen, für ihre unmittelbaren Interessen zu kämpfen und sich zu einer Partei zusammen schließen, die diese Interessen vertritt – eine neue Arbeiterpartei. In einer solchen Partei könnten sich abhängig Beschäftigte, Erwerbslose, Jugendliche und RentnerInnen unabhängig von den bürgerlichen Parteien politisch organisieren, diskutieren, kämpfen, zu Wahlen antreten. Das wäre ein großer Fortschritt, selbst wenn eine solche Partei anfangs kein sozialistisches Programm vertreten würde. Eine Arbeiterpartei würde die Entwicklung von Klassenbewusstsein fördern, wenn sie klar formuliert, dass sie die Interessen der Lohnabhängigen gegen die Interessen der Kapitalbesitzer durchsetzen will und dafür auch kämpft. Aus Kämpfen heraus wird auch die Auseinandersetzung um ein Programm zur Durchsetzung von Arbeiterinteressen erwachsen. Wir sind davon überzeugt, dass eine Kombination aus Erfahrungen und Diskussionen mit sozialistischen Kräfte, dazu führen wird, dass sozialistische Ideen in einer neuen Arbeiterpartei Unterstützung finden werden. In diesem Sinne ist die Bildung einer neuen Arbeiterpartei ein Schritt zum Wiederaufbau der sozialistischen Bewegung und beschleunigt den Prozess revolutionäre und sozialistische Ideen in der Arbeiterklasse zu verankern. Deshalb wird die SAV den Aufbau einer neuen Partei aktiv mittragen und gleichzeitig in ihr für sozialistische Ideen eintreten. Als ein sozialistischer Flügel werden wir für einen kämpferischen und sozialistischen Kurs der neuen Partei kämpfen.