„Bosse raus – Malocher bleiben“

so eines der zahlreichen Schilder auf dem Demozug von Zehntausenden in Bochum vom Werk in die Innenstadt

Bericht aus Bochum vom 19. Oktober 2004
 

opel1Lautstark und kämpferisch demonstrierten die KollegInnen von Opel Bochum am heutigen internationalen Aktionstag in Bochum und setzten damit ihren Streik gegen wachsenden Druck fort. Seit Donnerstag steht die Produktion still. Im absoluten Mittelpunkt steht dabei die Frage der Vernichtung von direkt 4.000 und indirekt wahrscheinlich über 20.000 Arbeitsplätzen und der damit verbundene Niedergang der ganzen Region, mit dem die Bosse von General Motors drohen.
Unterstützt wurden die Opelaner von Tausenden Beschäftigten aus Stahlindustrie und Bergbau. Zudem waren KollegInnen fast aller in der letzten Zeit kämpfenden Bereiche vertreten: Die streikenden Leverkusener Busfahrer zeigten ihre Solidarität, die Daimler-KollegInnen aus Bremen waren da. Die „Mettinger Rebellen“, auf deren T-Shirts ein Bild mit der Aufschrift „Steinkühlerpause auf der B10“ prangte, sperrten die Straße mit einem Transparent gegen Jobkiller und Lohnräuber. Denn, so ein Mettinger Betriebsrat: „Wir sind Spezialisten im Straßensperren.“ Karstadt war auf vielen Transparenten präsent und die Verbindung zu Hartz IV – wo die Opelaner nach den Plänen von GM zu landen drohen – wurde von zahlreichen Montagsdemo-Plakaten thematisiert.
Stark vertreten war insgesamt die IG BCE, die leider mit ihren Fahnen beim Standortwettbewerb mitmachen wollte („Standort Deutschland – Menschen zuerst“). Die Hella-KollegInnen von RE forderten: „Wir kämpfen gemeinsam. Wir Arbeiter müssen in die Offensive gehen“.
Aus Stuttgart war zudem eine Delegation von Porsche und Vertreter von Mahle anwesend.
Marc Treude, Stadtrat und SAV-Mitglied in Aachen und von Cinram kürzlich entlassener Gewerkschafter versprach den KollegInnen vor dem Werkstor auch „über den Stadtrat den Kampf bekannt zu machen und Solidarität zu organisieren“. SAV-Mitglieder aus Berlin, Köln, Aachen, Kassel und Saarbrücken verteilten einen Solidaritätsbrief und Flugblätter, verkauften die ?Solidarität ? Sozialistische Zeitung? und setzten sich für eine Ausweitung der Streiks und die Bildung von Streik- und Aktionskomitees ein.
opel2Bei der Kundgebung musste man dann den Eindruck bekommen, Ziel der Rednerinnen und Redner sei es, die streikenden Opelaner möglichst schnell zur Wiederaufnahme der Arbeit zu bewegen. Da wurde viel von Solidarität gesprochen und die KollegInnen gelobt – doch über die nächsten Schritte im Kampf wurde kein Wort verloren. Stattdessen betonten Betriebsräte und die Bochumer Oberbürgermeisterin die Notwendigkeit von „Verhandlungen auf gleicher Augenhöhe“, bei denen „alle aufeinander zugehen“ müssten. Als ein katholischer Bischof davon sprach, dass die Arbeit jetzt wieder aufgenommen werden müsse und „Kompromisse mit Verzicht verbunden“ seien, erntete er ein Pfeifkonzert. Am meisten Beifall bekam noch ein spanischer Gewerkschafter, der den Kapitalismus als Hintergrund der Auseinandersetzung benannte.

Streiks zeigen Wirkung

Dabei beginnt die „Informationsveranstaltung“ benannte Arbeitsniederlegung neben den unmittelbaren Folgen in Bochum jetzt international zu wirken. „Der wilde Streik im Opel-Werk Bochum bringt den Konzern in immer größere Schwierigkeiten: Wegen Teilemangels muss das Werk in Antwerpen seine Produktion einstellen. Im Stammwerk Rüsselsheim stehen die Endmontagebänder seit zehn Uhr still“, so Spiegel online (19. Oktober 04).
Der Druck auf die Streikenden steigt jetzt. Einigkeit von IG-Metall-Chef Peters bis zu den Politikern besteht darin, dass der Ausstand nun beendet werden müsse. Arbeitgeberpräsident Hundt wird vom Deutschlandradio zusammengefasst: „… wilde Streiks seien unzulässig und rechtswidrig. Sie gefährdeten den Standort Deutschland und schadeten dem Betriebsfrieden“. Und weiter: „Nach einem Bericht der Zeitung ‚Die Welt‘ erwägt der Opel-Konzern offenbar, gegen mutmaßliche Rädelsführer bei den Protesten fristlose Kündigungen auszusprechen. Diese sollten mit Verstößen gegen das Betriebsverfassungsgesetz begründet werden.“

Wie weiter?

Diese Drohungen zeigen bislang wenig Wirkung. Doch in Bochum ist klar: Allein hier ist der Kampf nicht zu gewinnen. Dringend muss eine Strategie aufgezeigt werden, wie der Streik auf andere Werke ausgedehnt werden kann. Sonst steigt der Frust nach dem Motto: „Die streiken doch nie mit“, so ein Kollege über die anderen Opel-Werke.
opel3Die gemeinsame Stärke der Gewerkschaften – von der IG Metall über die IG BCE bis zu ver.di – wurde heute sichtbar. Die Opelaner zeigten Flagge ihrer Gewerkschaft, der IG Metall. Doch Hoffnung auf die Gewerkschaftsspitze gibt es wenig, „was machen die denn für uns?“. Entscheidend ist beides: Dass die KollegInnen den Kampf noch deutlicher in die eigene Hand nehmen und Streik- und Aktionskomitees wählen, die alle weiteren Schritte kontrollieren. Und: Druck ist in der Gewerkschaft nötig, den Kampf auszudehnen. Zunächst auf die anderen Opel-Werke, aber auch darüber hinaus: VW verhandelt am Donnerstag
(Arbeitgeberforderung: „minus 30 Prozent Personalkosten“ mittelfristig). Bei Daimler ist in Bremen von „Personalüberhängen“ die Rede. Nötig ist ein gemeinsamer Kampf aller von Lohnraub und Jobkillern bedrohten KollegInnen!
Dazu muss vor „Standortsicherungsverträgen“ oder anderen „Arbeitsplatzgarantien“ gewarnt werden. Gerade Opel, mit dem Programm „Olympia“, bietet genügend Anschauungsmaterial, dass Lohnverzicht nur die internationale Dumpingspirale nach unten anheizt. Und Arbeitszeitverlängerung bedeutet direkt, dass mit weniger ArbeiterInnen das gleiche produziert werden kann. Das ist die Aufforderung zur Vernichtung von Arbeitsplätzen.
Doch mit angeblichen Zusagen den Standort Bochum zu sichern und ähnliches sollen die Nacht- und spätestens die Frühschicht morgen, am Mittwoch, dazu gebracht werden, wieder zu arbeiten.
Eine solche Entscheidung darf nur von einer Vollversammlung aller KollegInnen nach abteilungs- und werksweiten Versammlungen gefällt werden, auf denen die Vereinbarungen genau und im Original dargestellt und diskutiert werden.

von Stephan Kimmerle, Mitglied der SAV-Bundesleitung, z.Zt. Bochum