Für einen heißen Herbst

Hartz kippen – aber wie?
 
Nur der gemeinsame Kampf von Arbeitenden und Arbeitslosen und eine Streikbewegung können die Regierung in die Knie zwingen. Die Angriffe von Regierung und Kapital treffen alle (außer den Reichen). Deshalb muss die Parole des Widerstands sein: Alle gemeinsam!
Alle gemeinsam muss auch bedeuten, den Kampf gegen Agenda 2010 und Hartz IV mit den betrieblichen Auseinandersetzungen um Arbeitszeit und Löhne zu verbinden. Nach dem Einknicken der Gewerkschaften bei Siemens und DaimlerChrysler stehen hier weitere Auseinandersetzungen bei Volkswagen, Opel, MAN, Karstadt und anderen Betrieben an, ebenso die Auseinandersetzung um die Arbeitszeitverlängerung für die Länderbeschäftigten. Hier darf es kein weiteres Zurückweichen vor den unverschämten Forderungen der Unternehmer geben, sondern müssen die Belegschaften mobilisiert werden. Angesichts der weiter steigenden Massenarbeitslosigkeit sollten die Gewerkschaften eine Gegenoffensive für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich auf 30 Stunden pro Woche starten.

Rolle der Gewerkschaften

Es ist ein Skandal, dass die Spitzen der Gewerkschaften bis Redaktionsschluss dieser Zeitung noch immer nicht zur Beteiligung an den Montagsdemonstrationen aufrufen. Von den Spitzen(gehalts)funktionären kann man sich nur verar… vorkommen. Als Schröder die Agenda 2010 ankündigte, wurde kein Widerstand organisiert. Als sich dieser von unten entwickelte, sahen sich die Sommers, Bsirkses und Co. gezwungen, am 3. April zu Großdemonstrationen aufzurufen, auf denen sie gegen die mittlerweile beschlossene Agenda 2010 wetterten – nur um ein paar Wochen später zu der Erkenntnis zu kommen, dass sie als gute Demokraten nicht mehr gegen schon beschlossene Gesetze mobilisieren werden! Beschlüsse kann man zurücknehmen!  Hätten die Gewerkschaften den Kampf gegen Hartz und Agenda frühzeitig aufgenommen, statt sich an Regierungskommissionen zu beteiligen, wären diese nie beschlossen worden! Jetzt muss innerhalb der Gewerkschaften der Druck erhöht werden, damit es einen Kurswechsel gibt und die ganze Kampfkraft der Millionen Gewerkschaftsmitglieder und aller ArbeitnehmerInnen in die Waagschale geworfen wird. Um einen effektiven Druck auszuüben, müssen sich kritische und kämpferische KollegInnen zu Oppositionsgruppen innerhalb der Gewerkschaften zusammenschließen.

Eintägiger Generalstreik

Am 1. November 2003 sind 100.000 auf die Straße gegangen. Am 3. April 2004 waren es eine halbe Million. Jetzt gehen Woche für Woche mehr als hunderttausend demonstrieren. Die Herrschenden werden nervös, aber sie sind noch nicht nervös genug, um zu einem Rückzieher gezwungen zu sein.
Das zeigt: Demonstrationen alleine reichen nicht, obwohl sich der politische Druck von Demonstrationen angesichts der Entwicklung einer neuen linken Partei erhöhen wird. Denn das Fehlen einer Arbeiterpartei hat es den Regierenden leichter gemacht, Proteste auszusitzen.
Mit der Entwicklung einer neuen Partei müssten die Herrschenden wieder Angst haben, dass Proteste zu politischer Organisierung von ArbeiterInnen führen. Das hätte aus Sicht des Kapitals weit bedrohlichere Folgen als nur eine Verschiebung der parlamentarischen Kräfteverhältnisse.
Vorschläge wie die Durchführung einer bundesweiten Demonstration am 2. Oktober sind daher gut, aber nicht ausreichend. Nötig ist, vom Protest zum aktiven Widerstand, zum Beispiel der Besetzung von Arbeitsämtern, zu kommen. Entscheidend wird aber sein, ob die Beschäftigten ihre ökonomische und gesellschaftliche Macht durch Streiks einsetzen. Ohne eine Streikbewegung kann es kaum eine erfolgreiche Abwehr der Attacken von Regierung und Kapital geben. Dies nicht nur, weil Streiks den Kapitalisten materiell schaden und ihr Heiligstes, den Profit, schmälern. Streiks sind auch die Kampfform, in der die Arbeiterklasse Klassenbewusstsein entwickelt, also den Kapitalismus als Klassengesellschaft begreift – und damit steigt die politische Bedrohung für die Kapitalisten.
Das Tabu des politischen Streiks und des Generalstreiks muss in den Gewerkschaften durchbrochen werden. Dazu bedarf es einer Doppelstrategie durch kämpferische AktivistInnen und die Gewerkschaftslinke. Einerseits sollte der Druck auf die Hauptvorstände erhöht werden und eine Kampagne für die Durchführung zunächst eines eintägigen Generalstreiks gestartet werden. Parallel dazu sollten, so geschehen im letzten Jahr in Schweinfurt und Kassel, örtliche und betriebliche Streiks durchgeführt werden. Diese sollten koordiniert am 17.11. – dem ehemaligen gesetzlichen Feiertag Buß- und Bettag – durchgeführt werden und auch ein eintägiger Streik- und Protesttag von den Gewerkschaftsführungen für diesen Termin gefordert werden. In Mobilisierungen und Streiks gegen Hartz, Agenda 2010 und Lohnraub müssen dann Forderungen, wie die nach Arbeitszeitverkürzung eingebracht werden.

von Sascha Stanicic, Bundessprecher der SAV