Interview mit Alois Skrbina
Seit dem 9. Januar streiken in Leverkusen 80 BusfahrerInnen der Herweg-Bus-Betriebe (HBB) für einen ?Einstieg? in den Spartentarifvertrag. Die HBB ist eine Tochterunternehmen des öffentlichen Verkehrsbetriebs der Kraftwerk Wupper-Sieg AG (KWS). Diese wiederum gehört zu je 50 Prozent der Stadt Leverkusen und dem Rheinisch-Bergischen Kreis. Die Geschäftsführung ist bisher zu keinen Verhandlungen bereit.
Aussage des Geschäftsführers: ?Die können streiken, bis sie schwarz werden?. Die HBB bezahlt ihre Fahrer nach einem Tarifvertrag der christlichen Gewerkschaft GÖD, die kein einziges Mitglied in dem Betrieb hat. 90 Prozent der Fahrer sind ver.di-Mitglied, 95 Prozent stimmten für Streik. Der GÖD-Tarifvertrag bedeutet für die Busfahrer 1.200 Euro brutto Regelverdienst.
Solidarität interviewte Alois Skrbina, einst bei den Essener Verkehrsbetrieben und jetzt bei einem Tochterunternehmern beschäftigt und dort Betriebsratsmitglied. Die Essener Verkehrsbetriebe waren Vorreiter bei der Einführung des Spartentarifvertrags. Alois ist auch Mitglied im Sprecherrat des ?Netzwerks für eine kämpferische und demokratische ver.di?. Er ist aktiv in der Solidaritätsarbeit für die streikenden Busfahrer in Leverkusen.
In der ganzen Auseinandersetzung geht es letztlich um den Spartentarifvertrag für den öffentlichen Nahverkehr. Die Kollegen der HBB kämpfen um den Spartentarifvertrag. Du hast gegen seine Einführung bei den Essener Verkehrsbetrieben gekämpft ? warum?
Ich habe im Jahr 2001 gegen die Einführung des Spartentarifvertrages Nahverkehr bei der Essener Verkehrs AG gekämpft, weil dieser gegenüber den bis daher geltenden BMT-G [Flächentarifvertrag für ArbeiterInnen im öffentlichen Dienst] wesentliche Verschlechterungungen enthält. Allein elf freie Tage wurden nach Einführung des TV-N [Spartentarifvertrag öffentlichen Nahverkehr] gestrichen. Mein Kampf blieb damals allerdings erfolglos, weil man mich von einer ver.di-Mitgliederversammlung, auf der über die Einführung des TV-N abgestimmt wurde, ausschloss und anschließend ein Ausschlussverfahren aus ver.di gegen mich einleitete.
ver.di-Funktionäre verteidigen den Spartentarifvertrag mit dem Argument, dass damit die Chance besteht, die noch schlechteren Tarife bei den privaten Busbetrieben auf ein höheres Niveau zu bringen. Was ist Deine Bilanz von zweieinhalb Jahren Spartentarifpolitik von ver.di?
Dieses Argument von ver.di wird nicht aufgehen, denn wo immer die Arbeitgeber die Möglichkeit haben einen schlechteren Tarifvertrag anzuwenden, werden sie dies tun. Leverkusen ist hierfür das beste Beispiel. Im Ergebnis werden also nur die öffentlichen Verkehrsbetriebe ihre Tarifverträge nach unten angleichen und die Privaten werden ihre schlechten Tarife beibehalten. Der Gesetzgeber könnte hier aber Abhilfe schaffen, indem er den TV-N für allgemeinverbindlich erklären würde, denn dann müssten wirklich alle Verkehrsbetriebe den TV-N anwenden.
Was müsste Deiner Meinung nach von ver.di getan werden, um den Streik bei der HBB zu einem Erfolg zu machen?
Ich bin mir sicher, dass es zu wesentlich größeren Solidaritätsmaßnahmen kommen würde, wenn ver.di diesen Streik bundesweit bekannt machen würde. Ich würde aber auch den rechtlichen Aspekt nicht aus den Augen verlieren, denn die HBB wendet hier einen Tarifvertrag der GÖD an, obwohl nicht ein einziger Mitarbeiter der GÖD angehört. Dies verstößt eindeutig gegen das Tarifvertragsgesetz, welches besagt, dass nur beiderseitig tarifgebundene Tarifvertragsparteien tariffähig sind. Und im vorliegenden Fall fehlt auf Arbeitnehmerseite eindeutig die Tarifbindung durch die GÖD. Eine rechtliche Klärung durch das Arbeitsgericht wäre meines Erachtens daher angebracht.
Ich verstehe auch nicht, warum eine solche rechtliche Klärung durch ver.di nicht schon längst durchgeführt wurde. Ich habe diese Frage auf der Kölner Solidaritätsveranstaltung auch schon an den Betriebsrat der HBB gerichtet, der mir aber hierauf auch keine Antwort geben konnte, weil er von ver.di diesbezüglich immer nur ausweichende Antworten erhält.
Eine Feststellungsklage beim Arbeitsgericht wäre aber auch durch die betroffenen Arbeitnehmer zulässig. Auch dies habe ich dem Betriebsrat der HBB mitgeteilt. Ich kann ehrlich gesagt nicht verstehen, warum dies bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfolgt ist. Ich kann den streikenden Leverkusener BusfahrerInnen daher auch an dieser Stelle nur noch einmal raten, versucht auch diesen Weg.
Zum Abschluss möchte ich den streikenden KollegInnen in Leverkusen nochmal meine Solidarität aussprechen und ihnen ein gutes Gelingen wünschen.