35 Jahre Christopher-Street-Day – 35 Jahre Kampf gegen Diskriminierung
   
  Der 27. Juni 1969 markiert den Beginn der modernen Schwulen- und   Lesbenbewegung. An diesem Tag begehrten die BesucherInnen der New Yorker   Szenebar "Stonwall Inn" in der Christopher Street erstmals gegen   gewaltsame Polizeirazzien und Behördenwillkür auf, tagelange   Straßenschlachten in der Christopher Street und angrenzenden Straßen   zwischen den Opfern der Repressionen und den Ordnungskräften schlossen   sich an. Seit Anfang der 70er Jahre erinnern Schwule, Lesben und   Transgender weltweit mit Paraden, Demonstrationen und Straßenfesten an   diesen Tag und demonstrieren für Emanzipation und gegen Diskriminierung.
Gerade   aber in Deutschland fand in den vergangenen Jahren eine immer stärkere   Kommerzialisierung und Entpolitisierung der CSD’s statt, insbesondere   bei den beiden größten in Köln, mit zwischen 750.000 und 1,5 Millionen   BesucherInnen und Berlin mit 500.000 bis 700.000 BesucherInnen.
Fiasko "Homo-Ehe"
Diese Entwicklung scheint in   diesem Jahr erstmals, zumindest in Ansätzen, eine Korrektur zu erfahren.   So wird in Köln insbesondere das Fiasko der   "Eingetragenen   Lebenspartnerschaft" ("Homo-Ehe") Thema sein, die den Betreffenden nur   Pflichten aber kaum Rechte bringt, das Partnerschaftsmodell auf die   reine klassische Zwei-Personen-Beziehung reduziert und das erste   Sondergesetz für Schwule und Lesben nach der Abschaffung des   berüchtigten "Schwulenparagraphen" 175 StGB (Strafgesetzbuch) ist.
Daneben   werden auch die Sozialraubzüge der Herrschenden, die Kürzungsorgien bei   Selbsthilfegruppen, kulturellen Einrichtungen und in der   Gesundheitsversorgung zu einem immer wichtigeren Thema. Die sogenannte   "Gesundheitsreform", die Gesundheit und medizinische Versorgung zu einer   Ware macht, hat in der schwullesbischen Gemeinde vielen erstmals die   Unmenschlichkeit und die Perspektivlosigkeit des auf Profitsteigerung   einiger weniger beruhenden kapitalistischen Systems gezeigt – und auch,   dass es keine Partei gibt, die tatsächlich die Interessen der Menschen,   etwa nach allgemein zugänglicher und kostenloser medizinischer   Versorgung, nach freiem Zugang zu Kultur und Bildung, nach Arbeit von   der man auch leben kann, vertreitt.
Kampf für Emanzipation
Auch wenn derzeit Schwule und Lesben in   Deutschland seltener direkt Opfer von Ausgrenzung und offener   Minderheitenfeindlichkeit sind, so sind wir von einer tatsächlichen   Akzeptanz und Emanzipation noch weit entfernt – was in einer   Gesellschaft, die gerade auf Ausgrenzung, Diskriminierung und   Ausbeutung, auf dem Ellenbogen und dem "Recht des Stärkeren" basiert,   nicht verwundern kann. Auch darf nicht vergessen werden: Noch immer   können in manchen Teilen Deutschlands Schwule und Lesben nicht offen   leben, in manchen Ländern Europas und anderswo auf der Welt werden   Schwule, Lesben, Transgender verfolgt, körperlich bedroht und auch   getötet.
Der Kampf für die Emanzipation von Schwulen und Lesben   kann nur erfolgreich sein, wenn er eingebettet ist in einen Kampf für   die Emanzipation aller Menschen und für eine emanzipatorische   Gesellschaft, in der die Freiheit aller abhängig ist von der Freiheit   des einzelnen und in der der Mensch und nicht der Profit im Mittelpunkt   steht.
von Jörg Fischer, Köln