„Manager in die Braunkohle“

Bombardier-Belegschaft belagert Aufsichtsratssitzung
 
Die komplette Belegschaft, rund 800 ArbeiterInnen, des Waggonbauwerks von Bombardier Ammendorf bei Halle machte sich am gestrigen Dienstag um 5.30 Uhr auf den Weg nach Berlin. Dort fand die Aufsichtsratssitzung des Konzerns statt. Einziger Tagesordnungspunkt: Zustimmung zur Schließung des Werkes Ammendorf.
Dies wollen die Beschäftigten nicht hinnehmen. Sie fühlen sich verraten und verkauft – zurecht. Noch vor zwei Jahren konnte die damals schon vorgeschlagene Schließung des Werkes verhindert werden. Versprechungen, die damals von der Konzernleitung zum Erhalt des Werkes gemacht wurden, entpuppten sich als leere Sprechblasen. „Manager in die Braunkohle“ war die passende Parole, die auf einem Transparent zu lesen war.
Einmal mehr zeigt sich auch hier, dass Verzicht nicht zu Arbeitsplatzsicherung führt. Noch Ende November 2003 hatte der Betriebsrat einer Standortsicherungsvereinbarung zugestimmt, die den Abbau von 200 Arbeitsplätzen beinhaltete. Diese Zustimmung macht es der Konzernleitung jetzt nur leichter die restlichen Arbeitsplätze zu vernichten, schließlich ist die Belegschaft jetzt um 200 KämpferInnen schwächer.
Betroffen ist nicht nur Ammendorf. Weltweit sollen 6.600 Arbeitsplätze vernichtet werden. In Deutschland ist außerdem der Standort Henningsdorf betroffen. Für die Region Halle wäre die Schließung des größten Industriebetriebs eine Katastrophe. Nach Angaben des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Armin Schoppe hängen von jedem Bombardier-Arbeitsplatz drei weitere bei Zulieferern und Dienstleistern ab. Aus offiziell 20 Prozent Arbeitslosigkeit würde deutlich mehr.
Die Wut und Verbitterung stand den Beschäftigten ins Gesicht geschrieben und sie ließ sich von den vielen selbstgemalten Transparenten ablesen, die sie mit nach Berlin gebracht hatten: „Wir lassen uns nicht BRDigen!“ , „Sachsen-Anhalt – Armenhaus der Nation“ oder „Blühende Landschaften aus Werksruinen und leeren Städten“. Solche Parolen drückten auch die Desillusionierung vieler ostdeutscher ArbeiterInnen und Erwerbslosen nach 14 Jahren Wiedervereinigung aus.
Trotz des Kampfeswillen der Belegschaft schlugen die Gewerkschaftsvertreter keine erfolgversprechende Strategie für den Kampf um den Erhalt des Werkes vor. Hasso Düvel, IG Metall-Bezirksleiter und Gewerkschaftsvertreter im Bombardier-Aufsichtsrat erklärte, dass der Aufsichtsrat aufgrund formaler Fehler an diesem Tag keinen Beschluss zur Schließung des Werkes fällen könne, was er dann auch tatsächlich nicht tat. In einer wenig kämpferischen Rede sprach Düvel von den existierenden Überkapazitäten und der schlechten Auftragslage. Seine Lösungsvorschläge bewegten sich gänzlich in einem betriebswirtschaftlichen Konzept. So schlug er vor, dass die Belegschaft zusammen tragen solle, welche Komponenten von Fremdfirmen geliefert würden. Intention eines solchen Vorschlags ist offensichtlich diese Komponenten wieder bei Bombardier zu fertigen – was dann mit den Arbeitsplätzen bei den anderen Firmen geschieht scheint Düvel erst einmal egal zu sein. Auch einen Verkauf des Werks an ein anderes Unternehmen schloss er nicht aus. Die IG Metall hat dementsprechend eine Unternehmensberatung damit beauftragt, ein Konzept für das Ammendorfer Werk zu erarbeiten. Ein solches wird auch die dem Kapitalismus innewohnende Profitmaximierung zum Ausgangspunkt haben. Es ist kaum zu erwarten, dass auf dieser Grundlage Arbeitsplätze gerettet werden, es wird höchstens zu Vorschlägen für Arbeitsplatzabbau an anderen Standorten geben. Genau dies gilt es aber zu verhindern.
Ein Kollege hatte auf sein Schild geschrieben: „Wenn Dein starker Arm es will, alle Räder stehen still“. Dieser alte Leitspruch der Arbeiterbewegung kann nur für die gesamte Bombardier-Belegschaft und letztlich für alle Beschäftigten im Waggonbau gelten. Sich gegeneinander ausspielen lassen, ist der Anfang vom Ende. Daher ist es bedenklich, dass die Kontakte zu anderen Belegschaften bisher nicht besonders intensiv zu sein scheinen.
In einem Interview sagte der Betriebsratsvorsitzende Reiner Knothe, dass erst bei einem anstehenden Treffen des Gesamtbetriebsrates mit den Belegschaftsvertretern anderer Standorte gesprochen werden wird. Nötig wäre stattdessen eine sofortige Aktionskonferenz von Betriebsräten, Vertrauensleuten und Jugendvertretern der verschiedenen Bombardier-Werke zur Ausarbeitung eines gemeinsamen Aktionsplans.
Die angedrohte Werksbesetzung in Ammendorf sollte vorbereitet werden und eine bundesweite Solidaritätskampagne über die IG Metall und andere Gewerkschaften organisiert werden. Und wenn die Bombardier-Konzernleitung nicht nachgeben will, sollte die Forderung aufgestellt werden: Bombardier in Arbeiterhand durch Überführung des Werkes in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die Beschäftigten. Waggonbau ist ökologisch sinnvoll und notwendig. Es gäbe keine Überkapazitäten, wenn in diesem Bereich die nötigen Investitionen für den Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs getätigt würden. Stattdessen wird aber von der Bundesregierung weiter die Autoindustrie hofiert, die Bahn privatisiert und Streckenverbindungen abgebaut. Der Kampf um das Ammendorfer Bombardier-Werk muss daher nicht nur mit aller Konsequenz geführt werden, sondern verbunden werden mit einem politischen Kampf für eine alternative Verkehrspolitik, in der nicht die Profite der Öl- und Automultis, sondern die Bedürfnisse von Mensch und Umwelt. Dies würde eine gesamtgesellschaftliche und demokratische Planung des gesamten Waggonbaus als Teil eines demokratisch geplanten Verkehrswesens bedeuten.

von Sascha Stanicic, Berlin